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(c) Pester Lloyd / 43 - 2009  WIRTSCHAFT 23.10.2009
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Heuchelei im Gasdunst

Machen die Russen den Ungarn ein Angebot in Kroatien, dass diese nicht ablehnen können?

MOL mag nicht mehr. Auf diese neueste Nachricht will man jetzt nicht reagieren, hieß es von der Konzernleitung. Das Handelsblatt schrieb, dass der russische Erdgaskonzern Surgutneftegas seinen Anteil über 21,2% an der MOL gerne wieder abgibt. Allerdings im Tausch für den 47,2%-Anteil, den die MOL seit Ende 2008 an der kroatischen INA hat. Bei der Interpretation dieses Schachzugs ist viel Übertreibung, Heuchelei und Kalter Krieg im Spiel.

Bedanken kann sich die MOL für diese Konstellation bei den "Freunden" in Österreich, die nämlich dieses 21,2% Aktienpaket der MOL nach ihrem gescheiterten Übernahmeversuch, offenbar voller Häme und ohne jede Absprache, an die Russen verkauften. "Die Freundschaft zwischen beiden Ländern ist vorbildlich" posaunten gerade noch Bajnai und Faymann. Grundsätzlich gibt es zwei Interpretationen der Vorgangsweise der Russen auf dem Erdgasmarkt in Mittelosteuropa. Sie hängen nicht nur von ökonomischen Sichtweisen ab, sondern auch davon, ob man ganz grundsätzlich in Russland einen Partner der Zukunft oder immer noch den Feind von früher erkennt.

Wer hat in Zukunft die Hand am Hahn?, Foto: MOL

Die eine, freundliche, Version spricht von der Einsicht der Russen in der Krise, die riskante Einseitigkeit des reinen Rohstoffexporteurs zu beenden und die Wertschöpfungskette möglichst bis hin zum Endkunden zu verlängern. Ein Bestreben, dass eigentlich allen großen Erdgasfirmen innewohnt. Sowohl MOL als auch OMV sind sowohl Förderunternehmen, Veredler, Raffineure, Transporteure, Großhändler, Tankstellenbetreiber, Schmierstoffhersteller und das alles in verschiedenen Ländern. Sich also darüber aufzuregen, dass die Russen ein komplexes Quasimonopol aufbauen wollen, ist reinste Heuchelei, das wollen sie nämlich alle. Und natürlich werden die Russen zuerst dort einsteigen, wo sie sich kulturell ohnehin wohl fühlen, also in Serbien, Bulgarien, Kroatien und anderen slawischen Ländern.

Die andere, skeptisch bis feindlich interpretierende Sicht der Dinge ist die, dass Russland einen Eroberungsfeldzug unternimmt. In seiner üblichen Art und Weise habe man mit dem Einstieg eine unmissverständliche Antwort auf Nabucco gegeben, das ja auch von Ungarn als einem der Transitländer gerade ratifiziert wurde. Die Russen wollen Einfluss in den zukünftigen Abnehmerländern des Nabucco-Gases sichern, da selbiger in den Lieferantenländern eher gering ist, denn dort haben oft die Amerikaner (Irak) oder die jeweilige lokale Regierungsmafia das Sagen. Kontrollieren die Russen also kroatische Tankstellen und Großhändler, entscheiden sie, welches Gas und Öl dort verwendet wird. Mit der South Stream Pipeline und den bestehenden Verbindungen könnten die Russen die ganze Region allein bespielen.

Serbien hat man schon im Griff und für INA in Kroatien wird man den Ungarn "ein Angebot machen, dass sie nicht ablehnen können.", zitiert mäßig originell die Wiener "Die Presse" den "Analysten" Vladimir Socor. Russland könnte daraufhinarbeiten, dass die Kroaten die Verluste aus dem Gasgeschäft (aufgrund gesetzlicher Preisbindungen) auf die MOL umlegt und das Engagement für die Ungarn daher unattraktiv macht. Ganz davon abgesehen, dass dies vertraglich gar nicht möglich ist, will Kroatien gar keine Abhängigkeit von den Russen.

Kroatien will, wie alle in der Region, sicheren Zugang zu möglichst preislich stabilen Rohstoffen. Das ist schon alles. Das Gejammer über die Milliardenhilfen der Russen an Serbien ist auch die reinste Heuchelei. Jahre ließ der Westen Land und Volk im Stich und in Isolation, weil einer der Kriegsverbrecher, die Europa nicht verhindern wollte, noch frei herumläuft. In Österreich erhalten noch Dutzende Kriegsverbrecher unbehelligt Pensionen, freilich aus einem anderen Krieg. Ist es ein Wunder, dass die Serben sich andere Partner suchen, wenn Europa nicht will? Für diese Version spricht indes, dass sich Surgut mit seinem MOL-Anteil verrannt hat. Durch die Lex-MOL, eingeführt übrigens im Kampf gegen die OMV, die Fremdaktionären die Stimmrechte beschränkt, egal wie hoch ihr Aktienanteil ist, ist die Einlage der staatlich gelenkten Surgutneftegas quasi totes Kapital. Diese Aktien strategisch einzusetzen, ist Teil des schmutzigen Öl- und Gasgeschäftes, die OMV tat ja durch ihren Verkauf nichts anderes. Alle drei Akteure sind vom Staat gelenkte, im Falle Österreich sogar teils in Staatsbesitz befindliche Betriebe. Drei Krähen hacken sich gegenseitig die Augen aus. Vom Tisch ist auch längst noch nicht das Gerücht, dass sich Surgut und OMV den CEE-Markt aufteilen könnten und im Falle MOL-INA in “strategischer Absprache” vorgehen.

Es lebe das Vorurteil: Die Russen kommen,
satirisches Album der Gruppe Erste Allgemeine Verunsicherung,
Foto: EMI Austria

Vielleicht sollten sich die Kollegen ihre Quellen nächstens besser durchleuchten, die sie so fachmännisch beraten. Socor, der (s.o.) Russland Mafiamethoden unterstellt, ist nämlich keineswegs ein Analyst, sondern Lobbyist der finstersten Sorte. Er arbeitet für die Jamestown Stiftung, eine 1984 gegründete Ansammlung von sowjetischen Überläufern und Flüchtlingen, die alle noch eine Rechnung, oft sehr persönlicher Natur, mit Russland offen haben und deren einzige Aufgabe darin besteht, den Einfluss amerikanischer Unternehmen im Interessensgebiet Russlands zu sichern, sprich, den Kampf um die ehemaligen Sowjetrepubliken zu gewinnen. Dabei ist es denen völlig gleich, ob sie mit kriegstreibenden Psychopathen wie dem Präsidenten Georgiens, autokratischen Alleinherrschern im mittleren Osten und im Kaukasus oder planlosen Streithähnen und -hennen wie in der Ukraine arbeiten. Ihre publizistische Lobbytätigkeit zielt nur auf Desinformation, Destabilisierung und Meinungsmanipulation. Dafür werden sie bezahlt und amtlich beaufsichtigt. Wenn so ein umgedrehter, kalter Krieger die Welt erklärt, ist es klar, dass Russland der Böse ist. Wirkliche Information hat man von diesen Leuten genauso wenig zu erwarten wie vom Kreml, aus dessen Schule sie schließlich kommen. Und Gefahren gehen, das hat diese Krise nur zu deutlich gezeigt, durchaus auch vom "großen Bruder" jenseits des Atlantiks aus.

red.

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