(c) Pester Lloyd / 46 - 2009
OSTEUROPA 11.11.2009
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Isolation ist kontraproduktiv
Kritische Töne gegenüber EU und UNO bei Bosnien Konferenz in Budapest
Am Wochenende fand in Budapest eine internationale Konferenz zur Situation in Bosnien-Herzegowina statt. Auf Initiative der Staatengruppe Visegrád Vier trafen
sich Experten und Politiker, um die Lage in Bosnien zu erörtern. Die Bosnier bemängeln vor allem die kontraproduktive Einmischung des
UN-Hochkommissariats in die Innenpolitik, die auch den Verfassungsdiskurs störe. Bei der Frage der Visafreiheit mit der EU fühlt man sich diskriminiert. So könne
kein "neuer Optimismus" im Lande entstehen.
Der ungarische Außenminister verlor sich als Gastgeber zu Beginn in ziemlich
weltfernen Plattheiten über "regionale Kooperation" als "Gradmesser" für die Integrationsreife der betroffenen Länder. Das ist insofern am Thema vorbei, da man über Kooperation
überhaupt erst reden kann, wenn die Existenz von Verwaltungseinheiten, seien es Staaten oder föderative Strukturen, gesichert und anerkannt ist. Das ist sie im Moment eben nicht. Die
Wirklichkeit holte denn auch das schnell das hochfliegende Motto der Veranstaltung "Bosnien-Herzegowina auf der Straße zu Stabilität, Wohlstand und Integration" ein.
Der Chef des Rates der Ministerien, eine Art informeller Minsiterpräsident des Landes,
Nikola Špirić (Foto), bat denn auch um Verständnis, dass er die Verhandlungen über eine Verfassungsreform und die Staatsformung in aller erster Linie mit den
Einwohnern des Landes führen will und nicht mit den Vertretern der internationalen Gemeinschaft: "... nicht weil wir Vorbehalte gegen die internationale Gemeinschaft
haben; aber unser Vorgehen garantiert dem Prozess die höchstmögliche Legitimität." Soll heißen, eine innere Einigung zwischen bosnischen Serben, bosnisch-kroatischer
Förderation und Sonderverwaltungszonen, so schwer oder schlecht sie werden wird, ist immer noch besser als ein weiteres UN-Edikt, dass jeder Nationalistenführer als
Fremdsteuerung brandmarken und missbrauchen könnte.
Špirić kritisierte die "einseitige Kommunikation" durch den UN-Hochkommissar mit
den politischen Beteiligten in Bosnien. Es sei an der Zeit, die politische Verantwortung an die politischen Führer im Land zu übergeben. NATO-Mitgliedschaft und Beitritt zur
Europäischen Union seien letztendliche Ziele seines Landes, genauso wie gutnachbarschaftliche Beziehungen in der Region. Der EU-Sondergesandte für Bosnien,
der Österreicher (slowenischer Abstammung) Valentin Inzko, meinte, dass der UN-Einfluss zukünftig "weniger politischer, mehr technischer Natur" sein sollte, vor
allem, um das Wachstumspotential der Wirtschaft zu wecken. Die meisten Konferenzteilnehmer waren sich insofern einig, als dass das derzeitige politische Klima
in Bosnien wenig hilfreich ist, die Lage des Landes positiv zu beeinflussen und die UN-Strukturen wenig dagegen unternehmen können.
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Wie kann aus einem kriegsversehrten, zersplitterten Land eine staatliche Einheit werden? gelb: die
bosnisch-kroatische Föderation, orange: Republika Srpska, blau: Distrikt Brcko, eine Sonderverwaltungszone
Ganz besonders verärgert zeigte sich Špirić darüber, dass sein Land von der
Visafreiheit in die EU ab 2010, wie es Serbien, Montenegro und Mazedonien zugestanden wird, ausgeschlossen ist. Er wies daraufhin, dass sein Ministerrat viel
dafür getan hat, die EU-Regeln einzuhalten. Er erwarte, dass diese Bemühungen - unter anderem auch die Einführung eines reformierten Strafrechts - honoriert
werden. Wenigstens eine Lockerung des Visa-Regimes gegenüber Bosnien würde schon genügen, um in seinem Land einen dringend benötigten "neuen Optimismus" - vor
allem auch bei der jungen Generation - zu entwickeln. Statt sich an Formalien abzuarbeiten, müsse von der EU eine politische Entscheidung gefällt werden, die diese Isolation und Benachteiligung beende.
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(c) Pester Lloyd
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