(c) Pester Lloyd / 20 - 2011
NACHRICHTEN 16.05.2011
Oberster Richter in Ungarn fürchtet um seinen Job
Der Präsident des Obersten Gerichtshofes, András Baka, hat gegenüber Medien
angedeutet, dass er fürchtet, die Fidesz-Regierung könnte die Umbenennung des Obersten Gerichtshofes in Kurie (Kúria) im Zuge der neuen Verfassung ab 2010 nutzen,
um sein Mandat vorzeitig zu beenden und einen anderen Richter an die Spitze des höchsten ordentlichen Gerichtes setzen.
András Baka, rechts, am Tag seiner Wahl und Vereidigung im ungarischen Parlament. Er war ein
Kandidat des konservativen Präsidenten László Sólyom, der mittlerweile durch den Fidesz-Parteisoldaten Pál Schmitt ersetzt wurde. Sólyom konnte “seinen” Kandidaten erst nach langem
Gezerre mit den 2009 regierenden Sozialisten durchsetzen.
Er sagte, dass es in einem
"demokratischen EU Land, dass rechtsstaatlich regiert wird, unakzeptabel wäre, allein die Frage aufzuwerfen, ob ein von der Parlamentsmehrheit eingesetztes
Oberhaupt eines Verfassungsorgans vor der Zeit abberufen wird." Dies sei selbst dann indiskutabel, wenn es rechtlich möglich wäre.
Offizielle Verlautbarungen, die darauf
hindeuten, dass Baka abgesetzt werden könnte, gab es bisher nicht, weshalb die starken Worte des Oberrichters mit einiger Verwunderung aufgenommen wurden. Baka wurde 2009 nach langem Zerren
zwischen den Fraktionen und dem Staatspräsidenten nach mehreren erfolglosen Versuchen der Einigung gewählt, auch mit den Stimmen des Fidesz. Beobachter gehen davon aus,
dass die Wortmeldung Bakas im heutigen politischen Klima der Regierung als genügende Provokation für seine tatsächliche Absetzung genügen könnte.
Maßgebliche Umbesetzungen bzw. komplette Gleichschaltungen der Institutionen gab es
bereits im Haushaltsrat, Medienrat, beim Amt des Staatspräsidenten, an der Spitze von Staatsbetrieben, der Handels- sowie der Tourismusförderungsagentur, in Ministerien und
an den Botschaften fand ein kompletter Kehraus statt. Die Rechte des Verfassungsgerichtes wurden beschnitten, die Leiter maßgeblicher Kulturinstitutionen
wurden abgelöst, anderen die Gelder gestrichen oder empfindlich gekürzt. Den Zentralbankchef konnte man bisher nicht ablösen, man strich ihm 80% des Gehaltes und
stellte ihm vier regierungsnahe Ökonomen zur Seite. Stiftungen u.a. für Förderung der Roma, der Filmbranche oder sozialer Natur wurden aufgelöst und werden in “neue
Systeme” überführt. Als nächstes kommen die Bildungseinrichtungen an die Reihe, auch hier soll "gestrafft" werden.
Der Begriff Kurie bzw. Kúria hat sich im Mittelalter für den päpstlichen Hof in Rom
etabliert, der höchste Richterrat im ständestaatlichen Ungarn hieß ebenfalls so, war aber kein ständiges Gremium. Die Wiedereinführung dieses Namens ist im Zusammenhang mit
der historisierenden, nationalistisch-konservativen Ideologie zu sehen, die im "neuen" Ungarn zur Schaffung einer alt-neuen Identität dienen soll und u.a. auch in der Verfassung
fragwürdige Kontinuitäten schafft.
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