Sie möchten den PESTER LLOYD unterstützen?

Hauptmenü

 

 

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 07 - 2011  ALBANIEN 14.02.2011

 

Putsch oder Volksaufstand

Was geschah am 21. Januar in Albanien?

Die albanische Generalstaatsanwaltschaft ließ in der letzten Woche insgesamt sechs Polizisten und Offiziere der Nationalgarde, die auch für die Sicherheit der Regierung zuständig waren, verhaften. Sie sollen für den Tod von insgesamt vier Demonstranten während gewalttätiger Ausschreitungen vor dem Parlament am 21. Januar haupt- und mitverantwortlich sein.

Damals protestierten rund 20.000 Demonstranten anfänglich weitgehend friedlich gegen die korrupten Politikerkasten, die Albanien regieren und forderten den Rücktritt der Regierung Sali Berisha. Sie werfen ihm auch Wahlbetrug im Jahre 2009 vor. Auslöser für die heftigen Proteste war ein geradezu exemplarischer Korruptionsfall, der Vizepremier Ilir Meta Ende Januar das Amt kostete.

Die offizielle Regierungslesart sieht einen "aufgewiegelten Mob" und Putschversuche der Opposition hinter den Ereignissen. Als die Sicherheitskräfte die Menge vom Parlament bzw. Regierungssitz abdrängten und dabei auch Schlagstöcke einsetzten, sollen erste Steine geflogen sein, darauf folgten Molotow-Cocktails, worauf Polizisten auch von Schusswaffen Gebrauch machten. Drei Menschen starben sofort, ein vierter erlag später seinen Verletzungen, rund 150 wurden verletzt.

Englischsprachiger Bericht von Al Jazeera von den Ereignissen am 21. Januar

 

Berisha sprach später selbst von dem Versuch, einen "Coup auf tunesische Art" zu landen, womit er sich indirekt selbst entlarvend in eine Reihe mit dem dortigen Diktator Ben Ali stellte. Er grift mittlerweile alle frontal an, die seine Version der Ereignisse so nicht mittragen wollen. Eine "Clique von Sozialisten, dem Präsidenten, dem Geheimdienst, dem Generalstaatsanwalt und vier Journalisten", hätte versucht, ihn und seine demokratisch zu Stande gekommene Regierung zu stürzen.

Die Opposition unter Führung des sozialistischen Bürgermeisters der Hauptstadt Tirana, Edi Rama, hat indes weitere Demonstrationen angekündigt. Man werde nicht bis 2013 (den nächsten regulären Wahlen) zusehen, wie ein "intolerables Regime" die Rechte der ärmsten Nation Europas mit Füßen tritt. Berisha seit dafür verantwortlich, dass eine "friedliche Demonstration in einem Blutbad endete." Bereits am 28. Januar gab es einen Trauermarsch, am 4. Februar erneute Demonstrationen, bei denen die Angaben über die Teilnehmer in mehreren Städten von 9.000 (Polizei) bis 100.000 (Veranstalter) schwanken.

Die albanische Staatswanwaltschaft hatte am Freitag auch drei sozialische Parlamentsabgeordnete verhören lassen, um "Licht hinter die Ereignisse" des 21. Januar zu bekommen. Die drei Befragten sagten, sie hätten keine kriminellen Handlungen begangen, wollten sich aber sonst nicht weiter äußern. Zwar genießen die Abgeordneten immernoch ihre parlamentarische Immunität, als Zeugen können sie jedoch vernommen werden.

Die EU hat - wie immer - ihre Sorge bekundet und zu zügiger und rechtsstaatlicher Aufklärung aufgerufen.

red.

LESERPOST                                       Sie möchten den PESTER LLOYD unterstützen?

Mehr zum Thema:                                            

 


 

 

IMPRESSUM

 

Pester Lloyd, täglich Nachrichten aus Ungarn und Osteuropa: Kontakt