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(c) Pester Lloyd / 03 - 2011  TSCHECHIEN 17.01.2011

 

Weißkittel auf der Flucht

Massenkündigungen von Ärzten in Tschechien

Rund 4.000 Krankenhausärzte in Tschechien haben zu Jahresbeginn fast auf einen Schlag ihre Jobs gekündigt. Sie protestieren damit gegen die fehlende Behandlung ihrer dringendsten Schmerzen: schlechte Bezahlung und schlechte Arbeitsbedinungen. Die Poliitk zeigte sich bisher ziemlich neben der Spur, der Präsident mahnt "Verantwortung" ein, der Gesundheitsminister macht zynische Kommentare. Der Premier müht sich um Verständigung, kann aber nichts Konkretes vorweisen. Doch diesmal bleiben die Ärztevertreter hart.

Ein Ärztegewerkschafter informiert über die Protestaktion. Die Augen der Kollegen spiegeln Skepsis und Frust. Die meisten würden gerne bleiben, doch die Bedingungen sind für viele unerträglich, unwürdig geworden.

Die Ärztegewerkschaft hat die Aktion lange angekündigt, doch nichts passierte. Die durch endlosen Wahlkampf blockierte Politik in Prag war zuerst nicht zu Entscheidungen fähig, dann pokerte sie, offenbar zu hoch. Mit einem "Dekujeme, odcházíme / Danke, wir gehen! traten bereits zu Jahresende ca. 4.000 Ärzte aus tschechischen Krankenhäusern aus ihrem Dienstverhältnis, weitere folgten in den ersten Januarwochen, die Gewerkschaft kündigte nun die nächste Welle an, dann könnten bald ein Viertel aller Krankenhausärzte gegangen sein, was einige Kliniken "kollabieren lassen" wird.

Gesundheitsminister profiliert sich mit Zynismen

Gesundheitsminister Leoš Heger von der recht neuen Partei des Außenminister Schwarzenberg, TOP 09, stellte zwar Ende letzter Woche ein ungefähres Reformkonzept vor, Gehaltserhöhungen seien aber in der "derzeitigen Lage" nicht machbar. Vielmehr habe er, so die Einschätzung der Gewerkschafter, nur an einem Notdienstplan getüftelt. Er nahm die Lage wohl noch nicht ernst genug, als er zynischerweise feststellte, dass zwar fast 60 Krankenhäuser von weiteren Kündigungen betroffen sein könnten, er aber keine "ernste Gefahr für die medizinische Versorgung der Bevölkerung" sieht. Noch sei man nicht einmal hinter die Zahl der Ärzte von vor zehn Jahren zurückgefallen, notfalls könnten ambulante Dienste Lücken schließen. Auch sollten sich die Ärzte nicht so anstellen, schließlich sei das tschechische Durchschnittsgehalt von zuletzt monatlich ca. 23.600 Kronen von den Ärzten mit 45.000 bis 50.000 Kronen deutlich genug überboten worden. Das Wort “Erpressung” machte mehrmals die Runde.

Die Gewerkschaft hat klare Forderungen und will an ihrem Druckmittel der massenhaften, konzertierten Kündigungen festhalten. Ein Bruttogehalt von umgerechnet 2.000 bis 2.500 Euro genüge nicht, um die Ärzte im Land zu halten, normal qualifizierte Facharbeiter verdienten mehr, zumal die Arbeitsbedingungen, hinsichtlich Überstunden, Urlaubsregelungen und Zeitausgleich katastrophal seien. So würden weiter massenhaft Ärzte nach Deutschland, Österreich, in die Schweiz, nach Norwegen oder Kandada abwandern.

Seit Monaten fahren Infomobile mit dem Aufdruck “Unser Exodus...” durch Tschechien. Die Regierung war als vorgewarnt...

Premier geht auf die Ärzte zu, die bleiben aber hart

Zunächst zeigte sich die Staatsführung empört, Präsident Vaclav Klaus sprach von "unverantwortlichem" Verhalten, wenn Klinikärzte ihren Arbeitsplatz verlassen. Das bisherige Reformkonzpet des Gesundheitsministers versucht zudem die Patienten gegen die Ärzte aufzubringen, in dem es einen Vorschlag enthält, der die täglichen Zuzahlungen an die Krankenhäuser von 60 auf 100 Kronen ( 4 EUR) erhöhen würde. Weitere Mittel sollen langfristig durch die Zusammenlegung von Krankenversicherungen frei werden.

Immerhin wurden sich Miniserpräsident Petr Necas und Gewerkschaftsboss Milan Kubek in einem eilig angesetzten Gespräch am Wochenende darin einig, dass sich im Gesundheitswesen selbst genug Gelder befinden, die man für die Ärzte freimachen könnte. Der Premier versprach, dass "jede durch die Reform eingesparte Krone dem medizinischen Personal" zufließen solle. Vor allem die Deckelung von Höchstpreisen für Medikamente und die striktere Verschreibung von Generika könnte Unsummen von Geld sparen, so Kubek, auch im Bereich der Sockelfinanzierung der Krankenversicherungen könnte man ansetzen. Kubek stellte aber klar, dass die "Danke, wir gehen!"-Aktion bis zu einer befriedigenden Lösung, sprich der Anhebung der Gehälter - je nach Qualifikation - um das 1,5 bis 3fache, in Kraft bleibt. Die nächste Kündigungswelle ist für März geplant, auf der Webseite läuft die Zeit herunter: www.dekujeme-odchazime.cz

Kein tschechisches Problem

Das Problem abwandernder Ärzte ist natürlich nicht nur ein tschechisches. In Ungarn ist die Bezahlung noch deutlich schlechter und der Zustand des Gesundheitswesens nicht nur durch belastende Arbeitsbedingungen, sondern auch massive Korruption gekennzeichnet. Eine dortige Initiative kam auf den eigenartigen Gedanken, dass sich alle Ärzte, die auf das übliche "Handgeld" verzichten, ein grünes Kreuz anheften. Verbandsvertreter nehmen die Idee dankend auf, "wenn unsere Gehälter verdoppelt werden."

In Rumänien spitzt sich die Lage zwischen Staat und Standesvertretern ebenfalls gerade zu, seit letzte Woche sowohl die Arbeitgeber- wie die Arbeitnehmer aus Protest gegen die Reduzierung ihrer Stimmrechte den Nationalen Rat der Krankenversicherungen verlassen haben. Bisher waren beide Parteien und der Staat mit je 5 Vertretern dabei, nun sollten die Ständevertreter nur noch je zwei Stellen, die Regierung aber vier. Keine gute Grundlage, um über Reformen zu sprechen.

red.

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