(c) Pester Lloyd / 49 - 2009 POLITIK 01.12.2009
Makkulatur mit Gesetzesrang
Das ungarische Parlament nahm das Budget 2010 an
201:179 für das Budget. Die Macher verteidigen es als eine verantwortungsvolle Antikrisenmaßnahme, die Opposition nennt es schlicht
einen Offenbarungseid. Das Budget, das vielleicht nur ein halbes Jahr besteht und dessen Eckdaten mehr als umstritten sind, spaltet das Land weiter und riss
schon eine Partei in den Abgrund. Selbst die Mentoren von Regierungschef Bajnai, IWF und EU, nennen andere Zahlen, doch für den ist das Defizitziel von 3,8% längst zu einem Fetisch geworden.
Mit 201 gegen 179 Stimmen passierte am Montagabend der umstrittene Staatshaushalt für
2010 das Ungarische Parlament und hat, sobald der Staatspräsident unterschreibt, Gesetzesrang. Noch kurz davor versuchte dies eine Gruppe von honorigen Wirtschaftsexperten,
darunter auch ExMinister, die alle eher der rechten Landeshälfte zugeordnet werden können, in einem dramatisierenden Apell an die Abgeordneten zu verhindern.
Die Opposition des Fidesz kündigte an, eine Neugestaltung des Budgets und die Höhe von Steuersenkungen,
davon abhängig zu machen, wieviel Leichen man noch im Keller finden wird - oder - wie man hier sagt: wieviele Skelette auf der Toilette..., Collage: Pester Lloyd
Für Unruhe sorgte auch ein Abgeordneter des liberalen SZDSZ, der am Tag der
Abstimmung die Fraktion verließ. Die in Minderheit regierende MSZP brauchte die Stimmen ihres ehemaligen Koalitionspartners SZDSZ. Deren Fraktion befindet sich
jedoch auch in Opposition zur eigenen Parteiführung. Auch am Budget ist die Partei zerbrochen, sie wird künftig keine Rolle mehr im politischen Leben des Landes spielen.
So ist festzuhalten, dass Ungarn nun ein Budget für das kommende Wahljahr hat,
dass weder einzuhalten sein wird, noch von den künftig Regierenden akzeptiert wird. Die Kennziffern gehen von Einnahmen von 12,7 Billionen Forint (ca. 46,3 Mrd.
EUR) und 13,53 Billionen Forint Ausgaben (ca. 49,5 Mrd. EUR) aus. Das Defizit soll bei 3,8% zum BIP liegen, die Inflation knapp unter 4%. Selbst IWF, EU und andere
Experten gehen mittlerweile von einem deutlich höheren Defizit aus, doch Regierungschef Bajnai hält an den 3,8% wie an einer Wahnidee fest.
Auch dieses zweite Krisenbudget enthält wieder massive Kürzungen, u.a. 150
Milliarden Forint weniger für die ministeriellen Budgets, 40 Mrd. weniger für die Staatliche Eisenbahn MÁV und ca. 70 Mrd. Forint weniger für die Gemeinden und
Komitate. Die Opposition, die übrigens von völlig anderen Eckdaten ausgeht, kündigte bereits an, nach ihrem Wahlsieg 2010 notfalls ein neues Budget vorlegen
zu wollen. Sie hält den jetzt verabschiedeten Staatshaushalt für ein Lügenkonstrukt, das Ungarn in den Abgrund reißt, die Kürzungen für politisch motiviert und rechnet
vor, dass die Sozialisten acht Jahre Zeit hatten, die Staatsbetriebe zu sanieren, diese aber nun zu Tode sparten. Der Fidesz geht von einem Defizit von bis zu 7,5% aus.
Alles weitere zum Budget und der Debatte darum entnehmen Sie bitte folgenden
Beiträgen:
Das große Zahlenlotto
Ungarn: Experten und Politiker streiten über Kommastellen im Budget, das Land darbt dabei weiter
Steuern und Skelette
Oppositionschef in Ungarn kündigt für 2010 "große Steuersenkungen" an, obwohl er 7,5% Defizit erwartet
Das große Loch
Erste Abstimmung und weitere Debatte über das Budget in Ungarn
In bröckelnden Putz gemeißelt
Die EU widerspricht dem ungarischen Budgetentwurf
Prügel fürs tapfere Schneiderlein
Die Budgetdebatte im Parlament beleidigt die Intelligenz des ungarischen Volkes
Kaum Spielraum
Der Staatshaushalt 2010 gewährleistet Ungarn eine Art Notbetrieb
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