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(c) Pester Lloyd / 24 - 2011  WIRTSCHAFT 15.06.2011

 

Paradoxe Energiezukunft

Weil Deutschland aussteigt, baut Ungarn die Atomkraft aus

Der Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie liefert Ungarn ein weiteres Argument für den Ausbau seines Atomkraftwerks in Paks, das bald auch Strom exportieren könnte. Der staatliche Energiekonzern MVM will außerdem ins Gasgeschäft und auf dem Balkan expandieren, wobei er mit der nun teilstaatlichen MOL in Konkurrenz tritt - oder bald gemeinsam marschiert.

Zwar ist die Entscheidung lange vor der Fukushima-Volte von Kanzlerin Merkel gefallen, doch der "steigende Druck" auf die Nachbarländer durch einen erhöhten Eigenbedarf Deutschlands lieferte dem ungarischen Minister für Nationale Entwicklung, Tamás Fellegi, ein willkommenes zusätzliches Argument für den sündteuren Ausbau seines bzw. des staatseigenen AKW in Paks.

Sieht man den Wald vor lauter Lämpchen nicht? - Blick in den Kontrollraum von Paks, an dem regelmäßig Besuchergruppen vorbeischauen - unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen,
versteht sich...

Die Alternative, so der Minister, bestünde lediglich in der massiven Erhöhung der Gasimporte. Jeder Realist weiß, dass dies derzeit nur über Russland realisierbar ist, Nabucco hin oder her. Wohin das führen kann, ist auch bekannt, Preis- und Lieferabhängigkeiten mit allen Unwägbarkeiten. Immerhin wird Ungarn seine neu erworbenen Aktien (21,2% von Surgut abgekauft) am heimischen Energiekonzern MOL nutzen, um die Diversifizierung und Interconnectierung der regionalen Energierversorgung voranzutreiben.

Der Chefmanager der staatlichen Elektrizitätswerke MVM, Csaba Baji, sieht im Ausbau des AKW Paks sogar die Möglichkeit, noch mehr Einfluss auf den "regionalen Energiemarkt" auszuüben. Schließlich könne man nach dem Ausbau konkurrenzlos billig Strom anbieten. Bereits heute erzeugt das einzige ungarische AKW 42% der in Ungarn verbrauchten Strommenge. Baji räumte ein, dass die endgültige Entscheidung über Laufzeitverlängerung und Ausbau zwar erst im September im Parlament gefällt werden soll, also nach Absolvierung der sogenannten "Stresstests", die Planungen dafür aber längst auf Hochtouren laufen.

 

Gedacht ist an eine Laufzeitverlängerung der vier bestehenden Blöcke um 20 Jahre sowie die Errichtung zwei neuer Blöcke. Dabei belegen fundierte Dokumente hauseigener Ingenieure, dass das gerade 110 Kilometer von Budapest entfernte AKW Paks schon bei relativ kleinen Vorfällen große Probleme bereiten kann und die Stresstests lediglich eine Datenmappe sein werden. 3-4 Milliarden EUR wird der Ausbau ungefähr kosten, für Erneuerbare Energien stehen - inkl. energieeffizienter Sanierung - rund 40 Mio. zur Verfügung, in einem Land voll von Thermalquellen, windigen Steppen und mit viel Sonne.

 

Aufhorchen ließ auch die Mitteilung des MVM-Chefs, dass der staatliche Stromkonzern ins Gasgeschäft einsteigen will. Auf den ersten Blick läuft das der MOL-Beteiligung entgegen, doch hinter den Kulissen munkelt man schon von einer Verschmelzung beider Riesen zu einem halbstaatlichen Energiemonster. Außerdem will MVM expandieren, man ziele dabei mit Beteiligungen, Übernahmen sowie Direktinvestitionen auf Kroatien, Rumänien sowie Bosnien und Herzegowina, möglich, dass man dort bald mit den ungeliebten Kollegen von Surgutneftegas wieder zusammentrifft.

red.

 

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