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(c) Pester Lloyd / 39 - 2011  WIRTSCHAFT 01.10.2011

 

Halbherzig

Wie Ungarn von Zwangsräumung bedrohten Bürgern helfen will

Ein Teil des im Mai als “nationaler Rettungsplan” postulierten Hilfspaketes für in Not geratene Forex-Hypothekenkreditnehmer sieht die "temporäre" Übernahme von bis zu 5.000 Eigenheimen bzw. Eigentumswohnungen durch den Staat vor. Dazu wurden nun Details der Umsetzung bekanntgegeben, der Plan stellt sich als halbherzig heraus. Einige nicht unwichtige Fragen bleiben jedoch offen. Manche hegen den Verdacht, der Staat hilft mehr den Banken als den Bürgern damit. Doch was wäre die Alternative?

Ziel ist es, den "Schuldnern zu ermöglichen, weiter in ihren Immobilien als Mieter zu wohnen, bis ihre Finanzistuation konsolidiert ist", beschrieb es der neue Regierungsprecher András Giro-Szász am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Budapest. Was geschieht, wenn sie das nicht mehr wird, blieb offen.

Verdeckte Bad-Bank für ungarische Kreditinstitute?

Nach der jetzt veröffentlichten Durchfühfungsverordnung soll der Erwerb der 5.000 Immobilien bis 2014 durch eine eigens gegründete Liegenschaftsfirma, NET, abgeschlossen sein. Der Staat werde den Banken 35-55% des Verkehrswertes der Immobilie anbieten, abhängig von der Lage. Die Bank profitiert, da es sich bei den Fällen um solche handelt, deren Kredite sonst womöglich in Gänze abgeschrieben werden müssten, was dem Vorhaben bereits den Vorwurf der verdeckten Umverteilung zu Gunsten ungarischer Banken eingebracht hat. Denn die NET ist in ihrer Entscheidung, welche Immobilien man ankauft, vollkomen frei, so gibt es keinen Anlass, österreichische Kreditgeber von uneinholbaren Krediten zu befreien. OTP und FHB, die führenden Hypothekenbanken könnten so am meisten profitieren. Der Staat würde als eine Art Bad-Hypo-Bank auftreten. Bereits durch das Kreditablösegetz hatte sich der Staat ja - wenn auch indirekt - als Lobbyist seiner eigenen Banken geoutet.

5.000 Famlien ab 2 Kindern wird geholfen - und was macht der Rest?

Der soziale Aspekt ist jedoch nicht zu unterschätzen, immerhin könnten so rund 5.000 Familien vor der Zwangsräumung bewahrt werden, lautet das Gegenargument. Vor einem Räumungsmoratorium der heutigen Regierung wurden bereits tausende Familien "delogiert", das neue Programm ist auch eine Antwort darauf, dass dieses Moratorium in einem Deal mit den Banken schrittweise aufgehoben wird. Eine Alternative zu staatlichem Eingreifen gibt es nicht, wenn man nicht weitere soziale Verelendung und Unzufriedenheit riskieren will.

Die Miete für die Bewohner wird vom Staat festgesetzt werden und sich nach der "sozialen Situation", gemeint wohl eher die finanziellen, richten. Es hätte schließlich wenig Sinn eine Miete einzuheben, die so hoch ist wie die bisherige Kreditrate. Die Mieter können die Immobilie dann wiederum käuflich vom Liegenschaftsamt erwerben, zum gleichen Preis wie es dieses von den Banken gekauft hat + Zinsen, die sich nach dem Leitzinssatz der MNB (derzeit also 6%) richten. Rückkaufanträge können frühestens 6 Monate nach Erwerb der Immobilie durch den Staat gestellt werden. Über eine Inflationsanpassung für den Kaufpreis wurde nichts berichtet.

Für die Teilnahme an diesem Sozialprogramm sind ausschließlich Haushalte vorgesehen, in denen wenigstens zwei minderjährige Kinder leben und deren Eltern mit Arbeitslosen- bzw. Sozialhilfe auskommen müssen. Wer in der gleichen Situation ist und ein Kind hat, mag also rausfliegen dürfen? - Der nicht mehr bezahlbare Kredit muss weiterhin vor dem 30. Dezember 2009 aufgenommen worden sein und darf nicht höher als 15 Mio. Forint (rund 50.000 EUR) in Budapest und anderen Komitatshauptstädten, nicht höher als 10 Mio. Forint (ca. 35.000 EUR) in der Provinz sein. Zudem muss sich die Kreditsumme in einem Band zwischen 25 und 80% des Verkehrswertes der Immobilie bewegen.

Der Vorstandschef der staatseigenen NET, Tamás Csillág, erklärte, dass das Unternehmen über 100 Mio. Forint (ca. 350.000 EUR) eingetragenes Kapital und Reserven von knapp 2 Mrd. Forint (6,8 Mio EUR) verfügt. Das Programm bedarf jedoch, angenommen die Regierung kauft Immobilien zur Hälfte in den Hauptsstädten, zur Hälfte auf dem Land auf, 62,5 Mrd. Forint, rund 40-50 Mrd. lautet die offizielle Planung der Regierung. Durch die Miet- und Zinseinnnahmen hofft der Staat, mit einer ungefähren 0 aus dem Programm aussteigen zu können. Die operativen Kosten werden mit rund 3 Mrd. Forint für 2012 angegeben.

Wie verhindert man Missbrauch - was geschieht mit dauerarmen Mietern?

Klärungsbedarf besteht auch bei der Frage nach möglichem Missbrauch, immerhin könnte trickreiche Makler auf die Idee kommen, direkt auf verarmte Familien "in guter Lage" zuzugehen und sie ermuntern, sich vom Staat aus ihrem faulen Kredite herauslösen zu lassen. Durch Taschenverträge könnte man die Immobilie im Anschlusss zu weit mehr als 35-55% am Markt verkaufen, die Gewinne teilen. Schwieriges Problem, ein Weiterverkaufsverbot für mehrere Jahre ist auch nur eine halbe Lösung.

Außerdem gelten derzeit rund 20.000 Haushalte als akut zwangsversteigerungsbedroht (noch geschützt durch Teilmoratorien), mittelfristig sind es weitere bis zu 80.000. Man fängt also nur rund 5% der untersten Schuldnerschicht auf, während man mit dem Geschenk Kreditablösesgesetz rund 20% der am besten gestellten säumigen Zahler einen galanten Ausweg weist, ein Verhältnis, das sich auch auf andere Politikbereiche ausdehnen lässt.

Unklar ist noch, was mit den Mietern geschieht, die keinen Rückkauf möglich machen können oder wollen. Bleiben die Immobilien dann dauerhaft in Staatsbesitz und die Mieten so niedrig? Auf der PK hieß es dazu nur, dass man dazu "eng mit den Kommunalverwaltungen" zusammenarbeiten werde, was danach klingt, dass man ihnen später die Immobilie samt dem Sozialproblem zu überlassen gedenkt, was wiederum Tür und tor für Günstlingswirtschaft öffnet.

Gerechte Steuern und Ansporn für Arbeitsplätze wären wichtiger und nachhaltiger

Die Maßnahme und die NET seien "temporär", stellte deren Chef Csillág klar. Leider werden das die sozialen Probleme überschuldeter Bürger nicht sein. Auf der anderen Seite ist es für den Staat schlicht unmöglich und auch unangebracht, die entstandenen Probleme zwischen Banken und ihren Kunden auf seine Schultern zu nehmen. Wenn er die Schaffung von Arbeitsplätzen erleichterte und mehr Einkommensgerechtigkeit herstellte, wäre allen mehr geholfen, doch beides tut er leider nicht, im Gegenteil.

J.S. / red.

Mehr zum nationalen Rettungsplan:

Friede den Hütten...
Ungarn will mit dem "Hausrettungsplan" eine soziale Zeitbombe entschärfen
http://www.pesterlloyd.net/2011_22/22hausrettung/22hausrettung.html

 

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