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(c) Pester Lloyd / 35 - 2011  WIRTSCHAFT 01.09.2011

 

Vorgeführt

Banken in Ungarn fürchten sich vor weiteren Bürden

Die ungarischen Banker zeigten sich bass erstaunt über die Bemerkungen des Regierungschefs, der in seinem gestrigen Radiogespräch eine Teilung der Kosten für die Rettung von in Not geratenen Schuldnern von Fremdwährungskrediten zwischen Staat und Banken einfordert und für den Herbst entsprechende Maßnahmen als "Top-Priorität" angekündigt hat. Man zahle schon für alles und jeden, hieß es von den Banken und zeigte sich genervt davon, wieder erst durch die Medien von neuen Plänen der Regierung zu erfahren.

 

Man habe keine Kenntnis über weitergehende Abkommen mit der Regierung, hieß es ziemlich pikiert von der Ungarischen Bankenvereinigung, die auf das gerade anlaufende Nothilfepaket der Regierung (eine Auflistung der Hilfsmaßnahmen finden Sie hier) sowie auf die "enorme" Zusatzbelastung durch die Finanzsondersteuer verweis. Bisher habe es keine Information durch einen Offiziellen gegeben, verlautbarte die Bankenvereinigung sichtlich verärgert, denn sie war im letzten Jahr öfter als zuvor gewohnt von der Regierung links liegen gelassen worden und erfuhr von wichtigen gesetzlichen Neuerungen häufig erst aus dem Amtsblatt.

"Banken tragen die Hauptlast..."

Die Lobbyvereinigung der in Ungarn operierenden Banken ließ durch ihren Sprecher auch ausrichten, dass das Nationale Vermögensamt im Rahmen des Rettungspaketes bis 2014 rund 5.000 Häuser von in Not geratenen Kreditnehmern, die sonst zwangsversteigert würden, "weit unter dem Marktwert" erwerben wird, womit die Banken einen weiteren Anteil leisten. (Anm.: zuvor waren Zwangsversteigerungen per Moratorium ganz unmöglich und es steht auch auf einem anderen Blatt zu welchem Preis die Banken solche Immobilien auf dem freien Markt verkaufen könnten).

Weiterhin dürften Banken für die beschlosse Fixierung des Wechselkurses zu Fremdwährungen, Kreditvertragsänderungen oder die vorzeitige Rückzahlung der Kredite keinerlei Gebühren oder Ausfallzahlungen einheben, müsste die Notariatskosten selbst aufbringen sowie dem Staat eine "Garantiegebühr" überweisen. Dies, zusammen mit der Bankensteuer und der Abschreibung der Totalausfälle, sei eine außerordentliche Last für die Finanzwirtschaft.

Allein die Bankensteuer brachte dem Staat in diesem Jahr bisher 120 Milliarden Forint (rund 430 Mio. EUR) ein, während die bisherigen Kosten für das Hilfsprogramm lediglich 2 Mrd. Forint an Kosten für den Staatshaushalt verursacht hätten. Daran sieht man, wie ungerecht die Lasten verteilt seien. Im ersten Halbjahr 2011 hatten - trotz aller Belastungen - fast alle in Ungarn tätigen Banken Gewinne erwirtschaftet, die häufig über denen des Vorjahres lagen.

Rettungspaket mit Pferdefuß

Die Banken geben bisher nicht an, wieviele ihrer Kreditkunden die Fixierung der Wechselkurse (180 zum Schweizer Franken) in Anspruch nehmen wollen, was zwar den Vorteil vorhersagbarer Raten hat, die Kredite aber maßgeblich verlängert, wird die Differenz zum echten Wechselkurs doch in einen gesonderten Forintkredit an die Laufzeit des eigentlichen angehängt, was für die Rückzahlungszeiten verlängern würde, in manchen Fällen von 15 auf 30 Jahre. Außerem ist das "Hausrettungsprogramm" nur für einen sehr kleinen Teil der Kreditnehmer zugeschnitten, die bestimmte Bedingungen erfüllen müssen, um in den Genuss der zweischneidigen Hilfen zu kommen.

Die Bankenvertreter gaben der Regierung zudem einen Hinweis, in dem sie meinten, derzeit sei die Verschlechterung der Kreditportfolios weniger auf die Kursschwankungen als auf die anhaltende Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Die ohne Job haben die wirklichen Probleme, lässt ein Vertreter der Bankenvereinigung wissen. Im übrigen wartet die Branche nun auf ein Gespräch mit dem Premier oder einem Fachminister, um sich die Andeutungen im Rundfunk erläutern zu lassen.

Eine ganz aktuelle Umfrage des Meinungsfoschungsinstitutes Tarki ergab, dass rund 20% der Ungarn Schwierigkeiten haben, ihre Rechnungen zu bezahlen, 6% hängen bei ihren Hypothekenkrediten hinterher, das wären absolut rund 600.000 Menschen. Die "Blacklist" der Kreditgeber weist indes insgesamt schon mehr als 850.000 Kreditverträge als notleidend aus, die Abschreibungsrate (Rückstellungen) bei den Banken liegt, je nach Institut bei 8 bis 15%, 13,5% sind es derzeit bei der größten Bank, der OTP, der höchste Stand bisher, höher als in der unmittelbaren Krisenzeit. Dreiviertel derjenigen, die Probleme haben, ihre Kredite zu bedienen, sind auch mit den alltäglichen Rechnungen im Rückstand, so das Ergebnis der Befragung. Die Betroffenen haben Interesse an und Vertrauen in die Politik verloren, Angst vor schlechter Gesundheitsversorgung und fühlen sich aufgrund ihrer Armut an den Rand der Gesellschaft gedrängt.

Grob fahrlässige Kreditverträge

In den sogenannten Boomjahren vor der Krise 2008 konnte man in Ungarn für fast alles und fast immer ohne ausreichenden finanziellen Hintergrund Kredite bekommen, der Abschluss auf Basis des Schweizer Franken war wegen der niedrigen Zinsen besonders attraktiv, Banken und Kunden handelten hier grob fahrlässig, erstere womöglich vorsätzlich und sie waren auch die Profiteure dieser Konstrukte und sind es bis heute. Seit der Orbán-Wende werden (vor allem die ausländischen) Banken von der Regierung gerne als Prügelknaben eingesetzt, sie bluten zu lassen und mit Schnellgesetzen und -verordnungen zu düpieren, kam beim Volk gut an, das nur langsam dahinter kommt, dass es am Ende doch jede Zeche selbst zahlen wird.

red.

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