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(c) Pester Lloyd / 26 - 2009 WIRTSCHAFT 23.06.2009
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Das Reparaturviertel

Ab 1. Juli steigt in Ungarn die Mehrwertsteuer wieder auf 25%

Ungarn erfüllt damit letztlich nur eine Auflage der Kreditgeber, die das Land vor dem Staatsbankrott bewahrt haben: Staatshaushalt sanieren, koste es was es wolle. Doch auch andere Steuern, u.a. auf Mineralöl, Tabak und Alkohol werden angehoben. Grundnahrungsmittel könnten sogar günstiger werden, wenn die Händler mitziehen.

Erst im Jahre 2006 wurde die Mehrwertsteuer 25% auf 20 gesenkt, nun wird sie also wieder um 5 Prozentpunkte angehoben, um dem Haushaltsdefizit zu begegnen. Der Staat erhofft sich 400-500 Mrd. HUF (rund 1,7 Mrd.EUR) Mehreinnahmen im Jahr dadurch. Die Steuerausfälle für dieses Jahr aufgrund der Konjunktuflaute werden indes allein auf rund 850 Mrd. HUF geschätzt.

Unterschiedliche Mehrwertsteuersätze sollen Sozialverträglichkeit vorgaukeln. So sinkt die Áfa auf Waren des täglichen Bedarfs, wie z.B. Brot, Mehl und Milch von derzeit 20 auf den ermäßigten Steuersatz von dann 18%. Allerdings frühestens ab 1. August, weil die Genies im Finanzministerium diese Ausnahmeregelung zu spät in Brüssel gemeldet hatten. Die EU muss abweichende Mehrwertsteuersätze genehmigen, um zu verhindern, dass durch die Bevorzugung bestimmter Produkte und Dienstleistungen Klientelwirtschaft und Wettbewerbsverzerrung betrieben werden kann.

Ob Grundnahrungsmittel wirklich billiger werden, ist zweifelhaft, man kann eher davon ausgehen, dass die Händler die Mehrwertsteuererhöhung gleichmäßig auf alle Produkte umlegen, auch wenn das die amtliche Überwachung und die Verbraucherschützer gar nicht gerne sehen. Aufatmen können zumindest die rund 600.000 Bezieher von Fernwärme. Geht alles gut, gilt für sie spätestens Ende des Jahres der niedrigste Steuersatz von 5 bzw. 6%. Gleiches gilt für Bücher und (verschreibungspflichtige) Medikamente. Auch die Hoteliers kämpfen für den ermäßigten Steuersatz von 18%.

Marktforscher haben errechnet, dass sich aus der Steuererhöhung ein Preisanstieg bei Lebensmitteln von 3,5% aufs Jahr ergeben müsste, dass aber zum Juli durchschnittlich nur rund 1% beim Verbraucher duchgesetzt wird. Die Gesamtteuerung im Lebensmittelsektor wird sich nach deren Angaben weiter abschwächen auf rund 6% in diesem Jahr, 2008 waren es noch 10%, 2007 sogar 11,5%. Derzeit tobt ein heftiger Kampf zwischen den großen Handelsketten und deren Lieferanten. Angeblich sollen die Zulieferer ihre Preise so senken, dass sie allein die Mehrwertsteuererhöhung schultern. Der Verband der Lebensmittelhersteller hat sich deshalb mit einer Beschwerde an die Wettbewerbsaufsicht gewandt. (siehe unsere Meldung).

Ganz heftig kommt es für Genießer, Süchtler und / oder Autofahrer. Die Alkoholsteuer wird gleichzeitig mit der Anhebung der Mehrwertsteuer um 6-7% erhöht. Zigaretten werden staatlicherseits um 140 Forint pro tausend Stück teurer. Der Chef der Vereinigung der Ungarischen Tabakindustrie, András Patai rechnete vor, dass eine Packung Zigaretten, die derzeit 550 Forint (ca. 1,82 EUR) kostet, ab Juli ungefähr 37 Forint teurer sein wird.

Bei Benzin- und Dieselkraftstoff wird der Anstieg auf einen Schlag rund 18-19 Forint pro Liter ausmachen, die größte Steigerung "in der Geschichte Ungarns", wie pathetisch der Autofahrerverband gemeldet hat. Das bedeutet, an der Zapfsäule werden dann für Normalbenzin rund 290 HUF fällig, derzeit rund 267. MOL wird auch gleich eine Anpassung der Weltmarktpreise weiterleiten, die Gelegenheit ist günstig. Siehe dazu unsere Meldung.

Die Händler müssen also die Preise erhöhen, doch die Realeinkommen der Ungarn sinken (siehe unsere Meldung) Vor allem im Non-Food-Bereich werden die Händler die Steuererhöhung selber übernehmen müssen, wenn ihre Umsätze nicht noch mehr leiden sollen. Verbrauchssteuern zu erhöhen in Zeiten, in denen die Binnennachfrage am Boden liegt, ist gar keine gute Idee. Doch Ungarn erfüllt damit letztlich nur eine Auflage der Kreditgeber IWF, Weltbank und EU, die das Land vor dem Staatsbankrott bewahrt haben. Die Auflage lautet: Staatshaushalt sanieren, koste es was es wolle.

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(c) Pester Lloyd

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