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(c) Pester Lloyd / 35 - 2011  WIRTSCHAFT 31.08.2011

 

Volksanleihe im Hinterstübchen?

Premier Orbán schielt auf die Sparguthaben der Ungarn

Ministerpräsident Orbán kündigte am Mittwoch in einer Radiosendung baldige weitere Schritte zur Reduzierung der Staatsschulden an, "die, die Schuldenquote des Staates um mehrere Prozentpunkte senken werden." Neben Wiederholungen früherer Statements deutete Orbán auch an, dass man die Sparguthaben der Bevölkerung gerne "in die Staatsfinanzen einbeziehen" würde, wenn es weiter den Konsum verweigert. Das sollte hellhörig machen.

Diesen Stahlring erhielten Zeichner der Kriegsanleihen von Österreich-Ungarn ab 1914. Kisten davon stehen noch in den Kellern beider Finanzministerien, man könnte sie - leicht modifiziert - bald einer neuen Verwendung zuführen...

Um neue Maßnahmen handelt es sich beim "Krieg gegen die Schulden" nicht, es werden lediglich, wie schon angekündigt, Beträge aus den beschlagnahmten privaten Beiträgen zur Rentenversicherung, die derzeit auf einem Sonderkonto geparkt sind, zur Schuldentilgung in den Staatshaushalt gebucht. Schon im Jahre 2012 soll die Schuldenquote von derzeit rund 80 auf dann 70% des BIP abgesenkt sein, Ende 2014 will man sich dann schon "näher an 60 als an 70% bewegen", meinte der Premier im Staatsradio, was eine Abmilderung früherer Pläne bedeutet, wo die 60% klar als Zielmarke genannt wurden. Die vom Fidesz geschaffene Verfassung schreibt indes 50% als Obergrenze vor, einen Zeitplan dafür gibt es jedoch nicht, Orbán nahm die Zahl nicht einmal mehr in den Mund, was auch ein Hinweis darauf ist, dass man die Obergrenze nur installiert hat, um die daran gekoppelte Einschränkung der Kompetenzen des Verfassungsgerichtes längerfristig aufrecht zu erhalten.

Orbán wiederholte, dass Ungarn mit der Geschwindigkeit der Schuldenreduzierung einen Weltrekord aufstellen und in diesem Jahr, neben Schweden, das einzige europäische Land sein wird, dass seinen Schuldenberg verkleinern kann. Bereits für das nächste Jahr sehen viele Experten jedoch schwarz, gerade kamen die neuesten Zahlen für die Inlandsinvestitionen heraus, sie liegen nochmals 6,5% niedriger als im Vorjahr und sind damit ein bedrückender Indikator für die Entwicklung der Wirtschaftsleistung. Orbán indes posaunt im Radio weiterhin davon, dass das ungarische BIP-Wachstum "über dem europäischen Schnitt liegt", ohne dabei zu sagen, dass Ungarn aus einem viel tieferen Tal kommt als die meisten anderen Staaten. Überhaupt verging die meiste Zeit des Radiogespräches mit Eigenlob, Selbstbehauptung und der Betonung des "ungarischen Weges".

 

"Wir werden die Krise besiegen, daran gibt es keinen Zweifel", so der Regierungschef, allerdings wird es keinen "schnellen Ausweg geben", die EU werde noch 8-10 Jahre mit ihrer "ernsten ökonomischen Krise" zu kämpfen haben. Auch diese Einschätzung ist die Wiederholung eines gerade vor seinen Diplomaten vorgetragenen Statements. Man arbeite nun daran, die "Transformation des Landes zu beschleunigen". Schon in den nächsten Tagen (bei der Regierungs- und Fraktionsklausur) werde man in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Kommunalverwaltung und Wirtschaftsförderung Neues hören. Vor allem auf letzgenanntes warten die Betroffenen schon seit Monaten. "Wir werden es nicht zulassen, dass auch nur ein Forint verschwendet oder unnötig ausgegeben wird oder auch nur eine Person mehr als nötig im Staatsapparat arbeitet, - weil wir uns das nicht leisten können." ließ der Regierungschef die Radiohörer wissen. Weitere Sparmaßnahmen will er dem Volk aber nicht zumuten, sagte er in einem Nebensatz.

Er behauptete zudem, dass "viele ungarische Haushalte in Ungarn heute mehr Geld in ihren Taschen haben als vor einem Jahr" (er sagte "viele", nicht "die Mehrheit", denn es ist tatsächlich eine Minderheit), für den schwachen Konsum könne die Regierung nichts, denn es sei nicht "unsere Sache, den Familien zu sagen, ob sie ihr Geld ausgeben sollen oder nicht." Tatsächlich können sie es auch nicht, denn die meisten Familien sind durch die hohe Inflation bei Lebensmitteln (Brot +30%, Mehl +60%) und die gefährlich steigenden Belastungen durch Fremdwährungskredite ohnehin am Rande der Zahlungsunfähigkeit.

Orbán verlangt hier, ohne konkrete Gesetzesvorlagen anzukündigen, dass sich Banken an den Belastungen aus Wechselkursschwankungen mit beteiligen sollten, so wie sie an diesen Schwankungen ja auch verdient haben. Es sei zwar wichtig, aber zu kurz gegriffen, dass man - so wie der Nationalbankchef - die Glaubwürdigkeit gegenüber dem internationalen Finanzmarkt betont, man dürfe nämlich dafür "keinen ungarischen Bürger am Straßenrand liegen lassen.", sagte Orbán mit einem Seitenhieb auf seinen Intimfeind, Nationalbankgouverneur András Simor. Er pries das "Hausrettungsprogramm" der Regierung, das nun, ab September zu greifen beginnen soll.

Die wichtigste Aussage in der Sendung "180 Minuten" kam aber ganz zum Schluss: "Wenn die Menschen heute ihr Geld lieber sparen, dann denke ich, dass es eine Möglichkeit wäre, dass dieses Geld eine Rolle bei den Staatsfinanzen spielen könnte... Man könnte zum Beispiel Staatsanleihen direkt an die Bevölkerung verkaufen...", so Orbán. Eine Aussage, die Kenner der bisherigen Vorgehensweise der Regierung (Stichwort private Rentenbeiträge) zwangsläufig hellhörig macht und auf den Gedanken bringt, Orbán könnte im Hinterstübchen bereits Planspiele vollführen, das Volk mit mehr oder weniger sanftem Druck dazu zu "motivieren", dem Staat Zugriff auf dessen Sparguthaben zu ermöglichen, mit einer Art National- oder Volksanleihe im Krieg gegen die Schulden, wenn es sein Geld schon nicht selbst ausgeben will, um so das Steueraufkommen zu erhöhen. Während MTI die Andeutung Orbáns Satz in einer Zusammenfassung noch brachte, strich ihn das Fidesz auf seiner offiziellen Parteiseite lieber heraus, was geübte Bürger eher beängstigen als beruhigen sollte.

red.

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