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(c) Pester Lloyd / 18 - 2011  POLITIK 02.05.2011

 

Prozess gegen Gyurcsány

Immunität des Ex-Premiers wird aufgehoben - MSZP: Politjustiz

Die ungarische Generalstaatsanwaltschaft hat beim Parlament die Aufhebung der Immuniät des MSZP-Abgeordneten und Ex-Premiers Ferenc Gyurcsány beantragt. Zur Begründung wurde angegeben, dass Gyurcsány Verdächtiger im Fall des für den Staat nachteiligen Landtausches in Sukoró am Velence See ist. Ihm wird Amtsmissbrauch zum Schaden des Landes vorgeworfen, geprüft wird noch der Verdacht der Vorteilsnahme.

Das staatliche Liegenschaftsamt (Vermögensagentur) hatte unter der Gyurcsány-Regierung Ländereien am Velence See gegen deutliche weniger wertvolle Grundstücke mit einem ungarisch-israelischen Investorenkonsortium getauscht, das am naturgeschützten Velence See einen gigantischen Casino- und Entertainmentkomplex "King´s Casino" errichten wollte. Das landschaftsarchitektonisch hirnrissige Projekt steht seit dem vor dem Aus, da Genehmigungen zurückgezogen und gegen den Investor Geldbußen verhängt wurden, der Chef des Liegenschaftsamtes wurde noch von der Bajnai-Regierung gefeuert, auch gegen ihn gab es einen Prozess. Der Schaden für den Staat soll bei umgerechnet "mehreren Millionen Euro" liegen.

Der Fall wurde vom Fidesz durch einen von Premier Orbán direkt eingesetzten Sonderermittler, einen sogenannten "Rechenschaftsbeauftragten", der kein Justizmitarbeiter ist, seit Monaten publik gehalten und so kommuniziert, dass ein direkter Einfluss der jeweiligen Premierminister auf die Entscheidung des Liegenschaftsamtes bestanden habe. Beweise wurden dafür, bis auf ein paar sehr schwammige Briefe, bisher noch keine präsentiert, man rechnet erst in den nächsten Tagen mit der offiziellen Anklageerhebung. Neben Gyurcsány sind vier weitere Personen verdächtig.

Gyurcsány erklärte mittlerweile, dass er auch freiwillig auf die Immunität verzichtet und bereit sei "für sich, seine Politik und gegen meine politischen Feinde zu kämpfen", auch "wenn mich Orbán und seine Staatsanwaltschaft ins Gefägnis stecken wollen." Gyurcsány erklärte das vorgehen des Generalstaatsanwaltes für "politisch motiviert" und "in der Sache unbegründet". Der ganze Fall sei absurd, das Verfahren ein Unrecht. Es stehe außer Frage, dass die Generalstaatsanwaltschaft als "verlängerter Arm" des Ministerpräsidenten fungiert. "Orbán folgt den Forderungen der radikalen Rechten."

Fidesz-Fraktionschef János Lázár forderte vom für die Aufhebung der Immunität zuständigen Parlamentskommittee, den Fall mit "Vorrang" zu behandeln, schleßlich ginge es um ein "Milliarden-Verbrechen", in das "erstmals seit dem Systemwechsel ein ehemaliger Ministerpräsident" verwickelt sei. Gleichzeitig verneinte Lázár, dass die Regierung irgendwelchen Druck auf die Judikative ausgeübt habe. Immerhin sei es einst der jetzige Fraktionschef der Oppositionspartei LMP gewesen, der die Ermittlungen angestoßen habe.

Sowohl Gyurcsány als auch sein parteiloser Nachfolger Bajnai, verklagten den Regierungskommissar Gyula Budai vor einigen Monaten wegen Verleumdung, weil der öffentlich behauptet hatte, sie hätten vor dem Untersuchungsausschuss falsche Aussagen getätigt. Der Prozess läuft gerade.

MSZP-Chef Attila Mesterházy wiederholte, dass er - nach jetzigem Kenntnisstand von der Unschuld Gyurcsánys überzeugt sei und die "Politjustiz des Fidesz neue Tiefen erreicht hat". Ein weiteres Mal zeige die Regierungspartei, dass ihr Rechtsstaat und Demokratie egal seien, so Mesterházy. Der Generalstaatsanwalt, Péter Polt, ist übrigens durch Premier Orbán ausgesucht und für neuen Jahre ernannt worden, er übte die gleiche Funktion auch schon unter der ersten Orbán-Regierung aus.

 

Gegen ehemalige sozialistische Funktionsträger sind eine ganze Reihe von Prozessen wegen Amtsmissbrauch, Korruption, Untreue, Betrug etc. anhängig. Die zahlreichen Verfehlungen von Mitarbeitern der Vorgängeradministration trugen wesentlich zum überwältigenden Wahlsieg des Fidesz bei, das die kriminellen Akte zum Anlass nahm, die sozial-liberalen Regierungen als "Diebesbande" zu klassifizieren. Das "Zur Rechenschaft ziehen" der "Veranwortlichen für die Katastrophe des Landes" ist ein zentrales Wahlkampfthema des Fidesz gewesen. Anhand der umfassenden Verantwortlichkeit, die man Gyurcsány für den Zustand des Landes zuschreibt, ist der Fall Sukoró daher nur ein eher kleiner Anlassprozess für eine eigentlich politische Abrechnung.

Zum Thema:

Ungarische Ex-Premiers prozessieren gegen Sonderermittler der Regierung - März 2011
http://www.pesterlloyd.net/2011_10/10klageBudai/10klagebudai.html

Immo-Prozess: Hunvald findet sich unschuldig - April 2011
http://www.pesterlloyd.net/2011_16/16hunvaldprozess/16hunvaldprozess.html

Monstercasino in Ungarn vor dem Aus? - Hintergründe, Jan 2011
http://www.pesterlloyd.net/2011_02/02kingscasino/02kingscasino.html

Der Pferdefuß der Demokraten - Feb 2011
Gyurcsány will schon "wieder" Ungarn retten
http://www.pesterlloyd.net/2011_08/08gyurcsanyRede/08gyurcsanyrede.html

Auf einem Auge blind - März 2011
Politjustiz: Fortgang von Korruptionsfällen in Ungarn
http://www.pesterlloyd.net/2011_10/10politaffaeren/10politaffaeren.html

Racheengel im Namen des Volkes? - Feb 2011
Orbáns Sonderermittler auf Sozialistenjagd
http://www.pesterlloyd.net/2011_08/08budaijagtDrPhil/08budaijagtdrphil.html

red.
 

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