(c) Pester Lloyd / 18 - 2011 WIRTSCHAFT 04.05.2011
Konzepte von Gestern
Energiepolitik: Ungarn setzt voll auf Gas und Atomkraft, Grüne protestieren
"In der Energiepolitik läuft alles nach Plan", tat Minister Fellegi, zuständig für die nationale Entwicklung, im Zusammenhang mit einem informellen Ministertreffen zum
Thema am 2. und 3. Mai kund. Wie diese Pläne aussehen, daran lässt die ungarische Regierung keine Zweifel. Am gleichen Tag verkündete sie, dass das staatseigene
Atomkraftwerk in Paks "bereit für den Stresstest" sei. Der bessere Zugang zu Erdgas und der Ausbau der Atomkraft sind die Hauptsäulen der ungarischen Energiezukunft,
Erneubare Energien und Energieeffizienz nur Randthemen.
Die EU und ihre Pläne sind für Ungarn weit. Minister Fellegi erklärt EU-Kommissar
Öttinger seine Pläne via Videoübertragung
Laut Meinung von Minister Tamás Fellegi, der bei dem Treffen den Vorsitz führte, ist die
im Energiefahrplan 2050 enthaltene 85-90-prozentige Senkung der Treibhausgasemission (im Vergleich zu 1990) eine außerordentlich "ambitiöse Zielstellung." Vorausschauend hielt
er fest, dass „es wichtig ist, dass auch das Prinzip der Solidarität zur Geltung kommt. Die Europäische Union muss bei der Festlegung des bis 2050 angelegten Fahrplans die
unterschiedlichen wirtschaftlichen und geographischen Gegebenheiten und Möglichkeiten der Mitgliedstaaten berücksichtigen.”
Dieser Vorbau für den wahrscheinlichen Fall, dass Ungarn die gesteckten Ziele verfehlen
wird, wird durch die Kritik der Opposition verdeutlicht. Die grün-liberale LMP findet es vorgestrig, dass Ungarn, trotz Fukushima weiter fast nur auf die Atomkraft setzt. 42,1%
des in Ungarn produzierten Stroms kamen im letzten Jahr aus Paks. Während auf der einen Seite mindestens 1.000 Milliarden Forint (ca. 4 Mrd. EUR) an Steuergeldern in die
Expansion des AKW um zwei weitere Blöcke und die Laufzeitverlängerung der älteren gesteckt werden, um die Kapazitäten um wenigstens 1000MW zu erhöhen, werden
derzeit nichtmal mehr kleinere Kraftwerke im erneuerbaren Bereich genehmigt.
Happy Störfall: Kinder tollen vor dem Haupteingang des AKW Paks im Löschschaum der Feuerwehr
Ungarn verliert mit einer "abgelaufenen Technologie" nur Geld und Zeit, auch im
technologischen Wettbewerb mit anderen Ländern, so die Einschätzung. Den 1000 Milliarden für Paks stehen im Szécehnyi-Plan zur Förderung der nationalen Wirtschaft
lediglich 10 Mrd. Forint (ca. 40 Mio. EUR) für Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizenz und 26,8 Mrd. Forint zur Förderung alternativer Energiequellen
gegenüber. Weitere Milliarden steckt Ungarn in den Ausbau der Erdgastrassen, vor allem in eine Nord-Süd-Achse von der Ostsee bis zur Adria.
Auch beim Ministertreffen waren die ganz unterschiedlichen Ansichten zur Energiepolitik sichtbar,
Ungarn findet sich an einer Seite mit Ländern wie Frankreich, die weiter voll auf Atomkraft setzen. EU-Energiekommissar, immerhin aus dem ehemaligen
AKW-Vorzeigeland Baden-Württemberg betonte daher auch mehr die technologischen Aspekte sowie die Erreichung der Emissionswerte und versuchte sich mit einem
"Energiemix", statt klar für die eine oder andere Richtung zu positionieren.
red.
Hintergründe zum Thema:
Düster strahlende Zukunft Ungarn baut wegen seiner großen Energieabhängigkeit voll auf Atomenergie, trotz der Katastrophe in Japan.
Erneuerbare Energien, Diversifikation und Energieeffizienz spielen nur eine Nebenrolle. - Mit zahlreichen Hintergründen zur Energiepolitik in Ungarn ZUM BEITRAG
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