(c) Pester Lloyd / 17 - 2011 WIRTSCHAFT 29.04.2011
Ungarische Kommunen vor der Pleite
Spezialisten des Wirtschaftsberatungsdienstes PricewaterhouseCoopers in Ungarn haben ein dramatisches Bild der Finanzlage der Kommunen des Landes gezeichnet.
Auf einer Pressekonfrenz am Donnerstag in Budapest bezifferte einer der Direktoren von PWC den Gesamtschuldenstand aller ungarischen Gemeinden auf 1,46 Billionen
Forint, ca. 5,53 Mrd. EUR bzw. rund 5% des BIP.
Allein in diesem Jahr dürfte das Minus um weitere
370 Milliarden Forint, bzw. 1,4 Mrd. EUR anwachsen. Die Kommunen haben schon heute massive Probleme bei der Finanzierung von Krankenhäusern, Kultureinrichtungen und auch
Schulen, die sie in ihrer Not oft an kirchliche oder private Träger abgeben oder ganz schließen müssen. Hinzu kommt die Kürzung von Zuschüssen aus dem
zentralen Staatshaushalt, eine Maßnahme, die mit der Staatsverschuldung begründet und mit der Reduzierung von kommunalen Aufgaben gerechtfertigt wurde, so PWC-Direktor Gyula Bunna.
Besonders dramatisch ist es für die Kommunen, dass sie immer weniger in der Lage sind,
die notwendigen Eigenmittelanteile für EU-finanzierte Projekte aufzubringen. So stehen von Brüssel eigentlich eine Reihe von Geldern zur Verfügung, die aber nur mit Hilfe neuer
Verschuldung abgerufen werden können. Besonders eindrücklich ist die finanzielle Misere an dieser Zahl abzulesen: das Schulden-Einnahmen-Verhältnis lag noch 2006 bei 22%, 2009
betrug es bereits 40%.
Etwa die Hälfte der Gesamtverschuldung fällt auf Bankkredite, die andere Hälfte auf
Kommunalanleihen, die zu 85% auch noch auf Schweizer Franken-Basis ausgegeben worden sind, womit die Gemeinden oft in der gleichen Schuldenfalle und Zinsspirale
festhängen wie ihre Einwohner. Allein der Kursanstieg des Schweizer Frankens gegenüber dem Forint hat die Schulden der Kommunen seit der Krise um 110 Mrd. Forint (416 Mio.
EUR) ansteigen lassen. In diesem Jahr werden um die 100 Mrd. HUF allein für Zinszahlungen fällig, nicht wenige Kommunen könnten im Jahresverlauf vollkommen
zahlungsunfähig werden, was wiederum katastrophale Auswirkungen auf die Kreditvergabe auch an noch funktionierende Kommunen seitens der Banken haben könnte.
PWC rät der Zentralregierung zum einen, kommunale Anleihen im großen Stil
aufzukaufen, um die Situation zu stützen, hinsichtlich der Bankkredite müsse man ähnliche Lösungen anstreben wie mit den hunderttausenden privaten Schuldnern. Die
Regierung kündigte bisher nur an, dass die "Kommunen strikte Kontrollen über ihre Finanzen akzeptieren müssen". Fidesz-Fraktionschef János Lázár tat in einem
Zeitungsinterview so, als hätten die Bürgermeister ihre Gelder zum offenen Fenster herausgeworfen. "Sie müssen lernen, dass es sowas wie ein konstenloses Buffett nicht gibt."
Dabei verhindert die Regierung bis heute eine an den Aufgaben der Kommunen ausgerichtet adäquate
Grundfinanzierung, die begrenzte Steuerautonomie wurde abgeschafft, der Einfluss der lokalen Verwaltungen auf die Finanzen ist daher sehr gering. Immerhin räumte der
Fraktionschef ein, dass die Regierung das Problem der kommunalen Verschuldung als "zweitgrößtes nach der privaten Verschuldung" erkannt habe, auch hier müssten
tiefgreifende Reformen angepackt werden.
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