(c) Pester Lloyd / 33 - 2009
GESELLSCHAFT 11.08.2009
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Hesslicher Aufmarsch
Regierungschef will Nazidemo in Ungarn verhindern
Nirgendwo in Europa können Neonazis derzeit so ungestört marschieren und krakeelen wie in Ungarn. Daher soll Hitlers Stellvertreter, Rudolf Hess, am
15. August in Budapest gehuldigt werden. Doch diesmal wollen der Ministerpräsident und eine Gegeninitiative den Naziaufmarsch plus Konzert
verhindern, zumindest aber ein sichtbares Gegensignal setzen. Ungarn soll "kein Paradies für Nazis" werden, meint der Premier. Werden die Ungarn
diesmal ihre Apathie überwinden? Und wie positioniert sich Jobbik?
Für den 15. August planen in- und ausländische Neonazigruppen in Budapest
wieder einen "Gedenkmarsch und Gedenkkonzert" aus Anlass des Todestages von Rudolf Hess, Hitlers Stellvertreter, der in der Szene der Vorgestrigen als Märtyrer
verehrt wird. Die "Nationalsozialistsche Front", die "Hungaristen" und andere neofaschistische Gruppen riefen im Internet zu den Veranstaltungen auf, auch auf Deutsch und Englisch.
Wie die Väter, so die Söhne? Pro-Hess-Demo 1973 in Bonn.
Bereits in der Vergangenheit nutzten deutsche und Neonazis aus anderen Ländern
solche Anlässe, um ihre Gesinnung zu demonstrieren, was in Budapest bisher problemlos ging. Weder die Behörden, noch irgendwelche Gegendemonstranten
störten das Treiben, anders als in den Herkunftsländern der Demotouristen. In Bayern wird eine solche Demo seit Jahren bis in die höchste Instanz verboten.
Hinzu kommt, dass es in Ungarn keine wirkungsvollen Gesetze gegen die Leugnung des Holocaust, die Verhöhnung der Opfer und generell gegen rassistische Hassreden gibt.
Diesmal soll das anders werden. Ein Bündnis aus "bis zu 50" ungarischen und
internationalen Bürgerorganisationen ruft zu einer friedlichen Gegendemonstration im Stadtzentrum auf. Diese solle eine antifaschistische,
antirassistische und humanistische Botschaft verbreiten. Die Veranstalter riefen speziell Politiker und Prominente zur Teilnahme auf. Noch vor drei, vier Jahren
konnten bei solchen Gelegenheiten mehrere tausend Menschen mobilisiert werden. In den letzten Jahren jedoch eroberten die Rechten die Strassen für sich, Gegendemos fielen mangels Masse meist kläglich aus.
Der Ministerpräsident des Landes, Gordon Bajnai, geht noch einen Schritt weiter.
Er ruft selbst dazu auf, die Neonazi-Demo ganz "zu verhindern". Ungarn werde nicht zu einem Paradies für Neofaschisten werden, in dem diese ihre "irren Ideen"
verbreiten können. Das sagte der Premier am Rande einer Beratung mit MSZP-Vertretern. Er forderte die Genehmigungsbehörden, also die jeweils lokale
Polizei, auf, alle gesetzlichen Möglichkeiten und Kniffe auszuschöpfen, um die Durchführung einer solchen Demo zu unterbinden.
Reden wie Nazis, sehen aus wie Nazis, handeln wie Nazis, sind aber angefressen, wenn man
sie als Nazis bezeichnet... “Ungarische Garde” auf dem Heldenplatz in Budapest
Wie stellt sich Jobbik zur geplanten Demo?
Wie sich die rechtsextremistische Partei Jobbik, die bei den Europawahlen fast
15% errang, zu einer solchen Demo stellt, ist nicht uninteressant. Eine direkte Verbindung mit Neonazis will man nicht herstellen, um in konservativ-bürgerlichen
KReisen wählbar zu bleiben. Andererseits unterhält man selbst die militante, eigentlich nazistisch auftretende "Ungarische Garde", die für die Menschleben
fordernde Hassatmosphäre gegenüber Roma, Juden und "Kommunisten" in Ungarn zumindest mitverantwortlich ist. Ein ungarischer Fernsehjournalist (übrigens eines
eher rechten Senders) wollte es in einem Interview mit Parteichef Gábor Vona benauer wissen und herausfinden, wie sich Jobbik zu dem geplanten
Naziaufmarsch positioniert. Eine direkte Antwort bekam er nicht, bei weiteren Nachfragen platzte dem Parteiführer jedoch sichtlich der Kragen und er empfahl
dem Journalisten, da dieser sich so für den Holocaust interessiere, doch nach Israel auszuwandern...
Wort und Totschlag - Jobbik: Nazis oder normale Rechte?
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