(c) Pester Lloyd / 45 - 2009
ESSEN & TRINKEN 02.11.2009
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Minimalismus an der Váci
Kulinarisch interessant, doch der Wein zum Weinen: Restaurant „Babel“ in Budapest
Wer meint, dass man im Restaurant „Babel“ mit babylonischen Speisen verwöhnt wird, der ist hier im falschen Film. Aber er sollte dennoch
unvoreingenommen seine Schritte durch das „Tor Gottes“ lenken, wie die alte Stadt im heutigen Irak einst genannt wurde. Allerdings gibt es auf den
Turmbau zu Babel und die damit zusammenhängende Sprachenverwirrung keinerlei Hinweise.
Beim neuen „Babel“ in der Verlängerung der Váci utca zur Markthalle hin handelt
es sich eher um eines jener konjunkturellen Lokale in der Stadt, wie man sie nahezu heute in allen Metropolen findet: klein, gestylt, nüchtern und unbequem.
In der warmen Jahreszeit wird das Lokal zwar auf die Straße hinaus verlängert,
aber derzeit ist die Gaststube nicht größer als bei manch einem der hier verkehrenden Gäste die Küche. Diese hier kann sich durchaus schmecken lassen.
Von den kleinen Tischen und den unbequemen Stühlen aus kann man den begabten Köchen beim Basteln ihrer niedlichen Kreationen zuschauen. Sechs bis
sieben Gänge umfasst eines der drei angebotenen Menüs, deren Speisen aber auch gemischt oder einzeln bestellt werden können.
Wir entschieden uns für das internationale und das ungarische
Menü. Obwohl die Speisen dem gastronomischen Minimalismus verpflichtet scheinen, verlässt man dennoch gut gesättigt die lukullische Stätte. Hervorzuheben sind die raffiniert gewürzten Süppchen aus
Linsen oder Kartoffeln. Aber auch die exzellent zubereitete Täubchenbrust auf Ruccola-Vogel-Salatbett ist einer positiven Erwähnung wert, genau so wie die gebeizten Lachsstückchen oder die Würfelchen aus
Mangalica-Schweinchen beim ungarischen Menü.
Ob mit oder ohne Weinbegleitung? So wird der Gast von der Karte gefragt. Wir
hätten die Speisen lieber mit Bier oder Wasser begleiten lassen sollen, denn der Wein war – bis auf eine österreichische Ausnahme (Grüner Veltliner aus der
Wachau) – von minderer Sorte (insbesondere vom Winzer Zoltán Demeter). Dem Lokal mangelt es offenbar an einem Sommelier, der in der Lage ist, wirklich gute
ungarische Weine (die es ja gibt!) zu den jeweiligen Speisen zu empfehlen. Er könnte dann auch dafür sorgen, dass die Wein-Temperaturen stimmen.
So blieben die zu warm servierten und geschmacksarmen
Weißweine sowie die zu kühl kredenzten Rotweine als negativer Beigeschmack in Erinnerung. Nicht so der sehr bemühte, auch deutschsprachige Service und die den
Küchenkreationen angemessene Rechnung. Erfreulich, dass sich hier auf der gastronomischen Budapester Abzockermeile Váci utca wenigstens das eine oder andere
Lokal darum bemüht, dem Gast für sein Geld etwas zu bieten, das dem Image der Stadt gut zu Gesicht steht. Aber wie lange noch? Die Geschichte des alten Babylon möge sich
hier im neuen „Babel“ hoffentlich nicht wiederholen...
„babel“, H-1056 Budapest, Váci u. 82,
+36 1 338-2143, info@babeldelicate.hu www.babeldelicate.hu tägl. 12-24 Uhr
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