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(c) Pester Lloyd / 02 - 2011  GESELLSCHAFT 12.01.2011

 

"Da müssen wir durch..."

Weitere Debatten zum Mediengesetz in Ungarn, Demo am Freitag, TV-Tipp

Der Schlagabtausch auf medialer wie diplomatischer Ebene geht weiter und mutiert zum Rollenspiel. Während sich Premier Orbán und Außenminister Martonyi im Ausland den Anschein von Kooperationsbereitschaft geben, wird eine Sachdebatte weiter verweigert. Stereotype und die Diffamierung von Kritikern bleiben die Hauptwerkzeuge der Regierungstreuen.

Die Chefin des Medienrates redete in einem Interview von völliger Unbedenklichkeit, der Vizepremier ortet im Westen Angst vor einem starken Osten, ein Staatssekretär tadelt Nestbeschmutzer. Zu den zentralen Vorwürfen, dass das Gesetz allein durch die Möglichkeiten seiner Auslegung und die Machtkonzentration des Rates sowie die Vermischung exekutiver und judikativer Elemente in sich einen (Grund)-Rechtsbruch darstellt, war wieder nichts zu hören. Am Freitag werden einige tausend Demonstranten zu einer Protestkundgebung vor dem ungarischen Parlament erwartet. Die Forderungen der Organisatoren gehen dabei über die Einzelkritik am ungarischen Mediengesetz hinaus.

Mit den Insignien der EU-Ratspräsidentschaft zog erstmals eine Europaflagge ins Büro von Premier Orbán ein. Zum Entrollen blieb wohl noch keine Zeit. Unten: Orbán im Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Barroso am letzten Freitag, der die Meinungsfreiheit als “heiliges Grundrecht” der EU bezeichnete.  - Fotos: Miniszterelnöki Hivatal

NMHH-Chefin Szalai: Von TV und Rundfunk kamen keine Bedenken

Lange hatte sich Annamária Szalai, mächtige Präsidentin des noch mächtigeren neuen Medienrates, aus der Debatte um das Mediengesetz herausgehalten. Man kolportiert, dass sie ein wenig überrascht und irritiert gewesen sei von der Heftigkeit des medialen Ausbruchs. In einem Interview mit der regierungsnahen Tageszeitung "Magyar Nemzet" wiederholte sie nun weitgehend den offiziellen Standpunkt der Regierung, wonach das Gesetz in keiner Weise die freie Rede und die Pressefreiheit beeinträchtigt. Im Gegenteil, die Nichtakzeptanz der politischen Realtität und damit der Zusammensetzung des Medienrates wäre demokratiegefährdend. Sie gab jedoch zu, dass die "Umsetzung des Gesetzes eine sehr komplexe Prozedur" darstellt, wozu man in der letzten Woche ein "Diskussionsforum eingerichtet habe, das einen Rahmen" für die Implementierung der neuen Regelungen erarbeiten soll. Sie wünscht sich "eine Partnerschaft zwischen der Medienbehörde und den Medienbetreibern".

Die Chefin des Medienrates und Leiterin der Medienbehörde NMHH, Annamária Szalai, früher u.a. Mitherausgeberin eines Erotik-Magazins, wurde direkt vom Ministerpräsidenten für neun (!) Jahre ernannt. Ihre zwei Stellvertreter benannte sie selbst, die restlichen beiden Mitglieder entsandte das Parlament. Foto: NMHH

Szalai stellte fest, dass die Fernseh- und Rundfunkanstalten keine Bedenken zu den neuen Regelungen des Gesetzes geäußert hätten, obwhol es während des Gesetzgebungsverfahrens dazu Konsultationen gegeben hatte. Vertreter der Print- und Onlinemedien meldeten laut Szalai Bedenken an. Bezüglich der lauten Kritik außerhalb Ungarns wiegelte Szalai ab und erklärte, dass die EU den Mitgliedsstaaten "große Freiheit" bei der Gestaltung der Mediengesetzgebung lässt, "nur einige wenige EU-Direktiven" seien auf diesem Gebiet zu beachten. Viele der Kritiker im Ausland seien auch gegen gleichartige Regulierungen in ihren Heimatländern, was verständlich ist, "denn jeder möchte auf seinem Gebiet von Beschränkungen ausgenommen werden". Der Medienrat könne seine Unabhängigkeit auch dann beweisen, "wenn einige Mitglieder" direkt von der Regierung eingesetzt worden sind und der Rest durchs Parlament bestimmt wurde. Die Zweidrittelmehrheit von Fidesz-KDNP "ist nun einmal ein politischer Fakt. Missachtet man diesen, würde das den Tod der Demokratie bedeuten."

Minister Navracsics: Das ist ein Test, wir müssen da durch und uns emanzipieren

Minister für Justiz und Öffentlichen Dienst sowie Stellvertreter des Ministerpräsidenten,
Tibor Navracsics, Foto: fidesz.hu

Der ungarische Vizepremier und Justizminister Tibor Navracsics sagte der polnischen Zeitung "Rzeczpospolita", dass die Kritik an Ungarn und seinem Mediengesetz "einen Mangel an Vertrauen in die Demokratien Ostmitteleuropas spiegelt." Man könne im Westen offenbar "schwer akzeptieren, dass in dieser Region starke Demokratien existieren". Einen ähnlichen Anstieg der kritischen Betrachtung habe es schließlich auch bei den Präsidentschaften von Slowenien oder Tschechien gegeben, obwohl diese Länder kein derart kontroversielles Gesetz eingeführt haben. Mittelosteuropa müsse sich daher weiter "emanzipieren". "Es ist ein Test, durch den wir durchmüssen", so der Vizepremier. Ungarn wird im Alltagsgeschäft der kommenden sechs Monate beweisen, dass es seine Aufgaben erfüllen kann. Er wiederholte die Worte seines Vorgesetzten, Orbán, dass man zu Änderungen am Mediengesetz bereit ist, wenn einzelne Passagen davon gegen europäisches Recht verstoßen, erwartet sich aber auch eine "Untersuchung und Änderung" an den Gesetzen anderer EU-Mitgliedsländer, "wo das nötig ist." Ähnlich äußerte sich gestern auch wieder Außenminister Martonyi in Paris sowie der neue Botschafter in Wien.

Staatssekretär Németh tadelt Nestbeschmutzer

Der parlamentarische Staatssekretär im Außenministerium, Zsolt Németh, hat auf seinem Blog zur Ratspräsidentschaft davon gesprochen, wie "extrem enttäuschend" er es findet, "wie einige ungarische "geistige" Kreise" (...) sich der "Hysterie" gegen ihre Heimat anschließen. Sie versuchten eine "internationale Kampagne gegen Ungarn" zu initiieren und sammeln Unterschriften und missbrauchen so die journalistische Ethik. Sogar die EU-Kommission sieht das Mediengestz als weniger schädlich an, als "diese im Ausland lebenden Ungarn", so Németh. Die "geistigen Kreise" können im Zusammenhang mit den in Ungarn üblichen Chiffres des Antisemitismus durchaus auch als "ungarische Juden" gelesen werden. Auch die "Magyar Nemzet" als regierungsnahes Blatt, die vielen weit rechteren Medien ohnehin, verstärkten in den letzten Tagen ihre Rhetorik dahingehend weiter.

Demo für Demokratie und Pressefreiheit am 14.01. in Budapest und in Wien

Am Freitag, 14. Januar findet um 18 Uhr auf dem Kossuth Platz die erste, in größerem Rahmen geplante Protestdemonstration gegen das neue Mediengesetz und für ein demokratisches Ungarn statt. Im Gegensatz zur kaum 200 Mann starken Demonstration gegen das Arbeitsverbot zweier Journalisten am 21. Dezember werden diesmal mehrere tausend Menschen erwartet, die die Presse- und Meinungsfreiheit vor dem Ungarischen Parlament verteidigen wollen und die Regierung zu einer Rücknahme des am 1. Januar in Kraft getretenen Mediengesetzes auffordern. Auf der offiziellen Homepage zur Demo www.iprotest.hu wurde eine Protestresolution veröffentlicht. Darin wird der ungarischen Regierung Machtmissbrauch und die Untergrabung der Demokratie vorgeworfen, indem in der Verfassung verankerte Grundsätze beschnitten und die wichtigen Institutionen des öffentlichen Lebens sukzessiv dem direkten Einfluss der Regierungspartei Fidesz unterworfen werden.

Die Demonstration, von der Reporter des Pester Lloyd hier berichten werden, wendet sich jedoch nicht nur an die Regierung, sondern appelliert vor allem auch an die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten, sich für die Gewährleistung der Demokratie in allen beteiligten Nationen einzusetzen. Zentrale Forderung ist ein allgemeines Europäisches Recht, welches nicht bloß im wirtschaftlichen Bereich Anwendung findet, sondern grundlegende demokratische Werte in einem gemeinsamen Europa festlegt. Ebenso wie EU-Bewerber vor einem potentiellen Eintritt auf die Einhaltung der demokratischen Prinzipien geprüft werden, sollten auch die bereits eingegliederten Mitgliedsstaaten kontrolliert werden. In der Resolution wird den europäischen Akteuren ein bisher fehlerhafter Umgang mit den politischen Veränderungen in Ungarn sowie mangelnder Respekt vorgeworfen. Außerdem wird betont, dass die Gefährdung demokratischer Grundrechte in einem EU-Mitgliedsstaat eine generelle Gefährdung dieser in der EU bedeutet. Das ungarische Facebookprofil der Protestbewegung Free Press For Hungary verzeichnet mittlerweile fast 70.000 Unterstützer.

Zu gleicher Zeit hat auch der Österreichsiche Journalistenclub OeJC, der regelmäßig auch auf versuchte und vollzogene Eingriffe in die Pressefreiheit in Österreich aufmerksam macht, zu einer Solidaritätskundgebung vor der Ungarischen Botschaft in Wien, Bankgasse, 18 Uhr, ebenfalls am Freitag, aufgerufen. "Wir fordern die Rücknahme des neuen ungarischen Mediengesetzes und die Einstellung der Verfahren der Medienbehörde NMHH gegen Tilos Rádió und RTL Klub." heißt es in dem Aufruf. Und weiter: "Wir fordern von der Österreichischen Regierung, auch auf diplomatischer Ebene klar gegen dieses Gesetz aufzutreten. Von ÖVP-Obmann Josef Pröll erwarten wir, dass er innerhalb der Europäischen Volkspartei, der auch die ungarische FIDESZ angehört, Druck auf Ministerpräsident Orbán ausübt."

red. / Luisa Stock / M.S.

Mehr zum Thema:

Am Mittwoch, 12.1., sendet das NDR-Magazin ZAPP einen Beitrag zum Mediengesetz, in dem auch der Pester Lloyd zu Wort kommt. NDR, 23.05 Uhr, Wiederholungen in Eins extra und am Freitag, 14.1. auf 3sat sowie als Podcast im Internet. Link zur Sendung: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/index.html

Weitere Informationen zur Demo in Budapest und zum Aufruf von Bürgerrechtlern und Intellektuellen in Budapest unter: www.iprotest.hu
und
http://www.facebook.com/event.php?eid=174931022547487&ref=mf

Eine ausführliche Einordnung des Gesetzes, seine Inhalte, die ersten Fallbeispiele und die internationale Kritik, finden Sie auf unserer Themenseite zum Mediengesetz

Details zu den Kampagnen mit antseimitischen Untertönen auf diesem Blog
http://pusztaranger.wordpress.com/2011/01/10/haltet-den-dieb-antiliberaler-antisem itismus-in-aktion/

Zur EU-Ratspräsidentschaft Ungarns

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