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(c) Pester Lloyd / 25 - 2011  POLITIK 20.06.2011

 

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MSZP-Parteitag: Ungarische "Sozialisten" vermeiden Entscheidungen

Der Sonderparteitag der MSPZ, am Wochenende in Budapest, hat aus Angst vor einer Spaltung, wiederum wichtige Weichenstellungen vermieden. Der Machtkampf zwischen Ex-Premier Ferenc Gyurcsány und seiner Plattform "Demokratische Allianz" verdrängt inhaltliche und personelle Erneuerungen weiter. Es werden Parolen der Einigkeit abgesetzt und man sonnt sich in minimal gestiegenen Umfragewerten.

Parteichef Attila Mesterházy (Fotos: MSZP, MTI Soós Lajos) beschwor vor den Delegierten eine "starke, vereinigte Linke", doch seine Rede konnte nicht über den tiefen Keil, hinwegtäuschen, den sein Vorvorgänger in die Partei treibt. Gyurcsány hält noch immer an einer parteiinternen Abstimmung fest, auf der Fragen wie z.B. die Direktwahl der Führung und ähnlich Formales behandelt werden sollen. Mit dieser parteiinternen Volksabstimmung will er seinen Machtanspruch und Einfluss festigen, in dem er sich als Reformator darstellt. Die Delegierten des Parteitages befürworteten jedoch mit einer Zweidrittelmehrheit, das Ansinnen der Gyurcsány-Plattform abzuweisen. Nicht durch Drohung mit Rausschmiss, sondern durch eine "Bitte um Rücknahme"...

Parteichef Mesterházy, der zunehmend als Marionette der hinter ihm stehenden alten Parteigranden fungiert, sprach davon, dass die Sozialisten eine "echte Alternative" zur "Mitte-Rechts-Regierung" böten, da sie “die Armen vertreten” und jene, denen "Freiheit und verfassungsmäßige Rechte etwas wert sind". Die aktuellen Umfragewerte von 28% (bei einem Institut, bezogen auf die zur Wahl entschlossenen Befragten, im Vergleich zu 52% Fidesz), sieht Mesterházy als gutes Zeichen, noch kurz davor stand die Partei schließlich bei unter 20% und wurde ihr eine Spaltung vorausgesagt. Gyurcsány sagte, er werde die Partei nicht spalten und auch nicht aus ihr austreten. Zu seiner Rolle in der Partei gab er sich weiter unbestimmt.

Ferenc Gyurcsány, Ex-Premier und heute Geisterfahrer der ungarischen Sozialisten...

Einige Präsidiumsmitglieder bemühten sich - in eher formalen Planspielen - um Möglichkeiten von strukturellen Reformierungen der Parteiarbeit. So solle mehr auf die Basis gehört werden, statt dass diverse Plattformen ihre eigenen Süppchen kochen (es gibt derer sieben!). Manche forderten einen deutlichen Linksruck und eine Abgrenzung zur neoliberalen Wirtschaftspolitik der Gyurcsány-Zeit. Letzterer wiederum hält an der Öffnung zur bürgerlichen Mitte fest, obwohl gerade er als Haupthindernis für derartige Kooperationen gilt. Einige Delegierte gingen mit ihm hart ins Gericht und warfen ihm vor, eine direkte politische Hilfe für Orbán zu sein.

Auch die "Lügenrede" vom Balaton 2006 war wieder Thema, da man gespannt darauf wartet, wer der "Verräter" gewesen ist, der die Rede an die Öffentlichkeit brachte, die den Niedergang der sozial-liberalen Regierungen einleitete und nicht zuletzt auch Auslöser dafür war, dass heute einer Partei die Alleinherrschaft realisieren kann. Gyurcsány behauptet das Leck zu kennen, will aber noch "eine Bestätigung seiner Identität", er sei sich noch nicht 100%ig sicher. Die Neugier der MSZPler ist so groß, dass sie sogar "den Teufel" um Hilfe baten. Parteichef Mesterházy wandte sich an den Fidesz-Innenminister Sándor Pintér mit der Bitte, alle bekannten Informationen zu "Balatonoszód", so der Name des Örtchens am Balaton, wo die interne Parteiversammlung stattfand, herauszugeben. Darin bekannte Gyurcsány das Volk systematisch belogen und mit Wahlzuckerln gekauft zu haben, um die Wahlen zu gewinnen. Pintér ist die Anfrage recht unangenehm, er wolle sich als Minister nicht in Interna der Opposition einmischen.

 

Insgesamt "gelang" es dem Parteitag, die eigentlichen Probleme der Partei wiederum durch Mutmachparolen und Einigeitsaufrufe zu verdecken. Leise Selbstkritik ist kämpferischem Trotz gewichen, die eigene Schuld an der Misere wird längst nicht als so schwerwiegend eingestuft wie die demokratischen Missetaten der heutigen Machthaber. Die MSZP hat es wieder geschafft, eine personelle und inhaltliche Erneuerung zu vertagen und auch die Frage nach der Rolle des stetig nach Macht dürstenden Gyurcsány unbeantwortet zu lassen. Die Unfähigkeit zum "reinigenden Gewitter" ist in erster Linie im Fehlen einer neuen, glaubhaften und gleichzeitig starken Führungspersönlichkeit begründet, die in der Lage wäre, die verfahrene Gemengelage bei den Altkadern aufzulösen und den Machtkampf gegen Gyurcsány zu entscheiden, der sich weiter als Pferdefuß der traditionellen Linken herausstellt und die gesamte Partei in Geiselhaft hält. Die MSZP ist längst gespalten, sich nur selbst noch nicht darüber bewußt.

red.

Hintergründe zum Thema:

Der Orbán der Linken - 19. Mai
Gyurcsány will die Opposition in Ungarn beherrschen
http://www.pesterlloyd.net/2011_20/20gyurcsMSZP/20gyurcsmszp.html

Prozess gegen Gyurcsány - 2. Mai
Immunität des Ex-Premiers wird aufgehoben - MSZP: Politjustiz
http://www.pesterlloyd.net/2011_18/18prozessgyurcsany/18prozessgyurcsany.html

Der Pferdefuß der Demokraten - 21. Feb
Gyurcsány will schon "wieder" Ungarn retten
http://www.pesterlloyd.net/2011_08/08gyurcsanyRede/08gyurcsanyrede.html

Selbstentsorgung - Feb 2011
Was macht eigentlich die ungarische Opposition?
http://www.pesterlloyd.net/2011_05/05opposition/05opposition.html

Die Republik der Bürger - Juni 2011
Bürgerprotest und neue Opposition in Ungarn - Teil I
http://www.pesterlloyd.net/2011_23/23republik1/23republik1.html

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