Kleinanzeigen: effektiv und günstig

Hauptmenü

 

Sie möchten den PESTER LLOYD unterstützen?

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 18 - 2011  BOSNIEN 02.05.2011

 

Dodiks Privatstaat

Steht Bosnien-Herzegowina vor der Teilung?

Milorad Dodik, Präsident der Teilrepublik Republika Srpska (RS) in Bosnien, forciert weiter ein Referendum über die Abtrennung aus dem bosnischen Staatsverband. Damit erreicht die Staatskrise in Bosnien, das seit Monaten über keine Zentralregierung verfügt, einen neuen Höhepunkt. EU und Hochkommissar drohen Dodik mit Absetzung, doch die Angst vor Eskalation überwiegt deren Chancen. Eine Perspektive für das Land bleibt in den Sternen.

Dodik erwischt Bosnien in einer fragilen Phase

Milorad Dodik, Präsident der bosnischen Teilrepublik Republika Srpska (RS) ließ "sein" Parlament einen entsprechenden Beschluss über ein Referendum fassen. Dabei wird der Austritt nicht direkt erklärt, sondern über einen Umweg eingeleitet. Die Volksbefragung im Juni soll die Zuständigkeit der bosnischen Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaft für Bürger seiner Teilrepublik in Frage stellen. In der Konsequenz daraus müsste eine eigene Judikative entwickelt bzw. sich einer anderen angeschlossen werden.

Da Dodik damit direkt gegen das Friedensabkommen von Dayton verstößt, das nicht nur die territoriale Integrität, sondern - zumindest auch auf dem Papier - die judikative Geschlossenheit Bosniens garantiert, auch wenn die ethnische Trennung Realität ist, muss er mit der Gegenwehr der internationalen Gemeinschaft rechnen. Dodik, der seine Teilrepublik in gewisser Weise wie Privatbesitz verwaltet und dessen "Unterstützer" auch schon einmal persönlich für die Wiederwahl sorgten, begründet den Schritt damit, dass das 2003 geschaffene bosnische Gericht und die Staatsanwaltschaft "gegen die Serben", gemeint die bosnischen Serben, arbeitet. Er erwischt Bosnien dabei in einer besonders fragilen Phase, sechs Monate nach den letzten Parlamentswahlen hat sich aufgrund kleinlichster Parteistreitereien und größeren Kalküls immernoch keine Zentralregierung formieren können.

Inzko: Absetzung ist nicht ausgeschlossen

Valentin Inzko (Foto rechts), hat in seiner Funktion als UN- und EU-Bevollmächtigter Verwalter für Bosnien-Herzegowina eine Art Vetorecht über das komplizierte bosnische Regierungsgebilde. Er drohte bereits, dass die "Infragestellung der zentralen Gerichtsbarkeit" "nicht ohne Konsequenzen bleiben wird". Wenn Dodik das glaubt, dann "handelt er naiv." Der österreichische Diplomat sagte in einer Tageszeitung, dass er "die Macht seines Mandates" wenn nötig nutzen werde. Das schließe auch nicht die Absetzung von Präsident Milorad Dodik und Parlamentspräsident Igor Radojičić aus, erklärte Inzko auf Nachfragen. Er hoffe allerdings auf die freiwillige Einsicht der Beteiligten.

Karte von Bosnien und seiner Verwaltungsgliederung (zum Vergrößern draufklicken)

Dodik: halte mich an Verfassung und Volkswillen

Dodik hingegen zeigt sich stur, "wir sind auf eine Antwort vorbereitet", tönte er, der selbst nie um Antworten verlegen ist. Konkret wurde er nicht, aber eine ungefähre Drohung ist hörbar. Wer ihn in seiner selbstherrlichen und arroganten Art einmal erlebt hat, wie er z.B. gegenüber "ausgewählten" Journalisten Hof hält ("Nicht Sie, ich stelle hier die Fragen und gebe die Antworten"), zweifelt nicht an der Entschlossenheit dieses egomanen Nationalisten, der u.a. das Massaker von Srebrenica, das ja auf “seinem” Territorium liegt, noch im Vorjahr als "übertrieben" herunterspielt und sich 1995 auch für den Beschuss von Zagreb ausgesprochen hat. Am Freitag gab es wieder so eine typische Lehrstunde: "Ich halte mich nur an unsere Verfassung und den Willen der Bürger und bin nicht bereit, etwas gegen die Republika Srpska zuzulassen."

Nicht wenige, auch in der RS, werfen ihm vor, sich die Teilrepublik zu einem Privatstaat umgebaut zu haben. Dodik schreckte auch nicht davor zurück, Transparency International mal eben aus seinem Land zu werfen, weil ihm deren Geschnüffel auf die Nerven ging. Fairerweise muss man sagen, dass die Korruption in der RS nicht höher ist als anderswo auf dem Balkan, sie ist auch nicht niedriger, nur besser organisiert.

Forderungen der internationalen Gemeinschaft: frivol

Im Hintergrund geht es derweil hektisch zu, da man bei Abhaltung eines solchen Referendums, dessen Ergebnis international nicht anerkannt würde, mit enormen Spannungen in der Region rechnet. Offenbar schätzt man die Überlegung nicht als duchführbar ein, es auf eine Eskalation ankommen zu lassen, um Dodik loszuwerden. Der EU-Beauftragte, der Slowake Miroslav Lajcak, besuchte Ende letzter Woche Banja Luka, die Hauptstadt der RS, um auszuloten, ob Dodik noch irgendwie von dem Referendum abzuhalten sein könnte. Ihm gelang es nicht einmal, ihn zu einem gemeinsamen Statement über eine Fortführung von Gesprächen zu bewegen. Dodik ließ ausrichten, dass man die Vorbereitungen für das Referendum weiterführt, jede Forderung seitens der internationalen Gemeinschaft, die Nationalversammlung solle ihre Entscheidung zurücknehmen, ist unserilös, der geradezu "frivol".

Dodik nimmt den serbischen Präsidenten Tadic in den Schwitzkasten.

Serbien lehnt sich zurück

Der Präsident Serbiens, Boris Tadic, betonte vergangene Woche, bei einem Gipfeltreffen mit seinen Kollegen aus Bosnien und der Türkei, dass er "niemals einer Teilung von Bosnien-Herzegowina zustimmen werde", was - bis dahin - eine bemerkenswerte Aussage ist. Auch wird er keine derartigen Referenden, auch nicht seitens der RS, anerkennen. Die "Integrität des Landes" dürfe nicht in Frage gestellt werden, das Dayton-Abkommen werde von seiner Seite vollständig akzeptiert. Allerdings, so fügte Tadic schlau hinzu: erwarte er sich diese Einstellung auch "wenn es um das Kosovo" geht. Eine Anmerkung, die mehr aus Rücksicht auf die fragile Stimmung im eigenen Lande gemünzt sein dürfte, als persönlicher Überzeugung zu entsprechen.

Hingegen sieht Mladen Bosic, Chef der oppositionellen serbisch-demokratischen Partei SDS in der RS, Dodik durchaus in der Lage, das Parlament zur Rücknahme des Referendums zu beeinflussen, schließlich kontrolliere er die Mehrheit. Inzko machte inzwischen klar, dass es nur die zwei Möglichkeiten gibt: entweder Dodiks Parlament zieht die Entschiedung zurück oder die internationale Gemeinschaft wird das tun. Ein Referendum wird es jedoch nicht geben.

Keine Perspektive für ein geeintes Bosnien?

Wann es eine geregelte Staatlichkeit und endlich eine vollständige Unabhängigkeit Bosniens gibt, kann niemand sagen, da jede Gruppe weiter ihr eigenes Süppchen kocht, die Teilung eigentlich längst Realität geworden ist, was aus grundsätzlichen Überlegungen heraus bei UN und EU nur niemand laut eingestehen wird oder darf. Der Grund: Die RS könnte sich Serbien anschließen, das am Ende so die Kriegsergebnisse korrigiert bekommt, das wäre für die EU ein Sakrileg. Schon lieber lässt man alles im Ungefähren, auch wenn jeder sieht, dass bosnische Serben und der "Rest" des Landes zum Zusammenleben unfähig sind.

 

Dabei wäre es ein Irrtum, zu glauben, dass alle bosnischen Serben in der RS unbedingt zu Serbien oder zu einem autonomen Staat gehören wollten, viele fühlen sich durchaus als Bosnier, doch so lange in Nationalfarben gewandete Mafiosi auf der einen Seite das Sagen haben und auf der anderen Seite die EU ihre Glaubwürdigkeit durch die Unterstützung von Gestalten wie den kosovarischen Premier ruiniert, wird man sich kaum näher kommen können.

Es sieht so aus, dass die internationale Gemeinschaft dieses eigenartige Gebilde, den kranken Mann auf dem Balkan, so wie er ist, tatsächlich bis zum EU-Beitritt aufpeppeln und durchschleppen will, verbunden mit der Hoffnung, dass Geld und Zeit die Wunden heilen könnten. Das ist kein Konzept, das ist pure Hilflosigkeit.

red.
 

Sie möchten den PESTER LLOYD unterstützen?

LESERPOST & GÄSTEBUCH

 


 

 

 

IMPRESSUM