ZUM PESTER LLOYD

Stadtmagazin für Budapest

Gegründet 1967

POLITIK WIRTSCHAFT KULTUR BUDAPEST OSTEUROPA ANZEIGEN

 

| More

 

(c) Pester Lloyd / 31 - 2009 ESSEN & TRINKEN 30.07.2009
_______________________________________________________
 

Kaffee mit Schlag, Serviceaufschlag

Wieder ein ernüchtender Besuch bei einer Legende: das Kaffeehaus „Gerbeaud“ in Budapest - und Tipps für wirklich gute Lokale

In den einschlägigen Reiseführern über Ungarn ist immer noch zu lesen, dass man den gastronomisch-kulinarischen Legenden des Landes, dem Restaurant „Gundel“ und dem Kaffeehaus „Gerbaud“, unbedingt einen Besuch abstatten sollte. In dem einstigen Gourmet-Tempel waren wir bereits zu unserem Leidwesen (unser Beitrag), und dem Mekka der ehemaligen k.u.k.-Kaffeehaus-Kultur hatten wir dieser Tage einen ernüchternden Besuch abgestattet.

Wahr an den Besuchsempfehlungen ist allerdings in beiden Fällen nur die Legende. Das 1858 von Henrik Kugler gegründete und dann vom Schweizer Emil Gerbeaud berühmt gemachte Kaffeehaus am heutigen Vörösmarty tér im Zentrum Budapest kocht mittlerweile auch nur noch mit (zu viel) Wasser, was man mitunter der Qualität des Kaffees anschmecken kann. Auch die hochgelobten, in eigener Konditorei hergestellten Zuckbäckerwaren sind an anderen Plätzen der Stadt genau so gut, oder sogar besser zu bekommen.

Als Vergleiche empfehlen sich z.B. das kürzlich renovierte Café „Müvész“ schräg gegenüber von der Staatsoper, das Café „Centrál“ in der Pester Innenstadt oder die kleine Konditorei „Auguszt“ in Buda. Bei all den genannten stehen zudem noch Preise und Leistungen in einem angemessenen Verhältnis. Nur wegen des unverdienten Namens, der patinösen Innenarchitektur und der markanten Lage nimmt man im „Gerbeaud“ für einen kleinen Espresso 680.- Ft (nach heutigem Kurs 2,52 Euro), und das einfache Mineralwasser (Natur Aqua) kostet ebenfalls so viel. Nun wird der welterfahrene Tourist einwenden, dass er an zentralen Plätzen in anderen europäischen Hauptstädten mitunter noch viel mehr dafür hinlegen muss. Richtig! Nur verdienen die dortigen Hauptstädter etwa das Fünf- bis Zehnfache eines Ungarn...

Somit ist das Konzept auch dieses Lokals klar: Ungarn raus, Ausländer rein und abgezockt! Denn beim Preis für ein serviertes Produkt hört ja diese Denkweise nicht auf. Tatsächlich kostet nämlich ein kleiner Espresso an diesem Ort, wo sich nach eigener Prospekt-Aussage die „halbe Welt“ trifft, dann 782.- Ft. (2,90) Auch alle die anderen Getränke, Kuchen- und Tortenstückchen oder Sandwiches werden auf der Rechnung mit 15% Szervizdij (Serviceaufschlag) ausgewiesen (klein gedruckt am Ende der Karte). Vor ein paar Jahren war diese zusätzliche Einnahme verboten, jetzt feiert sie in nahezu allen Gaststätten wieder fröhliche Urständ – mal mit 10 oder 12%, aber wahrscheinlich nur im „Gerbeaud“ mit 15%, neben der 25%-igen Mehrwertsteuer, die ebenso rechtmäßig erhoben wird, ist dies eigentlich ein Schlag ins Gesicht der Besucher.

Bekanntlich werden die Kellnerinnen und Kellner (hier gibt es nur die weibliche Form) selten mit einem Festgeld bedacht, sondern aus dem Trinkgeld bezahlt. Ob nun dieser Serviceaufschlag tatsächlich dem durchaus freundlichen Servierpersonal zu Gute kommt oder aus dem noch darüber hinaus von jedem Gast gezahlten Trinkgeld entlohnt wird, bleibt ein Geheimnis des deutschen Eigentümers Müller, dem sowohl diese attraktive Immobilie sowie noch weitere Häuser in der Stadt gehören und der auch ein Maklerbüro unterhält.

Fotos (c) Pester Lloyd

Ob es sich um eine Art Unrechtsbewusstsein oder nur um ein weiteres Lockmittel für naive Touristen handelt, wir wissen es nicht: Nach Begleichung unserer Rechnung mit 25% Mwst (Áfa), 15% Service-Aufschlag und 10% freiwillig gegebenem Trinkgeld, also mit einem 50%-igen Mehrwert für Staat und Unternehmen, drückte uns die Kellnerin einen kleinen Flyer in die Hand, mit dem man (allerdings nur in Verbindung mit dem eben erhaltenen Kassenzettel/Quittung) im verkitschten Gerbeaud-Restaurant „Onyx“ mit einem Discount von 20% dort die gestylten und ebenfalls überteuerten Speisen verzehren kann, oder aber im Gerbeaud-Shop auf alle Artikel 10% Rabatt erhält, bzw. im fast immer leeren Gerbaud-Pub im Keller 10% Preisnachlass erhält – nachdem man 15% Servicezuschlag bezahlt hat!

Unser Gastro-Test hat also erneut gezeigt, dass sich der Besuch von so genannten gastronomischen Legenden in Budapest nicht wirklich lohnt. Der Reinfall im „Gundel“ hätte uns eigentlich eine Lehre sein müssen. Aber auch in der Auffindung gastronomischer Empfehlungen in Budapest stirbt die Hoffnung erst ganz zuletzt...!

Damit bei unserer Leserschaft nicht der Eindruck entsteht, der PESTER LLOYD kann die ungarische Gastronomie nur verreißen und keine Alternativen anbieten, sollen hier ein paar Budapester Lokale folgen, bei denen wir mit einigermaßen ruhigem Gewissen Besuchsempfehlungen aussprechen können. Sie beruhen in der Mehrheit auf eigenen Erfahrungen bzw. auf positive Hinweise von kritischen Gourmets, die seit vielen Jahren in Ungarn leben und dennoch den internationalen Vergleich haben. Aber auch für diese Empfehlungen können wir unsere Hand nicht 100% ins (Herd)Feuer legen:

Baraka (internationale Küche)
1063 Budapest
Andrássy út 111

Mokka (z.T. französische und afrikanische Küche)
1051 Budapest
Sas u. 4

Nefrid (gehobene chinesische Küche)
1124 Budapest
Apor Vilmos tér 4

Le Bourbon (französische Küche)
Hotel Le Meridien
1051 Budapest
Erzsébet tér 9-11

Millennium da Pippo (sizilianische Küche)
1062 Budapest
Andrássy út 76

Symbol (mediterrane Küche)
1036 Budapest
Bécsi út 56

Pomo d´Oro (authentische italienische Küche)
1051 Budapest
Arany János u. 9

Robinson (gehobene ungarische und mediterrane Küche)
1146 Budapest
Városligeti tó (Stadtwäldchen)

Trattoria Toscana (italienische Küche)
1055 Budapest
Belgrád rakpart 13

Café Kör (niveauvolle ungarische Küche)
1051 Budapest
Sas u. 17

Kéhli Vendéglö (typisch ungarische Küche)
1032 Budapest
Mókus u. 22

Alabárdos (internationale und ungarische Küche)
1014 Budapest
Országház u. (Burg)

Fausto´s (italienische Küche)
1061 Budapest
Székely Mihaly u. 2

Vénhajo Restaurant (internationale, z.T. Mulekularküche)
Kossuth Museums-Schiff
1052 Budapest
Vigádó tér (Donau)
 

| More

 

IHRE MEINUNG IST GEFRAGT - KOMMENTAR ABGEBEN

 

(c) Pester Lloyd

IMPRESSUM