(c) Pester Lloyd / 15 - 2011
POLITIK 11.04.2011
KOMMENTARE
Endspurt
Ungarischer Präsident verurteilt geplante Proteste gegen die Verfassung
Die politischen Blöcke in Ungarn bringen sich für die letzte "Schlacht" um das neue Grundgesetz in Stellung. Während die Oppostion Demos organisiert, ruft das
Staatsoberhaupt zum Dialog auf. Die Richter des Landes fühlen sich durch die mögliche Einführung einer Altersgrenze düpiert.
Der ungarische Präsident, Pál Schmitt, forderte
die Parteien, die sich aus Protest nicht am Verfassungsentwurf beteiligt haben (MSZP und LMP), auf, nun wenigstens "im Parlament ihre
Stimme zu erheben". Die dortigen Plenarsitzungen über die Konstitution führen die Rechtsparteien Fidesz und Jobbik nämlich allein durch. Der
Präsident verurteilte, dass einige Parteien "andere Foren" als das Parlament zur Kundmachung ihrer Position suchten. Gegenüber acht ausländischen Amtskollegen (auf dem Foto mit dem deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff), die Schmitt am Wochenende empfing,
sagte er, dass die neue Verfassung Voraussetzung für "ein starkes Ungarn in einem starken Europa" sei.
ZUM THEMA Das erste Wort sei: Gott Ein Parteiprogramm als Grundgesetz?
Ungarn bekommt eine neue Verfassung
Vor einer Reihe von Kundgebungen gegen die neue Verfassung und die Art ihres
Zustandekommens haben die oppositionellen Sozialisten den von Premier Orbán als Präsidente installierten Pál Schmitt dazu aufgefordert, seine Unterschrift unter das
Grundgesetz zu verweigern. Der MSZP-Abgeordnete Zsolt Török sagte, "der Präsident müsse sich entscheiden, ob er dem ungarischen Volk oder Ministerpräsident Orbán
dient". Der Verfassungsentwurf enthalte viele Punkte, die die Menschen "bevormunden und ausrauben" würden, darunter die Beschränkungen für das Verfassungsgericht, der
"Diebstahl" der Rentenersparnisse, "Restriktionen des Streikrechts", die Einführung eines "ungerechten Steuersystems" und ein inakzeptables Mediengesetz.
Die neue Verfassung, bzw. ein Vorschlag darin, bringt nun auch die ungarische
Richterschaft auf. Geplant ist, das Höchstalter für Richter von 70 auf 62 Jahre zu senken, was schlagartig ein Drittel der amtierenden Richter des Landes in Pension
schicken würde. Dahinter steht der Wille der Orbán-Regierung, möglichst schnell die Richter, die noch vor 1989 in Amt und Würden kamen, durch neue zu ersetzen.
Zunächst war auch eine direkte Entlassung aller vor 1989 angelobten Richter ins Auge gefasst worden, was jedoch zwei Drittel der Richterschaft betroffen und das
Justizsystem erstmal lahmgelegt hätte. Nachgedacht wird auch darüber, ob sich - aufgrund der Schaffung einer neuen Verfassung - alle Richter neu vereidigen lassen
müssten, was ebenfalls die Möglichkeit einer politischen “Bereinigung” eröffnete.
Am 18. April wird über die Verfassung im ungarischen Parlament abgestimmt, die notwendige
Zweidrittelmehrheit ist allein über die Abgeordneten der Regierungspartei Fidesz-KDNP gesichtert. Schon am 25. April, so die Planung, soll der Präsident das neue Grundgesetz
unterzeichnen, am 1.1.2012 könnte es in Kraft treten.
Alles weitere zu dem Thema haben wir auf dieser Schwerpunkt-Seite zusammengestellt. Hier findet sich auch eine deutschsprachige Version des Verfassungsentwurfes.
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