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(c) Pester Lloyd / 32 - 2009 GESELLSCHAFT 05.08.2009
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100 Mio Forint Kopfgeld

Reaktionen auf den Mord von Kisléta / Ungarn

Hektische Betriebsamkeit ist die hilflose Reaktion von Exekutive und Politik auf den erneuten Mord an einem Angehörigen der Roma in Ungarn. Eine Telefonhotline bittet um Hinweise aus der Bevölkerung, eine Rekordprämie wurde für die Ergreifung ausgelobt, die Gemeinde versucht praktische Hilfen. Doch von einer solidarisierenden Entrüstung in der Bevölkerung und den meisten ungarischen Medien ist wenig zu spüren.

Heute traf Ungarns Justizminister Tibor Draskovics mit der Polizeispitze und den ermittelnden Staatsanwälten zusammen, um ßber den jüngsten Mord an einer Roma (unser Bericht) zu beraten. Er bat dabei den Polzeichef um die Erhöhung der ausgelobten Prämie für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen auf jetzt 100 Millionen Forint (ca. 380.000 EUR). Außerdem wurde eine Telefonhotline eingerichtet, bei der Bürger, auch anonym, Hinweise über Verdächtige - nicht nur zu diesem Fall - geben können. Der Minister zeigte sich auch der Idee gegenüber aufgeschlossen, internationale Ermittlungshilfe, z.B. in Form von Profilern, in Anspruch zu nehmen.

Politiker der regierenden sozialistischen Partei MSZP forderten einen nationalen Schulterschluss zum Schutz der Roma. "Nur gemeinsam können wir sicherstellen, dass niemand in diesem Land schutzlos und isoliert bleibt, auch nicht in gefährdeten Gebieten." meinte die Parteivorsitzende Ildikó Lendvai in einer Aussendung. Die Motive der Mörder seien zwar unbekannt, aber es ist nicht das erste Mal, dass unschuldige Roma angegriffen wurden.

Kisléta von oben

Die kostenlose Hotline für Hinweise auf Verdächtige im Zusammenhang mit den Angriffen auf Roma lautet. 06-80-201-303. Die Polizei bittet ausdrücklich um Mithilfe, auch präventiver Natur. Beobachtet werden sollten ungewöhnliche Vorgänge in kleinen Dörfern, Fahrzeuge und Personen, die sonst in der Gegend unbekannt sind. Man solle sich markante Details merken, wie Kleidung, Verhalten, Kfz-Kennzeichen, Farbe der Autos, Anzahl der Personen etc. Dabei sei aber Vorsicht geboten, immerhin handelt es sich um schwer bewaffnete Täter, die auch vor Tötungen nicht zurückschrecken.

Nach Informationen des Krankenhauses in Nyiregyháza, ist das 13jährige Mädchen mittlerweile in einem "stabilen Zustand", es ist aber möglich, so die Ärzte, dass eine weitere Operation notwendig wird. Das Mädchen wird noch vier bis sechs Wochen im Krankenhaus verbringen. Dort wird sie von der Polizei bewacht, da sie nach Polizeiangaben, den Mörder gesehen haben soll und also zu seiner Identifikation beitrgen könnte. Der sichtlich geschockte Bürgermeister der Gemeinde tut indes alles in seiner Macht stehende, der Familie zu helfen. Sämtliche anfallende Kosten werden von ihm beglichen, eine bescheidene Soforthilfe an Angehörige wurde ausbezahlt. Die Mutter des Mädchens starb in der Nacht zu Dienstag noch auf dem Weg ins Krankenhaus an ihren schweren Schussverletzungen.

Die ungarischen Medien begnügten sich bisher überwiegend mit einer ausführlichen Berichterstattung über den Hergang des Verbrechens und gaben die Reaktionen der Offiziellen wieder. Ein bewegendes Interview mit der Mutter der Getöteten wurde gezeigt. Tiefergehende Analysen über die Vernachlässigung dieser sozial problematischen Minderheit und eine Aufarbeitung des auf der Hand liegenden Zusammenhanges mit dem Erstarken der militanten Rechten zu einer politischen Größe, werden nur am Rande behandelt. Lászlo Teleki, Beauftragter des Ministerpräsidenten für "die Romafrage" forderte Bürger und Organisationen dazu auf, aus Trauer und Protest über und gegen diese rassistischen Übergriffe schwarze Flaggen zu hissen. Viele wurden bisher nicht gesichtet.

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(c) Pester Lloyd

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