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(c) Pester Lloyd / 35 - 2011  POLITIK 02.09.2011

 

Verbissen

Ex-Regierungschefs von Ungarn wieder vor dem Staatsanwalt

Die ehemaligen ungarischen Regierungschefs, Ferenc Gyurcsány und Gordon Bajnai, wurden in dieser Woche ein weiteres Mal von der Staatsanwaltschaft in der Sache der Grundstücke für das einst geplante King´s Casino am Velence See angehört. Sie sprechen von einer “Farce”, die Regierenden haben sich in den Fall jedoch hoffnungslos verbissen.

Mit Unschuldsmiene und schon mal probeweise in gestreiftem Hemd. Ferenc Gyurcsány nach seiner Anhörung am Donnerstag, die er als “politischen Zirkus” bezeichnet. Foto: MTI

Bei der Anhörung sollten ihnen, so die offizielle Auskunft, Dokumente vorgelegt werden, die den Vorwurf des Amtsmissbrauchs und der illegalen Einflussnahme bei der Vergabe und der Bewertung der mit dem Investor getauschten Grundstücke in Sukoró zum Schaden der Republik belegen sollen. Gyurcsány erklärte nach der Einvernahme vor Journalisten, dass alle Vorwürfe absurd und rein politisch motiviert seien und er schon sehr überrascht wäre, wenn der Generalstaatsanwalt mit einem "haltbaren Beweis" aufwarten könnte. Er werde sich der Sache jedoch offensiv stellen um diesen "juristischen und politischen Skandal" zu bekämpfen. Dazu wünscht er, dass das Parlament endlich seine Immunität aufhebt.

Er, wie auch sein Nachfolger Gordon Bajnai, der am Mittwoch vor dem Staatsanwalt aussagte, behaupten weiterhin, dass das Projekt, so es denn stattgefunden hätte, ökonomischen Nutzen erbracht hätte, "Millionen von Touristen und 2.500 Jobs". Die Gegend um den Velence See ist zum großen Teil Landschafts- und Naturschutzgebiet, der israelisch-ungarische Investor konnte nur mit hohem politischen Einfluss ein solches Megaprojekt in dieser Gegend umsetzen, da sind sich Beobachter einig, nur nicht darüber, wie weit nach oben dieser reichte und wie illegal er wirklich war.

 

Dass Politiker bereit waren und sind, für vermeintlich prestigereiche Investitionen und Arbeitsplätze Vergabekriterien zu beugen und den Wettbewerb auszusetzen, ist nichts neues, sondern eher Kennzeichen der gesamten Transformation im Osten, dabei muss nicht einmal immer eine persönliche Vorteilnahme eine Rolle spielen. Es ist auch bekannt, dass es der Orbán-Regierung bisher nicht gelungen ist, einen hieb- und gerichtsfesten Straftatsbestand für den zum Hasssmybol aufgebauten Vorgänger zu finden, weshalb man sich in den Fall ziemlich verbissen hat, manche meinen, sogar schon langsam zum Schaden der eigenen Sache.

Es ist einfach zu offensichtlich, dass der damit befasste Generalstaatsanwalt Péter Polt ein alter Orbán-Freund ist und an gleicher Stelle bereits in desse erster Regierungszeit tätig war. Während man die Opposition in den ersten Monaten seit dem Machtwechsel mit den beständigen Vorwürfen, sie seien eine kriminelle Clique, durchaus lähmen und das Volk gleichzeitig beeindrucken konnte, wird der “Zirkus” (Gyurcsány) im Zusammenhang mit den Misserfolgen der Realpolitik immer unglaubwürdiger. Ja allmählich scheint Gyurcsány politisch sogar wieder davon zu profitieren.

Eine besonders eigentümliche Rolle spielt in der ganzen Aufarbeitung der von Orbán persönlich ernannte Sonderkommissar Gyula Budai, der sich - ohne mit irgendeiner judikativen Kompetenz ausgestattet zu sein - als Ankläger und Richter aufspielt und in etlichen Fällen für medial unterstützte Vorverurteilungen gesorgt hat. Seine Attitüde erinnert in gewisser Weise an die Bezichtigungen diverser Schauprozesse und Politkommissare der unrühmlichen, jüngeren Vergangenheit des Kontinents. Bajnai und Gyurcsány klagen gegen ihn bereits, andere Opfer können sich nicht so effizient wehren, wie dieser sehr aktuelle Fall eines mittelständischen Landwirtschaftsbetriebes zeigt.

Die "Abrechnung mit den Vorgängern" ist ein zentrales Wahlversprechen und Ablenkungsinstrument dieser Regierung, die versucht, Versagen zu Verbrechen umzudeuten und dies zur Not auch mit Mitteln, die dem Rechtsstaat Hohn sprechen, wenn sie dafür das "Gerechtigkeitsgefühl des Volkes" treffen. So gab es kürzlich Andeutungen, man könne Gesetze schaffen und rückwirkend anwenden, die u.a. die Anhäufung von Staatsschulden zur Straftat erklären. Selbst in den eigenen Reihen schüttelten darauf Politiker, erst Recht Juristen die Köpfe, weshalb die Idee zunächst halbherzig verworfen wurde. Dabei sitzen Dutzende Amtsträger der Vorgänger bereits auf den Anklagebänken des Landes, als Zeugen für die Frevel der vorherigen Ära und ausgestattet mit umfangreichen Anklageschriften - nur eben noch nicht die Regierungschefs.

Die ganze Story gibt es hier: Schuld und Bühne: Wie die neuen Machthaber in Ungarn drei Ex-Ministerpräsidenten ins Gefängnis bringen wollen

red., Fotos: TV2
 

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