(c) Pester Lloyd / 34 - 2011 WIRTSCHAFT 25.08.2011
WIRTSCHAFT
Nachrichten aus Ungarn
Not-Kapitalerhöhung bei Airline Malév
Am Dienstag hielten die Anteilseigner der Malév, im wesentlichen also der ungarische Staat
bzw. das ungarische Vermögensamt MNV, eine außerordentliche Hauptversammlung ab, bei der eine weitere Kapitalerhöhung, diesmal um 18,5 Milliarden Forint, knapp 68 Mio.
EUR., beschlossen worden ist. Bereits im Juni schoss die MNV 4,5 Mrd. HUF ein. Das Stammkapital der Malév betrug Ende 2010 -22,5 Mrd. HUF, die Kapitalanhebung ist eine
gesetzliche Erfordernis, um die Gesellschaft weiter geschäftsfähig zu halten. Rund die Hälfte der neuen Mittel kommen als Bareinlage, der Rest als Kredite zu Marktzinsen, teilt
MNV mit. Die 2010 in höchster Not von einem russischen Insolvenzverwalter rückverstaatlichte Malév hat noch immer nicht die Trendwende geschafft und bleibt
weiter eine Belastung für den Steuerzahler. Zudem sprang kürzlich noch der mit der Sanierung beauftragte General Manager Martin Gauss ab, weil sein Arbeitgeber ihm das
Gehalt um fast Dreiviertel kürzen wollte. Ungarn hält an einer "nationalen Airline" fest und
sucht zu diesem Zwecke einen "strategischen Investor". Bisher meldeten sich jedoch nur exotische Airlines, die es mehr auf die EU-Start- und Landelizenzen der Fluglinie
abgesehen haben, statt auf den defizitären Betrieb selbst.
Staatsbahn begibt staatlich garantierte Anleihe
Die ungarische Staatsbahn MÁV wird in diesem Jahr noch rund 35 Milliarden Forint an
Anleihen begeben, um seine Finanzdefizite (vorerst) auszugleichen. Die Regierung unterstützt diese Anleihen durch eine Staatsgarantie, da sie sonst dem
heruntergewirtschafteten Unternehmen kein Mensch abkaufen würde. Das Geld wird dringend gebraucht, es läuft dazu eine öffentliche Ausschreibung, die Anleihen lauten auf
maximal drei Jahre. Im August beschloss der Staat zudem, die Gesamtschulden der MÁV von über 300 Milliarden Forint (ca. 1,2 Mrd. EUR) zu übernehmen und damit "die
entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Restrukturierung" des Staatsbetriebes zu machen. Schon ab 30. September will man so weit sein, dass die MÁV "keine neuen
Schulden" macht, heißt es optimistisch aus dem Nationalentwicklungsministerium. Ähnliches hat man auch mit der ebenso defizitären BKV, dem Budapester Nahverkehrsbetrieb vor.
Wettbewerbsstrafe gegen Auchan wegen "falschem Hungarikum"
Der Einzelhandelskonzern Auchan hat in Ungarn eine Wettbewerbsstrafe von 30 Mio.
Forint, rund 110.000 EUR abgefasst, weil es fälschlicherweise Produkte als "Hungarikum" gekennzeichnet hatte, die nach Auffassung des Wettberbsamtes GVH nicht dazu gehören.
Auchan kündigte umgehend gerichtlichen Einspruch an, da es keine gesetzliche Regelung darüber gibt, welche Produkte man als "Hungaricum" oder "ungarisches Produkt"
bezeichnen dürfe und ob man folkloristische Motive darauf verwenden darf oder nicht. Auchan hatte eine ganze Reihe von Produkten unter "Auchan Hungarikum", bedruckt mit
Folklore-Motiven, angeboten, wohl, um der landesweiten Stadl-Welle zu folgen. Als Hungaricum schlossen sich informell Hersteller traditionell bekannter ungarischer Produkte
zusammen, z.B. Paprika aus Kalocsa, Pick-Salami etc.
Ungarische Universitäten hätte gerne mehr ausländische Studenten
Während Österreich über den Ansturm deutscher Studenten auf seine Unis und
Hochschulen schimpft und finanziellen Ausgleich fordert, waren die Deutschen und andere ausländische Studenten in Ungarn bisher immer als Cash-Cows für die Kofinanzierung der
Hochschulen willkommen. Obwohl die Nachfrage steigt, kann Ungarn jedoch nicht viel mehr als rund 2.000 ausländische Studenten pro Jahr aufnehmen, da es schlicht an
Lehrern und Bildungsinfrastruktur mangelt, beklagte jetzt der Hochschulverband. Vor allem im medizinischen Bereich gäbe es viel Potential. Derzeit, so rechnet die
Wirtschaftszeitung Világgazdaság vor, bringen 6.200 ausländische Studenten dem Land pro Jahr 24 Mrd. Forint bzw. knapp 90 Mio. EUR ein. Daher müsse auch der Staat etwas für
den Ausbau der Hoschullandschaft tun. Der will im Hochschulbereich aber massiv kürzen und nur mehr "produktionsbezogene und gesellschaftlich nützliche" Studiengänge fördern.
Senkung der Áfa auf Lebensmittel vom Tisch
Das Wirtschaftsministerium hat Pläne, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel im Interesse
der untersten Einkommensschichten zu senken, als zu teuer zurückgezogen. Die zunächst vorgeschlagene, schrittweise Reduzierung der Steuersätze um bis zu 5 Prozentpunkte
würde den Staat jährlich rund 900 Mio. EUR Einnahmen kosten, das kann er sich nicht leisten, hieß es lapidar aus dem Ministerium. Die Idee einer Entlastung der
Lebensmittelpreise war aufgekommen, nachdem sich herausstellte, dass die unteren Einkommen und damit die Mehrheit der Arbeitnehmer nicht von der neuen Flat tax
profitieren und Einkommenseinbußen hinnehmen mussten. Die Regierung will die Arbeitgeber nun in einem Gesetz zu Lohnerhöhungen zwingen, sie andernfalls von öffentlichen Aufträgen ausschließen.
Banco Popolare Ungarn gibt auf
Die ungarische Tochter der italienischen Banco Popolare wird offensichtlich bald verkauft,
eine Konsequenz aus der schlechten Kredit- und Wachstumsperformance in dem Land nach der Krise. Man werde die Tochtergesellschaft, die über rund 170 Mio. EUR Mittel verfügt,
an ein ungarisches Unternehmen verkaufen. Die viertgrößte italienische Bank wird auch den kroatischen Markt verlassen, heißt es inoffiziell aus der Zentrale. In Ungarn wurde
bereits die Allianz Bank verkauft, die Raiffeisen und die Erste schlossen Filialen, die Bayern LB wird die MKB-Beteiligung abstoßen und auch die Österreichischen Volksbanken haben
ihr Osteuropa-Geschäft verkauft.
Neue Fernsehzentrale wird nun gekauft statt gemietet
Die neue Zentrale des Staatlichen Ungarischen Fernsehens MTV in der Kunigunda Straße
(Foto vom Entwurf) in Óbuda wird den Steuerzahler rund 22 Milliarden Forint kosten (rund 80 Mio. EUR). Das meint László Balogh, Staatssekretär im Ministerium für Öffentliche
Verwaltung. Damit fahre der Steuerzahler deutlich günstiger als mit dem Modell, dass sich "die Sozialisten" zurechtgelegt hatten. Diese wollten das Objekt im PPP-Verfahren von
einem Privatinvestor bauen lassen und dann für 40 Jahre mieten zum Gesamtpreis von gigantischen 130 Milliarden Forint (477 Mio. EUR). Die neue Regierung habe das in
langwierigen Verhandlungen ändern können. Der Erwerb soll in eineinhalb Jahren vorgenommen werden, zum Teil mit Krediten finanziert. In dem Gebäude soll jedoch nicht
nur das Fernsehen untergebracht werden, sondern zentral alle "öffentlich-rechtlichen" Medien. Da dafür der Platz nicht ausreicht, habe der Staat in der Nähe noch eine Fläche
von 43.000 Quadratmeter erworben.
Staat will Altersgrenze für Kreditnehmer
Staat und Banken fürchten offenbar, dass ihnen bei der jetzt gesetzlich verankerten
Möglichkeit einer Streckung der Frankenkredite die Schuldner wegsterben könnten. Wie berichtet, können Kreditnehmer in Zahlungsschwierigkeiten ihren Wechselkurs zum
Franken einfrieren lassen (180 Forint je Franken) und die Differenz zum tatsächlichen Kurs (locker über 250) in einen gesonderten (Forint)-Kredit an die Laufzeit des ersten
anhängen lassen. Das Finanzministerium schob nun jedoch ein Dekret nach, wonach alle Kreditnehmer ihre Verpflichtungen bis zur Vollendung des 75. Lebensjahres erfüllt haben
müssen. Die Frage stellt sich. Was, wenn nicht? Will man den alten Herrschaften dann zum runden Geburtstag den Gerichtsvollzieher ins Haus schicken?
Jeder zehnte Tourist in Österreich kommt aus Osteuropa
Osteuropa ist für die Österreicher der wichtigste Zuwachsmarkt im Tourismus. 1995
stammten erst 4% der ausländischen Gäste aus CEE-Ländern, 2010 waren es bereits mehr als 10%", analysierte die Österreich-Werbung. Während man bei den Besuchergruppen aus
Westeuropa und Übersee für die kommende Zeit ein Wachstum von maximal 2,5% erwartet, sollte der Zuwachs aus Osteuropa bei 6-8% liegen können, hoffen die
Tourismus-Strategen. 2/3 der Gäste kommen übrigens im Winter nur 1/3 im Sommer. "Österreich ist beim Winterurlaub überall in CEE die Nummer 1. Eine Position, die es
angesichts der stark wachsenden Konkurrenz von Südtirol, aber auch eigenen Skigebieten in Polen oder der Slowakei zu verteidigen gilt" heißt es von den Werbestrategen.
red.
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