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(c) Pester Lloyd / 03 - 2011  POLITIK 22.01.2011

 

Öffentliche Moral

Ungarische Regierungspartei ehrt Hassprediger, EU schickt Papiertiger UPDATE 24.1.

Die EU-Kommission hat der ungarischen Regierung einen Brief überstellt, indem man nach einer "vorläufigen Überprüfung" partielle Kritik am Mediengesetz übt und Fragen "beantwortet" haben will. Das Schreiben ist ein Papiertiger, für Ungarn wird es kein Problem sein, die Fragen "befriedigend" zu beantworten ohne den Charakter  Gesetzes zu ändern. Zeitgleich wurde der führende Hassprediger des Landes von der Regierungspartei mit der Madách-Medaille geehrt. Ein Beispiel dafür, welche "öffentlichen Moral", die u.a. durch das Mediengesetz aufgewertet werden soll, an der Tagesordnung ist.

Hinterzimmergespräch: Barroso bei Orbán Anfang Januar in Budapest

Absenderin des Schreibens ist die niederländische EU-Kommissarin für die "Digitale Agenda", Neelie Kroes von den Liberalen. Kritisiert werden in ziemlich vagen Fragestellungen die "zu hohen Registrierungsanforderungen", die schlecht definierte Kontrolle einer "ausgewogenen Berichterstattung" sowie die Ausweitung der Befugnisse auf "ausländische Medien". Auch die Unabhängigkeit des Medienrates von der Regierung zieht die Kommission in Zweifel. Insgesamt nimmt man diese Beispiele zum Anlass, das Gesetz als "nicht EU-konform" zu bewerten, wenn die Zweifel nicht ausgeräumt würden. Geschieht die Beantwortung der gestellten Fragen nicht zur Befriedigung der Kommission, könnte es zur Einleitung eines formalen Vertragsverletzungsverfahren kommen.

 Das Original des Briefes aus Brüssel (engl., pdf) hier zum Download

Die Grundfragen werden nicht gestellt

Das Schreiben machte es dem ungarischen Justizminister Tibor Navracsics leicht, von "absoluten Detailfragen" zu sprechen, die man schnell ausräumen könne. Navracsics trifft dabei den Nagel auf den Kopf, denn die fachliche wie politische Kritik an dem Gesetz ist viel fundamentaler anzusetzen. Dabei geht auch um die bereits geschehene Umwidmung der öffentlich-rechtlichen Medien zu einem Staatsfunk, was sich u.a. durch die geschaffenen Personal- und Kontrollstrukturen sowie die zentrale und exclusive Belieferung mit Nachrichteninhalten durch die Nachrichtenagentur MTI manifestiert.

Weiterhin enthält der Brief der EU-Kommission kein Wort von der Verquickung exekutiver und judikativer Macht in den Händen des vom Fidesz kontrollierten Medienrates, dem die Interpretaion der vielen schwammigen Regelungen mitsamt der Sanktionierung anheimfällt, was einen eindeutigen Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundprinzipien widerspricht. Etliche Regelungen, u.a. zum Jugendschutz, dem Schutz von Minderheiten und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte, Fragen, die durch das Gesetz sozusagen aus der regulären Gerichtsbarkeit ausgelagert werden. Das Gesetz maßt sich Aussagen zur erwünschten Art der Berichterstattung ("aktuell zu nationalen, regionalen und europäischen Fragen" etc.) an, die nichts in einem Medienregulierungsgesetz verloren haben. Kein Wort auch fiel zur Frage des Quellenschutzes und zu seiner Aushebelung bei "Fragen der nationalen Sicherheit", die wiederum allein durch den Medienrat festgesetllt werden könnte.

Mehr zu unseren konkreten Kritikpunkten in den Beiträgen in der rechten Spalte unserer Themenseite

Am Sonntag legte die von Premier Orbán auf neun Jahre ernannte Chefin des Medienrates, Annamária Szalai nochmals nach und machte "politische und wirtschaftliche Parteiinteressen" hinter der internationalen Kritik aus. Die Kampagne sei die gleiche, die 2009 der amerikanische Kongress gestartet habe als er gegen den Frequenzentzug zweier Radiosender die Pressefreiheit ins Felde führte, dabei aber nur die wirtschaftlichen Interessen eines amerikanischen Investors im Auge hatte. (es ging um den Fall Sláger- bzw. Danubius-Radio, deren Frequenzen zwischen den beiden großen politischen Blöcken aufgeteilt worden waren.)

Taktische Absprache zwischen Barroso und Orbán?

Der Brief der EU-Kommission legt die bereits von uns geäußerte Mutmaßung nahe, dass es sich bei dem Orbán durch Kommissionspräsident und Volksparteifreund Barroso "abgerungenen Versprechen" um eine taktische Absprache beider handelt, die nur den Zweck erfüllen soll, die aufgewühlten Gemüter zu beruhigen und Ungarns Ratspräsidentschaft in ruhigere Fahrwasser zu führen. Eine Einmischung im Sinne einer Stärkung der Grundrechte war - das belegt die Haltung der Kommission vorerst - wohl nicht vorgesehen. Ungarn ist in der Lage, Dutzende Paragrafen des Gesetzes zu ändern oder zu streichen, ohne dass das Gesetz seinen restriktiven Grundcharakter und seine Interpretationsfreiheit und damit die Möglichkeit zum Missbrauch verliert.

Die EU-Kommission hat es vermieden, festzustellen, dass dieses Gesetz, auch bei Klärung der gestellten Fragen, weiterhin in sich einen Rechtsbruch darstellt. Besonders perfide ist die Hervorhebung der Belange "ausländischer Medien", ganz sicher wegen der Intervention der großen Medienkonzerne zu Stande gekommen, was die Rechte der ungarischen Medien ganz offensichtlich nachrangig macht.

Zsolt Bayer und Viktor Orbán feiern gemeinsam den Geburtstag der Partei Fidesz. Das Foto stammt von einem Blog der Jugendorganistation Fidelitas.

Öffentliche Moral 2011: der Fall Zsolt Bayer

Während Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei Nonkomformität bereits kalt gestellt wurden und der Medienrat erste vorsichtige Präzedenzen zum Schutz der "öffentlichen Ordnung und Moral" versuchte, gibt das Beispiel Zsolt Bayer ein beeindruckend erschreckendes Bild darüber ab, wie tief die Moral der Regierenden mitunter zu sinken bereit ist. Zeitgleich wie Ungarn den harmlosen Brief aus Brüssel, erhielt ein "Journalist" die Madách-Medaille der Komitatsversammlung des nordungarischen Nógrád. Der Ausgezeichnete, Zsolt Bayer, ist in Ungarn sehr bekannt. Er ist einer der Mitgründer des Fidesz, schrieb in den Neunziger Jahren aber auch einige Jahre für die linksliberale "Népszabadság", wechselte dann die Seite und landete beim Fidesz-Blatt "Magyar Nemzet". Heute ist er u.a. der Top-Kolumnist der Tageszeitung "Magyar Hírlap", die sich seit ihrer Übernahme durch den zwielichtigen Geschäftsmann Gábor Széles (u.a. Ikarus) publizistisch am ganz rechten Rand der Gesellschaft bewegt.

Bayer, der als guter Bekannter, ja sogar Freund von Premier Orbán gilt, profiliert sich in seinen Kolumnen regelmäßig als Hassprediger und verbreitet dort primitivsten Antisemitismus und Rassismus, schürt Vorurteile und hetzt in einer Art und Weise, wie es einst "Der Stürmer" kaum heftiger getan hatte. Kürzlich beschimpfte er einen ausländischen Journalisten in Fäkalsprache und bedauerte angesichts von einigen Zeitgenossen, dass bei einem Massaker nach der Räterepublik in Ungarn nicht genügend Genickschüsse gefallen sind. Nicht eine seiner Kolumnen kommt noch ohne Hassrhetorik aus, er streift regelmäßig ein Dutzend Pragrafen des ungarischen Straf- wie Zivilrechts, doch irgendeine Macht scheint ihn stets zu schützen.

Der Madách-Preis, der ihm nun durch den von der Regierungspartei Fidesz dominierten Landtag zu Teil wurde, bezieht sich auf den Schriftsteller und Dramatiker Imre Madách (1823-1864), einen Patrioten und(!) Humanisten, der durch seine "Tragödie des Menschen" zum "ungarischen Goethe" wurde und im Grabe routieren würde, wenn er von alledem wissen müsste.

Bei der Verleihungszeremonie sprach ein Staatssekretär, also ein Mitglied der ungarischen Regierung. Außerdem wurde bekannt, dass die - ebenfalls vom Fidesz regierte - Stadt Esztergom über Jahre Prozesskosten für von Bayer geführte Gerichtsverfahren übernommen haben soll. Einige Journalisten wollten nun das neue Mediengesetz gegen den Orbán-Freund Bayer in Stellung bringen und es damit auch ad absurdum führen und haben ihn der Medienbehörde gemeldet. Eine Reaktion von dort steht noch aus, vielleicht benutzt man den Fall gegenüber Brüssel ja als unwiderlegbaren Beweis für die uneingeschränkte Pressefreiheit in Ungarn...

M.S.

Mehr zum Thema, Zitate des Herrn Bayer und weitere Quellen:

Fidesz-Politiker: „Zsolt Bayer verdient den Madách-Preis“ bei “Hungarian Voice”
http://hungarianvoice.wordpress.com/2011/01/21/fidesz-politiker-zsolt-bayer-verdient-den-madach-pr eis/

Fidesz: Kulturpreis für Antisemiten Zsolt Bayer bei “Pusztaranger”
http://pusztaranger.wordpress.com/2011/01/19/fidesz-kulturpreis-fur-antisemiten-zsolt-bayer/

THEMENSEITE MEDIENGESETZ

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