(c) Pester Lloyd / 31 - 2009
ESSEN & TRINKEN 30.07.2009
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Kaffee mit Schlag, Serviceaufschlag
Wieder ein ernüchtender Besuch bei einer Legende: das Kaffeehaus „Gerbeaud“ in Budapest - und Tipps für wirklich gute Lokale
In den einschlägigen Reiseführern über Ungarn ist immer noch zu lesen, dass man den gastronomisch-kulinarischen Legenden des Landes, dem Restaurant
„Gundel“ und dem Kaffeehaus „Gerbaud“, unbedingt einen Besuch abstatten sollte. In dem einstigen Gourmet-Tempel waren wir bereits zu unserem Leidwesen (unser Beitrag), und dem Mekka der ehemaligen k.u.k.-Kaffeehaus-Kultur hatten wir dieser Tage einen ernüchternden Besuch abgestattet.
Wahr an den Besuchsempfehlungen ist allerdings in beiden Fällen nur die Legende.
Das 1858 von Henrik Kugler gegründete und dann vom Schweizer Emil Gerbeaud berühmt gemachte Kaffeehaus am heutigen Vörösmarty tér im Zentrum Budapest
kocht mittlerweile auch nur noch mit (zu viel) Wasser, was man mitunter der Qualität des Kaffees anschmecken kann. Auch die hochgelobten, in eigener
Konditorei hergestellten Zuckbäckerwaren sind an anderen Plätzen der Stadt genau so gut, oder sogar besser zu bekommen.
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Als Vergleiche empfehlen sich z.B. das kürzlich renovierte Café „Müvész“ schräg
gegenüber von der Staatsoper, das Café „Centrál“ in der Pester Innenstadt oder die kleine Konditorei „Auguszt“ in Buda. Bei all den genannten stehen zudem noch
Preise und Leistungen in einem angemessenen Verhältnis. Nur wegen des unverdienten Namens, der patinösen Innenarchitektur und der markanten Lage
nimmt man im „Gerbeaud“ für einen kleinen Espresso 680.- Ft (nach heutigem Kurs 2,52 Euro), und das einfache Mineralwasser (Natur Aqua) kostet ebenfalls so
viel. Nun wird der welterfahrene Tourist einwenden, dass er an zentralen Plätzen in anderen europäischen Hauptstädten mitunter noch viel mehr dafür hinlegen
muss. Richtig! Nur verdienen die dortigen Hauptstädter etwa das Fünf- bis Zehnfache eines Ungarn...
Somit ist das Konzept auch dieses Lokals
klar: Ungarn raus, Ausländer rein und abgezockt! Denn beim Preis für ein serviertes Produkt hört ja diese Denkweise nicht auf. Tatsächlich kostet nämlich ein kleiner Espresso an diesem Ort, wo sich nach
eigener Prospekt-Aussage die „halbe Welt“ trifft, dann 782.- Ft. (2,90) Auch alle die anderen Getränke, Kuchen- und Tortenstückchen oder Sandwiches werden
auf der Rechnung mit 15% Szervizdij (Serviceaufschlag) ausgewiesen (klein gedruckt am Ende der Karte). Vor ein paar Jahren war diese zusätzliche
Einnahme verboten, jetzt feiert sie in nahezu allen Gaststätten wieder fröhliche Urständ – mal mit 10 oder 12%, aber wahrscheinlich nur im „Gerbeaud“ mit 15%,
neben der 25%-igen Mehrwertsteuer, die ebenso rechtmäßig erhoben wird, ist dies eigentlich ein Schlag ins Gesicht der Besucher.
Bekanntlich werden die Kellnerinnen und Kellner (hier gibt es nur die weibliche
Form) selten mit einem Festgeld bedacht, sondern aus dem Trinkgeld bezahlt. Ob nun dieser Serviceaufschlag tatsächlich dem durchaus freundlichen Servierpersonal
zu Gute kommt oder aus dem noch darüber hinaus von jedem Gast gezahlten Trinkgeld entlohnt wird, bleibt ein Geheimnis des deutschen Eigentümers Müller,
dem sowohl diese attraktive Immobilie sowie noch weitere Häuser in der Stadt gehören und der auch ein Maklerbüro unterhält.
Fotos (c) Pester Lloyd
Ob es sich um eine Art Unrechtsbewusstsein oder nur um ein weiteres Lockmittel
für naive Touristen handelt, wir wissen es nicht: Nach Begleichung unserer Rechnung mit 25% Mwst (Áfa), 15% Service-Aufschlag und 10% freiwillig
gegebenem Trinkgeld, also mit einem 50%-igen Mehrwert für Staat und Unternehmen, drückte uns die Kellnerin einen kleinen Flyer in die Hand, mit dem
man (allerdings nur in Verbindung mit dem eben erhaltenen Kassenzettel/Quittung) im verkitschten Gerbeaud-Restaurant „Onyx“ mit einem
Discount von 20% dort die gestylten und ebenfalls überteuerten Speisen verzehren kann, oder aber im Gerbeaud-Shop auf alle Artikel 10% Rabatt erhält, bzw. im
fast immer leeren Gerbaud-Pub im Keller 10% Preisnachlass erhält – nachdem man 15% Servicezuschlag bezahlt hat!
Unser Gastro-Test hat also erneut gezeigt,
dass sich der Besuch von so genannten gastronomischen Legenden in Budapest nicht wirklich lohnt. Der Reinfall im „Gundel“ hätte uns eigentlich eine Lehre sein müssen.
Aber auch in der Auffindung gastronomischer Empfehlungen in Budapest stirbt die Hoffnung erst ganz zuletzt...!
Damit bei unserer Leserschaft nicht der Eindruck entsteht, der PESTER LLOYD kann die ungarische Gastronomie nur verreißen und keine Alternativen anbieten, sollen hier ein paar Budapester Lokale
folgen, bei denen wir mit einigermaßen ruhigem Gewissen Besuchsempfehlungen aussprechen können. Sie beruhen in der Mehrheit auf eigenen Erfahrungen bzw.
auf positive Hinweise von kritischen Gourmets, die seit vielen Jahren in Ungarn leben und dennoch den internationalen Vergleich haben. Aber auch für diese
Empfehlungen können wir unsere Hand nicht 100% ins (Herd)Feuer legen:
Baraka (internationale Küche)
1063 Budapest Andrássy út 111
Mokka (z.T. französische und afrikanische Küche) 1051 Budapest Sas u. 4
Nefrid (gehobene chinesische Küche) 1124 Budapest
Apor Vilmos tér 4
Le Bourbon (französische Küche) Hotel Le Meridien 1051 Budapest Erzsébet tér 9-11
Millennium da Pippo (sizilianische Küche) 1062 Budapest Andrássy út 76
Symbol (mediterrane Küche) 1036 Budapest Bécsi út 56
Pomo d´Oro (authentische italienische Küche) 1051 Budapest Arany János u. 9
Robinson (gehobene ungarische und mediterrane Küche) 1146 Budapest Városligeti tó (Stadtwäldchen)
Trattoria Toscana (italienische Küche) 1055 Budapest Belgrád rakpart 13
Café Kör (niveauvolle ungarische Küche) 1051 Budapest Sas u. 17
Kéhli Vendéglö (typisch ungarische Küche) 1032 Budapest Mókus u. 22
Alabárdos (internationale und ungarische Küche) 1014 Budapest Országház u. (Burg)
Fausto´s (italienische Küche) 1061 Budapest Székely Mihaly u. 2
Vénhajo Restaurant (internationale, z.T. Mulekularküche) Kossuth Museums-Schiff 1052 Budapest Vigádó tér (Donau)
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(c) Pester Lloyd
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