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(c) Pester Lloyd / 15 - 2011  WIRTSCHAFT 11.04.2011

KOMMENTARE

Nationale Sauerei

Ist die ungarische Salami nicht "koscher" genug?

Ein Staatssekretär im ungarischen Landwirtschaftsministerium klagt, dass die berühmte Pick Salami nicht dem nationalen Reinheitsgebot entspricht, womöglich enthält das "Hungaricum" sogar rumänische und slowakische Schweine. Der Fabrikbesitzer - nicht irgendwer, sondern Großbanker, Magnat und Orbán-Freund Csányi - kontert, dass das Ministerium erstmal seine Hausaufgaben machen sollte, bevor es rot-weiß-grüne Sprüche klopft.

Sándor Csányi ist eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Ungarn. Er ist Vorstandschef und Großaktionär der Országos Takarekpénztár (OTP), der größten Bank des Landes, herrscht über ein großes Lebensmittelimperium, besitzt Unternehmen für Reklametafeln, ist Präsident des Ungarischen Fußballverbandes und ein enger Vertrauter des Ministerpräsidenten Orbán.

Zu seinem Lebensmittel-Portfolio Bonafarm, das von Mitgliedern seiner Familie gemanagt wird, gehören neben dem Milchverarbeiter Sole-Mizo (Joghurts, Brotaufstriche, Frischkäse), dem Weingut Teleki und dem Kultquarkriegel Túró Rudi auch klassische Agrarbetriebe, Futtermittelhersteller, Fleischverarbeitungsbetriebe wie Délhús und auch die beiden auch international berühmten Salamimarken Pick und Herz, die er im Zuge von Insolvenzfverfahren erwarb.

Für Aufsehen sorgte Csányi auch, als er mitten auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, die Hunderttausende Ungarn in die Zahlungsunfähigkeit trieb, einen Teil seiner OTP-Aktien verkaufte, um das Geld in neue Eichenfässer seiner Weingüter zu investieren. Orbán konnte auf Csányi jedoch bisher immer zählen, bei der Einführung der Bankensteuer stand er an dessen Seite und verteidigte die Maßnahme als unangenehm, aber notwendig.

Ein Hungaricum aus ausländischen Rohstoffen?

Der Magnat musste sich nun in der zentraler werdenden - und ganz berechtigten - Diskussion um die zu bekämpfende Abhängigkeit der ungarischen Lebensmittelwirtschaft von ausländischen Lieferanten rechtfertigen, warum das "Flaggschiff" ungarischer Lebensmitteltradition, "Pick Szeged", massenweise Schweine für die berühmte Salami aus dem Ausland importiert, "während ungarische Bauern ihre Bestände nicht verkaufen können". Der Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, József Ángyán, warf in einem Interview mit dem regierungsnahen Blatt "Héti Válasz" die Frage auf, wie es Csányi vertreten könne, ein solches "Hungaricum" bei dem es sich bei der Pick Salami eigentlich handeln sollte, mit ausländischen Rohstoffen herzustellen?!

Ungarische Schweine zu mager und zu teuer

Die Antwort darauf hätte der Staatssekretär selber geben können, konterte der "Lebensmittelmagnat", wie ihn auch die offiziöse Nachrichtenagentur MTI nennt: "Wir haben leider keine andere Wahl, als im Ausland zu kaufen." Zum einen sei der Bestand in Ungarn viel zu niedrig und die Schlachtschweine, die der Markt bietet sind entweder zu teuer oder nicht fett genug. "Ich bin bereit József Ángyán eine Provision zu zahlen, wenn er mir ausreichend gute Schlachtsäue in Ungarn auftreibt", so Csányi. Ungarn habe einen Bestand von nur noch 3 Millionen Tieren, ein "historisches Tief", davon lediglich 200.000 Muttersäue. 70.000 Tiere werden jährlich geschlachtet, davon jedoch nur rund die Hälfte kommerziell. Pick Szeged könne auf dem einheimischen Markt jährlich nur rund 20.000 bis 25.000 geeignete Schlachttiere auftreiben, braucht aber wenigtens 50.000 allein für die Salamis, erläuterte er dem Landwirtschaftspolitiker in einer Art medialen Nachhilfestunde. Die Tiere stammten aus Rumänien, der Slowakei, aber auch Polen und anderen Ländern.

 

Der ungarische Staat und seine Schweinezüchter hätten es schon vor dem EU-Beitritt jahrelang versäumt, die notwendigen Investitionen in die Technologie und die Zucht zu tätigen, so dass die Kosten der Schweinzucht nun in Ungarn höher sind als im EU-Schnitt. Wer die Kosten pro Kilogramm nicht unter 1,10 EUR halten kann, ist nicht mehr wettbewerbsfähig. "Die Beschaffungskosten in Ungarn sind so hoch, dass wir sogar Kokarden in den Nationalfarben in die Ohren der Schweine stanzen könnten, die daraus gemachten Salamis wären dennoch zu teuer, um verkauft zu werden." meinte Csányi zu der Kritik an der fehlenden ethnischen Reinheit der Salamis und fügte hinzu, dass es auch Aufgabe des Landwirtschaftsministeriums sei, die richtigen Rahmenbedingungen für eine bessere Entwicklung zu schaffen.

Ganz abgesehen davon, wäre Pick ohne ihn womöglich gänzlich in ausländische Hände gewandert. Neben seiner Firmengruppe hätten nämlich auch “deutsche Geschäftsleute” und eine slowakische Finanzgruppe (!!!) um Pick mitgeboten...

red.

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