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(c) Pester Lloyd / 06 - 2011  POLITIK 08.02.2011

 

Zeitschiene der Hoffnung

Pathetische Pflichtübung: Orbáns Rede zur Lage der Nation

Am Montag hielt der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán wieder eine "Rede zur Lage der Nation". Im Budapester Millenium Center malte er vor Politikern seines Lagers und unterschiedlichen Größen des öffentlichen Lebens ein Bild vom Zustand und der berechtigten Hoffnung der Nation und bereitete das Volk, im hier üblichen pathetischen Gewand, auf die kommende Verfassung "ungarischen Geistes" vor.

Kampf den Schulden und Arbeit schaffen

Neues enthielt diese 13. Ansprache seit 1999, auf Einladung einer konservativen Vereinigung, freilich nicht, sie diente in erster Linie der Selbstvergewisserung der Anhängerschaft, weiter auf dem "richtigen Weg" zu sein. Nach der üblichen Abrechnung mit den Vorgängern, sagte der Premier, dass man "im Jahr 2011 der Staatsverschuldung den Krieg erklärt" habe. Sowohl das aus seiner Sicht "gerechte Steuersystem" (gemeint Flat tax), die Banken- und Krisensondersteuern als auch die "Rettung des Rentensystems", wie der Premier die quasi zwangsweise Verstaatlichung der ehemaligen zweiten Säule der Rentenversicherung zu nennen pflegt, seien wichtige erste Schritte. Nun komme es darauf an, möglichst viele Menschen in Arbeit zu bringen, nur dann könne Ungarn wirklich der Schuldenfalle entkommen. Jeder, der arbeiten könne, müsse dies auch tun, wiederholte der Premier, dessen Partei mehrfach versprochen hatte, binnen zehn Jahren eine Million neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Verfassung, die Ungarns endgültigen Weg bestimmt

Weiterer Schwerpunkt der Rede war die Vorbereitung des Volkes auf die im Frühjahr, mutmaßlich zu Ostern, zu beschließende neue Verfassung, die eine "Manifestation ungarischen Geistes" sein soll und sich stark "distanziert von der lähmenden Ära", die Ungarn in der nahen Vergangenheit erdulden musste. Die neue Konstitution wird einen festen, "endgültigen" Weg für Ungarns Zukunft weisen. Er fuhr mit der bekannten Argumentation fort, dass die derzeitige Verfassung nicht mehr aktuell sei und auf einem "sowjetischen Modell aufbaue". Mehr zur Verfassungsdebatte

Jedes Jahr bekommt ein Motto

Orbán wollte mit seiner Rede den Menschen eine Art Zeitschiene der Hoffnung eröffnen, in dem er in blumigen Worten das Jahr 2010 als das des nationalen Bündnisses charakterisierte, dem mit 2011 ein Jahr der Erneuerung folgt. Reorganisation und eine neue Verfassungsordnung zur Rückgewinnung des verlorenen Gleichgewichtes stehen 2012 an, 2013 indes wird das Jahr des Aufstiegs und 2014 ein Jahr des Gewinns. Wenn Ungarn aber jetzt nicht dazu aufbreche, die Wolken der Verschuldung vom Himmel zu schieben, wird man die Chance auf lange Zeit verloren haben, so Orbán, der einen möglichen Untergang des Landes in dramatischen Worten in den Raum malte. Die "Erneuerung", die nun, nach der "nationalen Kooperation" offiziell als neue Parole ausgeben wurde, dulde keinen Aufschub, sie könne dafür sorgen, dass jeder arbeitende Mensch gut von den Früchten seiner Arbeit leben könne.

Pflichtübung der Selbstgewissheit

Die regierungsfreundliche Presse bejubelte in verdächtig zeitnahen Statements und "Expertenanalysen" die Rede als "großartig" und "dramatisch", die andere Seite sprach von Verlogenheit, denn die bisherigen Maßnahmen der Regierung hätten den einfachen Menschen bisher nur Ungemach gebracht, Ungarns Ruf im Ausland zerstört und seine Zukunft gefährdet. Freilich kamen diese Anschuldigungen eben genau aus der Ecke, die sich genau das alles belegbar vorwerfen lassen muss.

Aus unserer Sicht ist diese Rede eher als mittelmäßig bis belanglos einzustufen, da sie weder konkrete Ankündigungen noch neue Aspekte beinhaltete. Es war eine Wahlkampfrede ohne Wahlkampf, alle Argumente sind nun schon zum tausendsten Male vorgetragen worden. Bar jeden Selbstzweifels hielt Orbán seinem Land pflichtschuldig diese Ansprache, wissend, dass sobald niemand seine Kreise stören wird. Auffallend waren lediglich die fehlenden Bezüge zu Europa, das einmal mehr auch in der Deko völlig ausgespart wurde sowie die Zurückhaltung in der sonst oft so überstrapzierten Frage des "gesamten Ungarntums."

red.

 

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