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(c) Pester Lloyd / 30 - 2009 KULTUR 20.07.2009
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Aida auf der Insel

Budapest: Schöne Stimmen auf verkommenem Areal

Das Budapester Sommerfestival greift nach den Sternen und fängt manchmal auch einen. Während der Theaterferien komt "die Provinz" in die Hauptstadt und kann sich sehen und hören lassen. Dass zu einem Sommer-Event aber mehr gehört, ist auf der Margareteninsel noch nicht angekommen, das Ambiente spielt weiter das Stück vom "armen Osten", wahrscheinlich aus reiner Bequemlichkeit.

Die Aida-Aufführung am Freitag auf der Freilichtbühne der Margareteninsel war die des Csokonai Theaters aus Debrecen. Die Provinz kommt in die Hauptstadt (wenn die Staatsoper Ferien macht!) und siehe da, die nationale Theaterlandschaft kann sich sehen und vor allem – hören lassen. Und das trotz der etwas in die Jahre gekommenen Übertragungstechnik auf der Freilichtbühne der Margaretheninsel, die nicht annähernd den brillanten Raumklang bietet wie etwa bei den österreichischen Opernfestspielen in St. Margarethen.

Dem Publikum bot sich zunächst alles andere als der prächtige Anblick der Welt der Pharaonen: zwei Holzfiguren stilisierter Spätmoderne, zwei fahrbare Treppenkegel und über der Beleuchterbrücke die Andeutung einer entfernten Pyramide. Nicht einmal etwas gelber Sand für den arg verschmutzten Bühnenboden wurde herangeschafft. Nach und nach jedoch entfaltete sich diese Dürftigkeit zu ausreichenden Versatzstücken einer fernen Kultur und ihrer Helden.

Die Ouvertüre wurde sparsam vertanzt, später sah man dann auch ideenreiche Eunuchen-Akrobatik und siegreiches Fahnenschwenken (Choreographie: Péter Gemza). Das Orchester spielte etwas betulich unter Péter Pálinkás auf. Auch beim Triumphmarsch im 2. Akt konnten die auf der Treppe postierten drei Fanfaren nicht wirklich vom Sieg des Radames überzeugen. Das tat dann aber das Solistenensemble und zwar bis in die letzte Rolle. Allen voran die Titelpartie der Aida, gesungen von der alle überstrahlenden Italienerin Annalisa Carbonara mit kraftvoller, wunderbar differenzierender Gestaltung, schönen, raumgreifender Bewegung ihrer schlanken Figur in wehenden Gewändern und ovalem, äthiopischen Kopfputz. Eine Augen- und Ohrenweide!

Nicht unbedingt in der Statur ebenbürtig, aber absolut in Stimmführung, Gestus und Kraft, der Radames des jungen Südkoreaners Tae Sung Jung. Er überzeugte sowohl in kräftiger, sicherer, ja strahlender Höhe wie im männlichen Baritonregister. Den Budapestern ist er bereits als André Chenier im Frühlingsfestival in guter Erinnerung und er dürfte auch weiterhin noch von sich reden machen. Die Amneris, gesungen von der Italienerin Francesca Provvisionato, wurde nicht als Sklaven meuchelnde Machtkanone gegeben, sondern als überzeugend liebende Frauengestalt, kraftvoll in der Tongebung mit schönen Pianopassagen, in der Mittellage allerdings manchmal etwas verhaucht.

Die tiefen Männerrollen- alle wirkungsvoll ausgefüllt: voran der Amonasro von Salvo di Salvo mit baritonaler Geschmeidigkeit und selbstbewusstem Auftreten; András Palerdi gab den Ramphis als eindrucksvollen Ideologen, während der König-Pharao des László Svitek mehr als lebende Kulisse angelegt war, was zu seiner aus den Pyramiden hohl schwingenden Stimme dann doch wieder recht gut passte. Kompliment an den Debrecener Opernchor: wunderbar rund singende und auch so schreitende Damen, stimmstarke Bässe und anhörbare Tenöre!

Während also die alten Ägypter auf der Bühne als bewegte und nahezu lebendige Kultur überzeugen, machte die größte Openair-Bühne der ungarischen Hauptstadt von Jahr zu Jahr mehr den Eindruck einer bereits versunkener Größe. Das an sich schöne Areal hat hässliche alte Holztürme neben der Bühne, eine ebensolche Betonkonstruktion als Basis und trotz ausreichender gastronomischer Grundversorgung im Eingangsbereich, keine Spur von erholsamen Charme oder gar Event-Gastronomie. Vertrocknete Einzelblümchen und Plastestühle verstärken das Bild vom armen Osten.

Die städtischen Betreiber kommen offenbar mal wieder nicht mit ihrem Hintern aus den Schreibtischsesseln, sonst wüssten sie wie viel „gutes” Geld sich mit Sommer-Open-Air a’la Mörbisch, St. Margareten oder gar Bregenz verdienen lässt. Die Investition kommt allerdings vorher. Das Geld, eventuell auch EU-Mittel, wäre für solch eine durchaus mögliche Touristen-Attraktion besser eingesetzt als für den Erhalt des immer gleich bleibend großen Verhinderungs-Verwaltungswasserkopfes der Budapester Stadtregierung und des Kulturministeriums.

E. Figura

Nächste Aida-Termine: 24. und 31.7., jeweils 20.30 Uhr (Einlass),
Karten zwischen 2.000 und 6.000 Ft unter ++36/1-340-4196

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