Sie möchten den PESTER LLOYD unterstützen?

Hauptmenü

 

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 08 - 2011  WIRTSCHAFT 21.02.2011

 

Ratlos

Die Abschaffung des ungarischen Haushaltsrates ist vollendet

Der ungarische Staatspräsident Pál Schmitt hat am Freitag den ehemaligen Zentralbankchef Zsigmond Járai zum Vorsitzenden des zur Bedeutungslosigkeit degradierten Haushaltsrates ernannt. Járai kritisierte noch kürzlich die Wirtschaftspolitik der Regierung, nun schwenkte er zurück auf Linie. Das ganze ist eine einzige Posse, die aber mit staatstragendem Ernst vorgetragen wird.

Zwei unabhängige Köpfe: Zsigmond Járai am Tag seiner Ernennung bei Pál Schmitt, Präsident.

Die Berufung Zsigmond Járais zum Chef des Haushaltsrates gilt bis 2017. Neben Járai, dem Finanzminister der ersten Fidesz-Regierung, der neben seiner Versicherungsgesellschaft CIG Pannónia auch noch den Aufsichtsrat der Nationalbank leitet, sind der Chef des Rechnungshofes ÁSZ, László Domokos (ein Fidesz-Parteisoldat) sowie der Orbán-Widersacher András Simor, Chef der Zentralbank, die weiteren Mitglieder.

Das Parlament hatte am 13. Dezember die "Umgestaltung" der 2009 von der Vorgängerregierung - auf Drängen der damaligen Opposition - eingerichteten Behörde beschlossen. Dessen ehemaliger Vorsitzender, György Kopits, hatte - unmittelbar nach den Budgetreden von Premier Orbán und Wirtschaftsminister Matolcsy im ungarischen Parlament - erhebliche Zweifel an der Seriosität der Finanzplanung geäußert und nannte den Haushaltsentwurf riskant. Weshalb die Aktion der Regierung als Racheakt für ungebetene Kritik gilt und Kopits´ Rede nur den Anlass für die längst geplante Abschaffung war. Kopits selbst konnte nicht entlassen werden, er trat jedoch nach der Zerlegung seiner Behörde zurück.

Der neue Haushaltsrat ist jetzt ohne eigenes Budget und ohne Mitarbeiterstab (zuvor waren es über 40 Spezialisten, die dem Rat zuarbeiteten) sowie mit lediglich kommentierenden Rechten versehen. Er kann hinfort einzelne Passagen des Budgets zur Überarbeitung ans Parlament verweisen, verliert aber jegliche bindende Kompetenz als "unabhängiges" Kontroll- und Wächterorgan. Seine nichtige Bedeutung wird möglicherweise auch in der kommenden neuen Verfassung verankert, und so, wie auch das Mediengesetz, möglichen Änderungen durch neue Mehrheiten entzogen.

Ähnlich kritische Anmerkungen wie Kopits, hatte sich kürzlich auch dessen "Nachfolger" Járai erlaubt, der als Nationalbankchef auch viele Jahre unter sozialistischen Regierungen Dienst tat. Er galt allgemein stets als der jetzigen Regierungspartei zwar grundsätzlich gewogen, jedoch nicht so sklavisch ergeben wie die vielen anderen neuen Marionetten in öffentlichen Spitzenämtern, einschließlich des Präsidenten. Offenbar handelte es sich bei den Einlassungen jedoch um ein Täuschungsmanöver, eine Komödie, mit der Járai der Öffentlichkeit seine Unabhängigkeit gegenüber der Regierung demonstrieren wollte, um sich als geeignet für den Posten als Haushaltsratschef darzustellen.

In einer ersten Stellungnahme nach seiner Ernennung kehrte er schon ganz auf Regierungslinie zurück, sogar im Wortlaut. Er betonte, ganz richtig, die dringende Notwendigkeit von strukturellen Reformen, zu der auch die Reduzierung der Größe des Staatshaushaltes im Verhältnis zum BIP gehört, die im Vergleich zu anderen Ländern der Region überdimensioniert ist, eine Reduzierung auf 46% des BIP (derzeit über 50%) in den kommenden Jahren sollte das Ziel sein. Exakt die gleiche Feststellung traf zeitgleich das Ministerium für Nationalwirtschaft in einer Aussendung, womit die für die kommenden Wochen erwarteten Strukturreformen vorbereitet werden.

Járai glaubt pflichtgemäß außerdem, dass der neue Haushaltsrat kein eigenes Personal benötige, man werde sich auf die Daten des Rechnungshofes, des Wirtschaftsministeriums und der Zentralbank stützen, um zu einer "unabhängigen" Einschätzung der Lage zu kommen, sagte er, der innerhalb dieses Rates für die Erstellung der Tagesordnungen die Einberufung und Leitung der Sitzungen zuständig sein wird. Einen Konflikt mit seiner gleichzeitigen Aufsicht über die Nationalbank will er in der neuen Funktion auch nicht erkennen. Wie machtlos der Haushaltsrat ist, sieht man neben der Ernennung eines Fidesznahen-Oligarchen, denn letztlich ist Járai nichts anderes, außerdem an dem Umstand, dass ausgerechnet Orbáns letzter verbliebener Widersacher, Nationalbankchef Simor, - wie zum Hohn - eines der Mitglieder geworden ist, womit die Demokratieposse vollständig ist.

red.

LESERPOST                                       Sie möchten den PESTER LLOYD unterstützen?

Mehr zum Thema:                                            

 


 

 

 

IMPRESSUM

 

Pester Lloyd, täglich Nachrichten aus Ungarn und Osteuropa: Kontakt