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(c) Pester Lloyd / 14 - 2011  SLOWAKEI 08.04.2011

KOMMENTARE

Debatten, Streit, Generalstreik?

Slowakei: Gewerkschaften und Opposition blasen zum Angriff auf die Regierung

Die Oppositionszeit hat der im vorigen Jahr von der Regierung abgewählten "sozialdemokratischen" Smer offenbar gut getan. Die unpopulären Maßnahmen der wackeligen bürgerlichen Vier-Parteien-Koaltion sorgen bei Umfragen dafür, dass Ex-Premier Fico, so jetzt Wahlen wären, sogar die absolute Mehrheit der Parlamentsmandate erreichen könnte. Grund genug, weiter Öl ins Feuer zu gießen. Derweil machen die Gewerkschaften mobil, weil die Verhandlungen über ein neues Arbeitsrecht gescheitert sind.

Wären jetzt Wahlen in der Slowakei, bräuchte die Smer nicht einmal mehr die nationalistischen Schreihälse der SNS, die durch ihre antiungarischen und antieuropäischen Tiraden der Regierung Fico vor allem außenpolitisch viel Schaden bereitet hatte. Das Institut Focus sieht Smer derzeit bei rund 45% der Stimmen, was 76 Sätze im 150sitzigen Parlament in Bratislava bedeuten würde. Eine absolute Mandatsmehrheit gab es seit der Gründung der zweiten slowakischen Republik noch nicht.

Haut gern mal auf den Tisch: Ex-Premier und heutiger Oppositionsführer Robert Fico im Aufwind.

Während drei der Koalitionsparteien ihr Ergebnis von 2010 in etwa halten könnten (SDKÚ bei ca. 16%, Most-Híd rund 7-8% und SaS 7-8%, müssten vor allem die Christdemokraten von der KDH mit einem massiven Einbruch rechnen. Sie landen derzeit bei lediglich rund 6%, was die gesamte Koalition die Mehrheit kosten würde. Bereits einen Monat nach Amtsantritt stiegen schon wieder die Werte der Opposition. Freilich, solche Umfragen, nach noch nicht mal einem Jahr Regierungszeit sind meistens nur Momentaufnahmen, doch belegen sie - z.B. im Unterschied zum anhaltend hohen Zuspruch dese Fidesz beim ungarischen Nachbarn - dass es eine Reihe von Verwerfungen zwischen den Regierungszielen und der Volksmeinung gibt.

Fico spielt Tonbänder im Parlament ab und blamiert damit die Ministerpräsidentin

Sich der Lage bewusst und als Einzelkämpfer auch taktisch einer behebigen, zerstrittenen 4-Parteien-Koalition überlegen, nutzt der dem Populismus nie abholde Robrt Fico jede Gelegenheit, die Stimmung weiter gegen die Regierung aufzubringen. Praktisch jede Aktion der Regierung wird fundamental runtergemacht, Personen einzeln angegriffen, so dass sich die Regierung in einer permanenten Verteidigungssituation sieht. Letzter Höhepunkt war, als er Anfang der Woche im Parlament mit Hilfe von Tonbandmitschnitten Ministerpräsidentin Iveta Radicova des Wahlbetrugs überführen wollte. Anlass ist die geplante Privatisierung von sechs staatseigenen Heizkraftwerken. Immer wieder ließ Fico bei seinem Auftritt das Band ablaufen, bei dem Radicova im Wahlkampf mit den Worten zu hören war: "Wir planen keine Privatisierungen. Das erkläre ich hiermit deutlich." Gleiches tat er beim Thema Steuern, auch hier war die Stimme der Premierministerin zu hören, zwei Wochen vor der Wahl: "Nein, wir werden die Steuern nicht erhöhen." - auch das konnte Fico öffentlichkeitswirksam widerlegen.

Die Abwehrhaltung ist eine der häufigeren Gesten der Ministerpräsidentein Iveta Radicova geworden.

Regierungspartei: Lieber ausländische Konzerne, als einheimische Diebe

Dieser musste sich von einem SDKU-DS Abgeordneten allerdings zurechtweisen lassen, der sagte, dass es "schamlos" sei, wie sich Fico im Hohen Hause produziere. Ausgerechnet er woll anderen Unterricht erteilen, wie man das Land regiert, dabei sei gerade er doch abgewählt worden, weil er das nicht konnte. (Ficos Smer verlor die Mehrheit, blieb aber stärkste Fraktion). Fico beschimpft ausländische Unternehmen, die in der Slowakei Geschäfte machen oder ihr Vermögen verwalten und durch Steuern auf ihre Profite dem Staat zu Finanzen verhelfen, dabei wäre es ihm wohl lieber, Steuergelder an einheimische Diebe zu verteilen, so der Abgeordnete Kanik. Smer antwortete, dass man sich lieber um die steigenden Benzin- und Nahrungsmittelpreise kümmern sollte und zwar nachhaltig und nicht durch solche sinnlosen Maßnahmen der Regierung, die tatsächlich vorhat, Nudeln und Brot an ärmere Menschen zu verschenken.

Neues Arbeitsrecht: Sorge um weiteren Sozialabbau für die unteren Schichten

Den Arbeitsmarkt anzukurbeln versucht die Regierung unter anderem durch eine Lockerung von Kündigungsmodalitäten im Arbeitsrecht. Die Gespräche über eine Reformierung des Arbeitsrechts zwischen dem zuständigen Ministerium und Gewerkschaftsvertretern in der Slowakei sind jedoch gerade gescheitert. Während die Gewerkschaften ihren "ökonomischen und sozialen Status" und Grundnormen gefährdet sehen, bescheinigte der Arbeitsminister die Arbeitervertreter als "uninformiert" und voreingenommen. Nun sieht es so aus, als stünden dem Land eine Reihe von Protesten und Streiks bevor. Die Slowakei, als "Werkbank des Westens" überwiegend von großen Autobauern, deren Zulieferern und anderen ausländischen Fertigungsinvestoren abhängig, hat noch immer ein relativ arbeitnehmerfreundliches, wenn auch kompliziertes Arbeitsrecht, allerdings eingeschränkt durch einige Maßnahmen der Fico-Regierung, dier erfolgten, als dessen Popularität nachließ.

Die Regierung beharrt darauf, dass das von der Regierung Fico geschaffene Gesetz dringend angepasst werden muss, um "mehr Flexibilität und Fairness" zu erreichen. Im übrigen werde man die Änderungen noch bis zum Mai beraten, man habe hunderte Anregungen aus der Öffentlichkeit dazu erhalten, die man genau bewerten werde. Arbeitsminister Jozef Mihál erklärte, dass er Kompromisse noch immer für möglich erachte, zumal auch die Arbeitgeber ihre Bedenken angemeldet haben. Die Gewerkschaften jedoch wollen auch wegen der gestiegenen Preise auf die Straße gehen, gegen neue und erhöhte Steuern und Abgaben. Die Verschlechterung der rechtlichen Situation durch ein neues Arbeitsgesetz sei da ohnehin die Spitze eines Eisberges. Die Kritik daran bezieht sich vor allem auf die angedachten Möglichkeiten von mehrfachen Zeitarbeitsverträgen hintereinander, die Auswirkungen auf spätere Abfindungszahlungen haben, eine Ausdehnung von Überstunden gegen Zeitausgleich ohne Bezahlung.

So flexibel wie möglich, so billig wie möglich. Das Ziel der meisten Arbeitgeber.
Für die Lage im Land nicht die beste Lösung. Hier im slowakischen VW-Werk.

“Flexikonto” als Angriff auf die Familie

Auch die Arbeitgeber haben so ihre Zweifel, ob die Regierungsvorschläge sinnführend sind, befürworten aber im Unterscheid zu den Arbeitnehmervertretern weiter einen "sozialen Dialog". Etliche Änderungswünsche zum Entwurf habe man eingereicht, dem Arbeitgeberverband RÚZ geht es vor allem um die Ausschöpfung von Potentialen zur Schaffung von Arbeit, das sei derzeit nicht zu erkennen, vielmehr behalte der Entwurf die komplizierte Komplexität des Fico-Gesetzes bei. Nach wie vor würden Gewerkschaften und Arbeitgebervertreter nicht als gleichberechtigte Ansprechpartner behandelt. Man begrüßt allerdings den geplanten Wegfall der verbindlichen Abfindungszahlungen und die Möglichkeit mit diesen auch Überstunden abzugelten. Auch die Ausweitung der Kurzarbeit und die Einführung des Zeitausgleichskontos anstatt verbindlicher Ausgleichszahlungen findet man gut, alles Punkte, die von den Gewerkschaften strikt bekämpft werden, weil sie für die Arbeitnehmer real weniger Geld und größere Jobunsicherheit bedeuten. Die Arbeitgeberseite hingegen argumentiert, dass das "Flexikonto" es den Arbeitern erlaube, bei wenig Arbeit "mit vollem Lohn zu Hause zu bleiben" und die angefallenen Stunden später als Überstunden abzuarbeiten. Wie die Regierung in diesem Fall davon reden kann, dass das neue Arbeitsrech "familienfreundlicher" ist, bleibt jedoch ein Rätsel.

Minister: Für Libyen kann man uns nicht verantwortlich machen

Ein Grundproblem sehen die Gewerkschaften auch in der Schaffung von ungleichen Bedingungen für niedriger und höher qualifizierte Berufe u.a. durch unterschiedliche Probezeiten, Kündigungsfristen, Kurzarbeits- und Abfindungsregelungen. Die Gewerkschaften schließen auch nicht aus, eine Abstimmung über einen Genralstreik herbeizuführen, sollte die Regierungslinie weiter so stur bleiben. "Der Kampf um die Menschenwürde" sei jeden Preis wert, hieß es bei einer ersten größeren Protestkundgebung Ende März. Das Arbeitsministerium kommentierte die Kritik, dass "die uninformierten Organisatoren der Proteste lieber vor drei Jahren hätten demonstrieren sollen, als die Preise in der Slowakei viel stärker angestiegen" sind.

 

Statt über Möglichkeiten für mehr Arbeit nachzudenken "unterstützen die Gewerkschaften" die Fico-Partei, deren "Politik Verschwendung und Diebstahl" ermöglicht habe und die Pro-Kopf-Verschuldung um 2.000 EUR ansteigen ließ. Für den Anstieg auf den Weltmärkten für Lebensmittel und Treibstoffe könne nicht die Regierung verantwortlich gemacht werden, auch nicht für schlechte Ernten und den Konflikt in Libyen. Da "überschätze man den Einfluss der slowakischen Regierung in der Welt gewaltig", hieß es sarkastisch in einer Aussendung des Finanzministeriums.

red.
 

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