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(c) Pester Lloyd / 35 - 2009  WIRTSCHAFT 26.08.09
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Steinmetze bei der Arbeit

Zwischen Zwang und Wahlkampf: Ungarn bastelt am Budget 2010

Die ungarische Regierung wird sich bereits am 1. September in einer außerordentliche Kabinettssitzung mit dem Staatshaushalt 2010 beschäftigen. Dieses gilt Ministerpräsident Bajnai als Schlüsselprojekt zur Lösung der Krise und es könnte auch seine letzte größere politische Aufgabe sein. Die Parteien Fidesz und SZDSZ, selbst die regierende MSZP haben, mit Blick auf den Wahlkampf, ihre ganz eigenen Vorstellungen davon.

Etliche Ministerialbeamte mussten auf ihren Sommerurlaub verzichten, um einzelne Kapitel des Budgets rechtzeitig vorzubereiten. Bereits am 9. September soll eine Kabinettsvorlage an die Abgeordneten weitergeleitet werden, am 11. die erste Lesung im Parlament stattfinden, derzeit finden Abstimmungen mit den Parteigremien statt. Geht alles glatt, könnte das Budget 2010 zwei Monate früher als sonst üblich zum Gesetz werden.

Ein großer Hammer für ein kleines Land. An allen Ecken und Enden muss gespart werden.

Das Budget wird von allen Seiten kritisch beäugt. Schließlich leitet die Debatte darum den Wahlkampf für die Wahlen im Frühjahr 2010 ein. Während die in Minderheit regierenden Sozialisten - möglichst öffentlichkeitswirksam - darauf achten werden, dass die soziale Komponente nicht verloren geht, vermutet die rechtskonservative Opposition hinter jeder Zahl eine versteckte Wahlkampfhilfe für die Sozis. Bajani hingegen will und muss vor allem sparen, denn er untersteht keiner Partei sondern IWF und EU, mit denen es ganz klare Abmachungen über die Haushaltsdisziplin gibt.

Einsparungen bei Staatsbetrieben und den Kommunen

Wesentliche Einsparungen wird es im öffentlichen Verkehr, also bei der Bahn MÁV und den Regionalbussen von Volán geben. Generell sollen Staatsbetriebe mit rund 80 Milliarden Forint weniger auskommen müssen. Heiss diskutiert werden derzeit noch die Kapitel zu den Lokal- und Regionalverwaltungen. Diese sind von der Opposition dominiert und sollen ebenfalls heftig sparen, was als politisch motiviert moniert wird. Allerdings will Bajnai den Selbstverwaltungen auch bestimmte Bürden abnehmen, also eher eine Strukturreform vornehmen. Das marode Gesundheitswesen, Bildung und Regionalentwicklung sind weiter heftig umkämpfte Positionen im Budget, weil hier nicht nur Partei- sondern auch andere Lobbyinteressen eine Rolle spielen.

Defizit auf wackeliger Basis

Bajnai hat schon klar gemacht, dass er zu keinen großen Kompromissen gegenüber den Parteiausschüssen aufgelegt ist. Alle den Ministerien und Verwaltungen vorgelegten Zahlen sind sachlich begründet und es gibt so gut wie keinen Verhandlungsspielraum. Vor allem nicht wenn es um die "in Stein gemeißelte Zahl" des Defizits geht. Das darf 3,8% nicht überschreiten. Dabei ist die Einhaltung dennoch völlig fraglich, denn in einem Budget können Faktoren wie Steuereinnahmen, Ausfälle in den Sozialkassen und ansteigende Arbeitslosenkosten sowie abflauender Konsum ohnehin nur geschätzt werden. Die Projektionen von Nationalbank und Finanzministerium dienen als Grundlage, haben sich aber schon in der Vergangenheit des öfteren als nicht haltbar erwiesen.

Ohnehin könnte sich das Budget von Bajnai bald als Makulatur erweisen. Der rechtskonservative Fidesz, der im Frühjahr die Macht in Ungarn mit überdeutlicher Mehrheit übernehmen wird, hält sich Budgetüberschreitung zur Krisenbewältigung als politisches Mittel offen, auch als gezielte Demonstration der scheinbaren Unabhängigkeit Ungarns von der EU.

Wer am Defizitziel zweifelt, kann gleich wieder gehen. Premier Bajnai ist entschlossen.

Liberale als Wackelkandidaten

Knackpunkt bei der Abstimmung ist immer noch die Fraktion des liberalen SZDSZ, ehemals Koalitionspartner und jetzt Mehrheitsbeschaffer der MSZP sowie eine Partei, die es außerhalb des Parlaments eigentlich nicht mehr gibt. Vor einer Woche hat sich eine neue liberale Partei gegründet (unser Beitrag). Der erst kürzlich neu gewählte Chef des SZDSZ, Attila Retkes, hat sich mit so gut wie allen wichtigen Personen überworfen, die, wenn sie nicht ausgetreten oder übergelaufen sind, bald für seine Absetzung sorgen werden.

Der SZDSZ-Fraktionsvorsitzende, Ex-Wirtschaftsminister János Koka weigerte sich beharrlich, die Fraktionsspitze auf Geheiß von Retkes zu verlassen, die Fraktion arbeitet also autonom und kündigte zwar an, ihre dringend benötigte Zustimmung zum Budget von Steuersenkungen abhängig zu machen, die man am liebsten gemeinsam mit dem Budget verabschieden will. Im Prinzip gilt ihre Zustimmung aber als verhandelbar auch wenn Koka retournierte, dass er Steuersenkungen in "Stein meißeln" wolle.

Koka will die Einkommenssteuer auf 17% senken und die Steuerfreibeträge auf 5 Mio HUF (18.000 EUR) 2010 und auf 15 Mio HUF (56.000) EUR) 2011 steigern, was dann also einem für ungarische Verhältnisse schon recht wohlhabenden Mittelstand zu Gute kommt. Der erste Teil war ohnehin ein Vorschlag vpn Bajnai, nur der Aufschlag von 2011 war so nicht geplant. Wie Koka den Spass gegenfinanziert, teilte er noch nicht mit, man wird aber das übliche liberale: Aufschwung durch Gründerboom und Befreiung von Staatslasten zu hören bekommen, dass nicht viel sicherer ist als ein Aktienkauf an der Budapester Börse.

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