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(c) Pester Lloyd / 40 - 2009  ESSEN & TRINKEN 02.10.2009
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Eher unverkäuflich

Der "For Sale Pub" in Budapest: Gemütlicher Zettelkasten mit Livemusik

Was kann das sein: Ein Ort, an dem hauptsächlich Bier getrunken wird, englische Songs mitgesungen werden, Stroh auf dem Boden liegt und Bärenfelle an den Wänden hängen? Richtig, ein Pub. Doch gibt es so einen Pub nicht nur in Großbritannien: Auch in Budapest ist ein solcher zu finden! Und zwar der For Sale Pub, der neben den obengenannten Kriterien sogar noch mehr zu bieten hat: richtig gute Stimmung.

Fotos: Sabine Pollmann, (c) Pester Lloyd

Ich wohne in der Nähe der Großen Markthalle an der Freiheitsbrücke. Wenn ich abends von oder zur Metrostation Kálvin ter laufe, ist auf dem Weg nichts mehr vom alltäglichen Touristenansturm zu spüren. Eigentlich ist hier, sobald es dunkel wird und die Geschäfte schließen, gar nichts mehr los. Umso mehr wundere ich mich eines Abends, als mir plötzlich auf dem Weg nach Hause Livemusik zu Ohren kommt und mir bei einem Blick in die hell erleuchteten Fenster zum ersten Mal der For Sale Pub direkt gegenüber der Markthalle auffällt. Warum ich ihn vorher nie bemerkt habe, weiß ich nicht, aber ich bin sicher: Hier muss ich mal hingehen.

Dort, wo heute ein Pub ist war schon viel früher ein Kaffeehaus,
im Gebäude des Hotels Nádor. Foto um 1905. Foto: Archiv For sale pub

An einem Montag Abend ist mir dann danach, den Pub mal auszutesten. Allerdings erwarte ich an einem solchen Wochentag nicht viel. Als ich vor dem For Sale Pub ankomme, höre ich jedoch zu meiner Überraschung wieder Lifemusik und Stimmen vieler Gäste. Ich trete ein und bin sofort überwältigt von den Wänden und Decken in der Gaststätte. Diese sind nämlich über und über mit kleinen Zetteln behängt. Beim genaueren Hinsehen kann ich erkennen, dass es sich um sehr persönliche Zettel handelt: Abgelaufene Ausweise, kleine Notizen und Kritzeleien, Visitenkarten, Einkaufsbons, Passbilder, und so weiter – und das aus aller Welt. Im For Sale Pub darf nämlich jeder Gast etwas Persönliches von sich mit einer Reißzwecke in die Holzdecken- und wände pinnen und so zu einem ewigen Teil der Gaststätte werden. So haben sich über die Jahre Hinterlassenschaften von vielen internationalen und ungarischen Besuchern angesammelt.

Vom Eingang aus steuere ich zunächst die Bar an, um ein kühles Blondes zu bestellen. Auf dem Weg dorthin knirscht es ganz komisch unter meinen Schuhen. Ich bemerke, dass der Fußboden im For Sale Pub mit etwas Stroh ausgelegt ist und zusätzlich sich die Überreste der von den Gästen verspeisten Erdnüsse dort befinden. Irgendwie fühle ich mich wie in einem original britischen Pub in einem Farmerdorf – nur eben in Budapest.

Ich habe die Wahl zwischen englischen und ungarischen Biersorten, bestelle einen halben Liter Soproni für 700 HUF (ca. 2,60€) und lausche der guten Musik. Zwei Männer sitzen auf Barhockern vor einem alten ausgedienten Kamin, spielen Gitarre und singen dazu. Es handelt sich um allseitsbekannte britische und amerikanische Hits der letzten Jahrzehnte. Gott sei Dank nicht nur ausgelutschte Songs wie Wonderwall von Oasis, das jeder halbwegs begabte Gitarrenspieler zum Besten gibt, sondern Lieder die man zwar kennt und mitsummen kann, einem aber noch nicht zu den Ohren raushängen.

An einem Tisch in der Mitte des Raumes haben sich fünf Briten eingefunden, die hier dem Biergenuss frönen. Ich geselle mich spontan zu ihnen und werde sofort in ihre Mitte aufgenommen. Ben – etwa 45 und froh, ein Wochenende fern von seiner Frau zu verbringen – legt sofort den Arm um meine Hüfte. Als ich dem Briten klarmache, dass mir das nicht so lieb ist, kann ich mich, nachdem er mir ausdrücklich seine Enttäuschung demonstriert hat, mit ihm unterhalten. Er erzählt mir, dass er mit seinen „Boys“ einen Wochenendtrip nach Budapest macht, aber trotzdem froh ist, einen Pub gefunden zu haben, in dem sie sich wie zu Hause fühlen können.

Ich trenne mich von den „Boys“, weil ich eine Treppe entdeckt habe, die nach oben führt. Ein dickes Bärenfell hängt neben selbiger und über ihr baumelt ein großer Kronleuchter. Oben angekommen, sehe ich etwa zehn Tische, an denen weitere Gäste speisen. Ob ein gemütliches Dinner in der von unten heraufschallenden gelösten Pub-Bier-Feier Atmosphäre möglich ist, bezweifle ich allerdings. Es gibt Gulaschsuppe für 1190 HUF (4,50€), indes würde ich empfehlen, diese eher in einem original ungarischen Restaurant zu testen. Der „pickle tray“ ist nicht zu empfehlen: Dieser ist überteuert und selbst für mehrere hungrige Mäuler zu überladen. Jedoch kann man in dem kleinen britischen Refugium auch landestypische Kost probieren: Es gibt neben vielen anderen Gerichten Beef stew für 2990 HUF (11€). Trotzdem bin ich der Meinung: Hier kehrt man eher ein, um ein kühles frischgezapftes Bier zu trinken, Erdnüsse zu knacken, dabei die Schale gedankenlos auf den Boden fallen zu lassen und der guten Livemusik zu lauschen. Dafür komme ich jederzeit wieder gern.

Sabine Pollmann

For Sale Pub
Vámház krt. 2
Tel: 061 / 267 0276
www.forsalepub.hu
Öffnungszeiten: 12 bis 3 Uhr

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