(c) Pester Lloyd / 14 - 2011 ALBANIEN
08.04.2011
KOMMENTARE
Blauhelme statt Wahlbeobachter
Mordanschläge und Politblockade vor Kommunalwahlen in Albanien
Vor den Kommunalwahlen in Albanien geht es wieder mörderisch zu, Anschläge auf Politiker beider Lager häufen sich, die gegenseitige Blockade im Parlament ist total.
Premier Berisha hat Neuwahlen ausgeschlossen, egal wie die Wahlen ausgehen. Die OSZE will das Geschehen überwachen, wird dabei aber sogar von westlichen Regierungen zurückgepfiffen.
Das Regionalmagazin Balkan Insight
berichtet von einem Skandal der sich im Umfeld der für den 8. Mai geplanten Kommunalwahlen in Albanien abgespielt habe. Nach einem Bericht des Magazins sei ein
Wahlbeobachter der OSZE von zwei westlichen Botschaftern dazu angehalten worden, positive Berichte über die Wahl zu liefern, um "die Stabilität des Landes nicht
zu gefährden". Ein Mitglied der ODIHR genannten Beobachtermission sagte, "sie wollen nicht, dass wir schreiben,
was wir sehen", einer Aufforderung "von zwei Botschaftern", der "wir nicht folgen werden".
Die Botschafter waren der Meinung "unsere Berichte von 2009 waren zu negativ", was die Sozialisten dazu genutzt hätten, die Wahlen anzuzweifeln. Seit 29. März sind die
ODHIR-Leute, rund 30 Mann im Lande, 400 Utnerstützer werden in den nächsten Tagen folgen.
Die Kommunalwahlen am 8. Mai werden zu einer Art
Nagelprobe, ob so etwas wie Demokratie in Albanien überhaupt noch anzutreffen ist. Am 21. Januar kamen bei Protesten gegen die Regierung vier Menschen ums Leben, seitdem geht es im Land und
seinen Institutionen nur noch um die Blokade des jeweils anderen. Die Regierung Berisha bezichtigt die Opposition eines Putschversuches und brachte
entsprechende Staatsanwälte und Richter in Stellung. Andere Ermittlungsbehörden verhafteten hohe Sicherheitsbeamte des früheren Präsidenten und jetzigen Premiers Sali Berisha.
Zum Thema: Putsch oder Volksaufstand - Feb 2011 Was geschah am 21. Januar in Albanien?
Die Streitereien ziehen sich in diem armen und furchtbar korrupten Land jedoch schon seit
den Parlamentswahlen von 2009, die die "Demokratische Partei" Berishas sehr knapp gewann, "doch nur durch Wahlbetrug", wie die sozialistische Oppsosition meint, während
Berisha davon sprach, dass "wir 2009 die besten Wahlen jemals" hatten. Zwei himmelschreiende Korruptionsskandale, in die Regierungsmitglieder verwickelt waren,
schwächten Berishas Position weiter.
Premier Sali Berisha machte jedenfalls klar, dass ihm der Ausgang der Kommunalwahlen
insofern relativ gleichgültig ist, da er, unabhängig vom Ergebnis nicht plant, vorgezogene Neuwahlen auszurufen. Allein die regelkonforme Abhaltung dieser Wahlen, wofür er sorgen
wird, stellten ja bereits einen Sieg für seine Regierung dar. Ansonsten genüge es ihm zur Legitimisierung, wenn eine Mehrzahl der Kommunen seiner Partei zuviele, unabhängig
davon wieviele Menschen diese Gemeinden dann repräsentieren.
Die Stimmung in Albanien ist nicht nur durch Armut gedrückt bis wütend, sie ist im Vorfeld
der Wahl auch zunehmend lebensgefährlich. Am Montag bzw. am letzten Wochenende kam es zu zwei bewaffneten Anschlägen auf lokale Politiker. So wurde am Montagmorgen der
Chef der Bauaufsicht vor einem Bezirksamtsgebäude von Tirana angeschossen und schwer verletzt. Ein Motorradfahrer soll dabei mehrmals das Auto des Beamten bedrängt und mit
einer Pistole auf ihn geschossen haben. Bereits am Samstag wurde ein bürgerlicher Oppositionskandidat in der Provinzstadt Balldre angeschossen. Weitere Mordanschläge gab
es auf Kandidaten der Regierungspartei, in der Region Dibra lieferten sich zwei Konkurrenten um ein Lokalmandat sogar einen direkten Schusswechsel.
Beim Wahlkampf 2009 gab es ebenfalls etliche tödliche Auseinandersetzungen, trauriger Höhepunkt war der Mord
an dem sozialistischen Abgeordneten Fatmir Xhindi, der bis heute nicht aufgeklärt wurde, so dass man den Eindruck gewinnt, Albanien bräuchte weniger OSZE-Wahlbeobachter als
vielmehr UN-Blauhelmtruppen. Auch der Aufruf des Präsidenten zur Mäßigung an alle Parteien, dürfte wohl ungehört verhallen, am Freitag beginnt dann auch offiziell die "heiße
Phase" des Wahlkampfes. "Ich will alle dazu aufrufen sich zivilisiert zu benehmen," fleht der
Präsident, "so wie das in der EU geht, der wir ja eines Tages beitreten wollen"...
red.
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