(c) Pester Lloyd / 40 - 2009 POLITIK 07.10.2009 _______________________________________________________
Sturm im Wasserwerk
Der Bürgermeister im ungarischen Pécs "enteignet" eine westliche Firma mit militärischer Gewalt und löst so eine zweite Suez-Krise aus
In Pécs spielten sich am Montag Szenen ab, die man eher nach Südamerika oder Westafrika verorten würde, denn in die künftige Kulturhauptstadt
Europas. Die Lokalverwaltung von Pécs ließ in der Nacht zu Montag eine größere Gruppe von martialisch auftretenden Sicherheitskräften das örtliche
Wasserwerk, betrieben von der französischen Suez, besetzen, verweigerte dem Management den Zutritt und zwang die Mitarbeiter zum Seitenwechsel. Juristische und diplomatische Nachspiele sind zu erwarten.
Auslöser der zweiten Suez-Krise. Zsolt Pava, Bürgermeister von Pécs.
Die Stadt Pécs hatte zu Ende September den Versorgungsvertrag mit dem
französischen Konzern Suez über die Wasserversorgung für Pécs gekündigt. Suez verweigerte aber dem von der Stadt eingesetzten neuen Management den Zutritt
zum Unternehmen, mit dem Hinweis darauf, dass man von hier aus siebzehn umliegende Gemeinden versorge, mit denen man gültige Verträge habe, sagte
die Verkaufsleiterin der Pécser Wasserwerke, Judit Kamarás. Der Vorstandschef István Nyári nannte die Aktion "zweifellos illegal". Es könne doch nicht sein, dass
mitten in Europa um drei Uhr nachts Militärkommandos anrücken, um einen Betrieb im Auftrag öffentlicher Behörden zu besetzen. Nach Angaben von
Zeugen, wurden die Mitarbeiter "gezwungen" eine Erklärung zu unterschreiben, nach der sie alle jetzt zwei Wochen bezahlten Urlaub nehmen und dann von der
neuen, städtischen Firma wieder eingestellt werden.
Suez hat 1995 die 48% Anteile der Stadt am Wasserwerk für läppische 330 Mio
Forint, damals rund 1,6 Mio EUR übernommen, den Rest, also die Mehrheit hält die Stadt, aber die Operative liegt in Händen der Franzosen. Der Bürgermeister
wirft dem Unternehmen nun Profitgier auf Kosten der Kunden vor und verlangte Aufklärung über die Kalkulation und das Wirtschaften des Unternehmens. Dann
kündigte er den Servicevertrag und wollte per Dekret die Wasserwerke zurückübernehmen.
Alle behaupten das Gegenteil: Juristische und diplomatische Schritte angedroht
Die französische Muttergesellschaft, Suez Environnement, teilte indes mit, dass
man sowohl juristische als auch diplomatische Schritte gegen diese "illegale Kontrollübernahme" ihres Eigentums unternehmen werde. "Ohne vorherige
Ankündigung, hat die Stadt Pécs gewaltsam die Kontrolle über die Firma übernommen. Suez bereitet daher juristische Schritte zur Durchsetzung ihrer
Rechte vor." mailte die Firma heute an die Agentur Reuters.
Die Stadt habe lediglich am 10. September mitgeteilt, dass man den Vertrag zum
Monatsende kündigen wollte. Suez habe daraufhin zu Verhandlungen eingeladen. Der Anwalt der Stadt, Iván Szabó entgegnet, dass man Suez auch über den
Wunsch des Rückkaufes informiert habe, dass Unternehmen aber weder eine Antwort, noch einen Terminvorschlag für Verhandlungen gegeben hatte. Die
Stadt habe festgestellt, dass Suez über die Pécser Wasserwerke Anteile an anderen Unternehmen ohne Rücksprache erworben habe und zu hohe Wassergebühren kassiere. Suez wiederum sagt, man habe den
Gesellschaftervertrag stets geachtet. Die Stadt hat die Firma Tettye Forrashaz Zrt gegründet und damit beauftragt, die Wasserwerke zu betreiben, um die
Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Der gerade vor einigen Monaten gewählte Bürgermeister Zsolt Pava, Fidesz, kündigte bereits an, eine "Politik für
die Bürger" machen zu wollen. Fortsetzung folgt.
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