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(c) Pester Lloyd / 01 - 2011  POLITIK 03.01.2011

 

Quartett der Angst und Hoffnung

Aus den Neujahrsansprachen der Präsidenten von Tschechien, Ungarn, Polen und der Slowakei

Die Sehnsucht nach einem ruhigen Jahr mit etwas mehr Sicherheit eint die Neujahrswünsche des präsidialen Quartetts der "Visegrád Vier". Alle kämpfen um eine erkennbare Positionierung ihrer Nationen in den stürmischen Wogen der Globalisierung und haben Angst vor einem Exodus beim Wegfall der letzten Arbeitsmarktschranken. Nur in Polen zeigt sich auch Optimismus, klingt der Stolz auf die Nation fundiert und überzeugt, es sind auch die einzigen, die mal über den eigenen Tellerrand schauen. Ansonsten wirkt die Altherrenriege überfordert, ihre Ansprachen klingen seltsam verängstigt, festgefahren und ziemlich weltfern.

Der gute Onkel Gašparovic: "Ich denke jeden Tag daran..."

Der slowakische Staatspräsident Ivan Gašparovic (69) legte in seiner Neujahrsansprache ein Bekenntnis zum Euro ab und sagte: "Ich wage es nicht mir auszumalen, wo die Slowakei ohne den Euro heute stünde." Damit kritisierte er kürzliche Meinungsäußerungen von Politikern, die eine Rückkehr zur Krone fordern. Allerdings findet der Präsident auch: "Heutzutage ist die Welt zu sehr globalisiert. Deshalb ist es schwer, Verständnis bei allen Menschen zu finden." Er forderte die Vier-Parteien-Koalition auf, weniger zu streiten und "den Menschen mehr Erklärungen zu liefern".

Schwierigkeiten mit den Zeichen der Zeit hat der slowakische Präsident auch auf anderen Gebieten. Sein Ton wirkte wie der eines recht hilflosen Opas, dem alles über den Kopf zu wachsen scheint. Mit Bezug auf die Auslandseinsätze slowakischer Soldaten meint er, "Und was wird weiter geschehen? Ich versichere Ihnen, dass ich darüber jeden Tag nachdenke." Das Nachdenken darüber führt ihn "zu unseren Familien zurück" und er konstatiert: "Ich erinnere mich nicht daran, dass es jemals zuvor so viele Probleme gegeben hätte. Als ob Scheidungen der Hit des Familienlebens geworden wären und danach die Straße sich um die Kinder kümmern sollte."

Auch über die soziale Komponente spricht Gašparovic und fragt ob ausländische Investitionen "der einzige Weg zur Schaffung neuer Arbeitsplätze?" sind. "Verlassen wir uns nicht zu sehr auf das Ausland? Ich lehne es entschieden ab, die Aufmerksamkeit von dem wahren Problem –der sozialen Aussöhnung – abzulenken. Um den Menschen eine größere Sicherheit zurückzugeben, müssen wir ihnen Bildung und Arbeitsmöglichkeiten geben." Zum Abschluss rief er den Slowakinnen und Slowaken noch zu, dass sie ihre Heimat lieben mögen: "Vergessen Sie nicht! Überall ist es gut, aber am besten ist es daheim."

Vaclav Klaus: Genervt von der Tagespolitik und der eigenen Bedeutungsarmut...

Auch der tschechische Präsident Václav Klaus (69) forderte eine handlungsfähige Regierung für sein Land ein. Er hoffe, dass das Kabinett von Petr Necas "aus seiner jüngsten Krise gelernt habe." Klaus betonte die Notwendigkeit weiterer Reformen und wandte sich mit patriotischen Worten gegen die mögliche Massenabwanderung von Fachkräften ins Ausland (im Mai fallen dazu die letzten Schranken bei den westlichen Nachbarn). Vor allem die Ärzte benutzen diese Möglichkeit als Druckmittel in Verhandlungen um eine Verbesserung ihrer Arbeitsmöglichkeiten. Klaus bemängelte, dass die Tschechische Republik "im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts genau wie Europa und Amerika über ihre Verhältnisse gelebt" habe und das auf Pump. Man habe die günstigen Zeiten verstreichen lassen, ohne notwendige Reformen anzustoßen.

Die Reaktionen auf die Rede von Klaus waren gemischt. Das konservative Regierungslager applaudierte, die Partei Außenministers Schwarzenbergs überachte sogar "stehende Ovationen", die Opposition warf ihm - wiederholt - Parteilichkeit vor, einen Vorwurf, den der sehr selbstbewusste Politiker sich schon länger widerstandslos gefallen lässt. Für uns klang sie eher wie der frustrierte Abgesang eines Machtmenschen, der nach seinen theatralischen Großauftritten als Lissabon-Dissident nicht mit seiner relativen Bedeutungsarmut klarkommt.

Pál Schmitt verirrt sich in der schier endlosen Größe des Ungarntums

Vom ungarischen Präsidenten erwartet längst niemand mehr Überparteilichkeit. Seine Vasallentreue zum Regierungschef war ja das wichtigste Einstellungskriterium. Pál Schmitt (68) ging es in seiner Neujahrsansprache noch eine verbale Nummer größer an. Die Nation solle "ihren Stolz" wieder erlangen. Trotz "großer Verluste und familärer Tragödien" habe die Nation "eine noch nie gezeigte Einigkeit" demonstriert, auch als es darum ging, Menschen "unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund" zu helfen, so Schmitt mit Bezug auf die letzlich doch eher mäßige Hilfsbereitschaft nach der Giftschlammkatastrophe vom Oktober. Das kommende Jahr bedeute weiter viel Arbeit, "nationale und persönliche Herausforderungen" werden groß sein, "wirtschaftliche und soziale Probleme" müssen überwunden werden. "Das unverantwortliche Manamgement der vergangenen Jahre hat Ungarn und seine Bürger in eine sehr schwere finanzielle Lage gebracht", sagte Schmitt in reinstem Fidesz-Sprech, doch "2010 fanden die Ungarn zusammen um wieder auf ihren eigenen Weg zu finden. Sie stimmten für einen neuen Anfang." Danach folgte eine peinliche Lobhudelei auf die Regierung, "die nun für das Volk da sei, Arbeitsplätze sichert, das Heim beschützt und Familien fördert." Schmitt ist überzeugt davon, "dass Respekt, Offenheit und Ehre" im Lande zunehmen werden.

Hinsichtlich der gerade begonnenen EU-Ratspräsidentschaft behauptete Schmitt, dass Ungarn nun "nicht nur verantwortlich für die Lebensverbesserung der Ungarn, sondern von hunderten Millionen Menschen in Europa" sei. Sein Lieblingsthema wurde jedoch eimal mehr das "Ungarntum in aller Welt". Den Umstand, dass "jeder Ungar" seit 1. Januar einen Antrag auf vereinfachte Erteilung der ungarischen Staatsbürgerschaft stellen kann, überhöhte Schmitt waghalsig zu der These, dass "es eine Frage des Schicksals ist, dass jeder in Europa lebende Ungar wieder unter die alleinige Zuständigkeit (wörtlich: Jurisdiktion)" der Heimat gelange, "wenn nicht rechtlich, so doch spirituell und sei es auch nur für ein halbes Jahr", korrigierte er diese Forderung, die durchaus wieder zu diplomatischen Verwicklungen hätte führen können, aber durch diese Relativierung an Wirrheit nur noch zulegte. Ein Viertel der Ungarn glauben laut einer Umfrage tatsächlich, dass ihr Land nun ein halbes Jahr die EU regiert, dieser Präsident gehört offenbar dazu.

Das Video mit der Rede aus dem Präsidentenpalais
http://www.keh.hu/index.php?submenu=articles&cat=5&details=1&id=574

Komorowski freut und wundert sich,
wie lang eine polnische Demokratie halten kann

Einen Mittelweg zwischen konservativ eingestellter Mehrheit und europäischer Offenheit versuchte der einzige Liberale unseres Quartetts, der polnische Präsident Bronisław Komorowski. Er wies auch als einziger über den eigenen Tellerrand, in dem er direkt die Zustände im benachbarten Wießrussland nach den "Wahlen" anprangerte. Mit 58 Jahren der Youngster von den vier ostmitteleuropäischen Präsidenten drückte explizit "seine herzliche Bande mit den weissrussischen Demokraten" aus. "Wir erklären unsere Solidarität mit ihnen und fordern das Ende der politischen Repressionen gegen sie." so Komorowski.

Natürlich kam er in seiner Rede nicht umhin, das tragischste Ereignis des Landes im Jahre 2010, den Absturz der Präsidentenmaschine bei Smolenks, bei der das Staatsoberhaupt und 95 weitere Offizielle zu Tode kamen, entsprechend zu würdigen. In Polen kursieren immer absurdere Gerüchte und Verschwörungstheorien über diesen mutmaßlichen Unfall. Angeheizt werden die Spekulationen über Attentate, Vertuschungen seitens der ungeliebten Russen etc. maßgeblich vom immer verwirrter auftretenden Bruder des Präsidenten und ehemaligen Premier, der nun die Frage aufwarf, wer eigentlich im Sarg seines Bruders lag. Polen war in diesem Jahr von extrem schweren Überchwemmungen und langanhaltenden Hochwassern heimgesucht. Der Präsident gab zu, dass längst noch nicht alle Schäden beseitigt werden konnten.

Doch Komorowski wählte nicht den düsteren Ton seiner konservativen Amtskollegen, die ihre Völker von allerlei Unbill umzingelt sehen und sie daher am liebsten Daheim im Kreise der Famile beschützen wollen. Komorowski fordert die Polen auf stolz zu sein auf die "dritte Republik", "die bereits länger anhält als der Vorkriegsstaat", was er fast verwundert ausspricht. Immerhin sei daraus eine "neue Generation von freien und demokratisch denkenden Polen entstanden, die jetzt erwachsen werden. Sie sind gebildet, sprechen Fremdsprachen und reisen frei durch die ganze Welt. Unsere Heimat ist sicher und grenzt an Freunde und Partner. Polen ist weiter im Wandel und auf dem Weg der Modernisierung."

Als Aufgabe "der dritten Dekade" nannte er verstärkte Anstrengungen bei der Bildung der Kinder, der Sicherstellung einer qualitätvollen medizinischen Betreuung und der Schutz der Würde älterer Menschen. Als Herausforderung sieht er den Kampf gegen die Kriminalität und er betonte, dass eine politische Radikalisierung bei der Lösung von Problemen des Landes nicht hilfreich ist. Polen übernimmt ab Juli die EU-Ratspräsidentschaft von Ungarn, die der Präsident als "Chance zur Vertiefung der Integration in Europa" begreifen will.

.red

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