(c) Pester Lloyd / 41 - 2011 WIRTSCHAFT 14.10.2011
Knausriger Wohltäter
Die Wiedereinführung der Eigenheimzulage in Ungarn fällt mager aus
Der ungarische Regierungschef, Viktor Orbán, kündigte am Mittwoch an, die vor Jahren abgeschaffte Eigenheimzulage wieder einzuführen. Man wolle damit Familien
mit Kindern fördern, rund 4.000 von ihnen sollen jährlich in den Genuss nicht unbeträchtlicher Zuzahlungen für den Kauf eines Heims kommen. Die Maßnahme ist
zuvor nicht nur aus Kostengründen eingestellt worden, sondern auch, weil sie soziale und ökonomische Risiken birgt.
In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem Nationalwirtschaftsminister György
Matolcsy, sagte Orbán, das man nicht das alte System reinstallieren, sondern ein "neues" schaffen werde. Im Fokus stehen dabei Familien mit wenigstens zwei Kindern, die
Subventionen in Form von Zuzahlungen zu Bausparkrediten und anderen Zuschüssen können, je nach Zahl der Kinder, Höhen von 800.000 (2.700.- EUR) bis 2,5 Mio. Forint
(8.500 EUR) erreichen, also gut und gerne 15%-20% des Kaufpreises einer bescheidenen Immobilie ausmachen.
Scheinen, wie immer, mit sich zufrieden. Orbán und Matolcsy
auf der Pressekonferenz am Mittwoch. Foto: meh
Diese Maßnahme ist nicht mit den Zinszuzahlungen für in Schwierigkeiten geratene
Forex-Kreditnehmer zu verwechseln. Unterstützungen soll es, in diversen Abstufungen auch für den energetischen Um- oder den Ausbau von Eigenheimen geben. Im
kommenden Jahr sind für diese Zuschüsse insgesamt rund 6,5 Mrd. Forint reserviert (ca. 22 Mio. EUR). Das Regierungslager lobte pflichtschuldig die soziale Abstufung und den
familienfördernden Charakter.
Die Reaktion der Opposition war überwiegend ablehnend, Tenor: die Regierung wolle mit
einer Pseudomaßnahme, die nur eine kleine Gruppe der Bevölkerung priviligiere, von ihrem Scheitern in der Sozialpolitik ablenken. Die Sozialisten (MSZP) wiesen darauf hin,
dass die bereitgestellten Mittel nur einen Bruchteil der großen Wohnungsförderungsprogramme der Regierung Medgyessy ausmache, die in den Jahren
2002/03 zusammen 460 Mrd. Forint in den Wohnungsbau investierte, - freilich auch auf Kosten des Budgets, an denen man noch heute nagt.
Auch die neofaschistische Partei Jobbik gab sich "extrem enttäuscht", die Unterstützung
greift viel zu kurz, selbst die erste Fidesz-Regierung (1998-2002) hätte "generöser" agiert. Der Chef der alternativen LMP fragte, warum Familien mit einem Kind von den
Förderungen praktisch ausgeschlossen seien, schließlich seien das auch Familien und empfand die Maßnahmen insgesamt als sehr "mager".
Aus ökonomischer Sicht, ist die neue Eigenheimzulage ein zweischneidiges Schwert und in
Ungarn als einem Land, in dem Wohneigentum in der Lebensplanung der Menschen traditionell eine zentralere Rolle spielt als z.B. in Deutschland, immer auch ein Politikum.
Zum einen stimmt der Vorwurf, dass die Auswahlkriterien selektiv und diskriminierend sind und in Gänze nur einer verschwindend geringen Gruppe von Häuslebauern oder
Wohnungskäufern helfen, vor allem solchen, die in das Idealbild der Fidesz-Zukunftsprojektionen passen. Dann stellt sich die Frage, ob man durch die
Zuschüsse nicht u.U. auch Menschen in die Aufnahme von Krediten lockt, deren steigende Zinsen (schwächelnder Forint) ihnen bald große Zahlungsschwierigkeiten bereiten könnten.
Der Staat würde so das Kreditproblem im Lande sogar noch ankurbeln.
Die Regierung hätte letztlich besser daran getan, diese relativ kleinen Summen lieber in
das ebenso bescheiden ausgestattete Nothilfsprogramm zum Aufkauf von max. 5000
Immobilien von in Zahlungsunfähigkeit geratenen Schuldnern zu stecken. Damit hilft man
den wirklich Bedürftigen und erspart ihnen (auch wenn Selbstüberschätzung häufig eine Rolle spielte) eine Zwangsräumung und eventuell sogar Obdachlosigkeit. Dort würde jeder
dieser wenigen Forint zudem doppelt und dreifach so viel Wirkung entfalten können, weil der Staat die Immobilien den Banken zum halben Preis abnimmt und weil es sich um
Immobilien im unteren Preis- und Quadratmetersegement handelt.
Es ist indes nicht das erste Mal, dass diese Regierung die Schwächsten hängen lässt, zu Gunsten einer virtuellen Mittelschicht, die man sich als dankbare Basis für die Zukunft
aufbauen will. Auch der Verdacht, dass diese Regierung sich ganz besonders der Befeuerung des kleineren Immobilienmarktes befleißigt, erhielt nicht erst durch diese
Maßnahme Nahrung, auch die Kreditablöse zum Vorzugspreis hilft in erster Linie den lokal verankerten Maklern, nicht so sehr den Kunden, bei denen sich oft nur der Gläubiger
ändert, nicht aber die Schulden verringern.
V. Kiss / red. / ms.
Möchten Sie den PESTER LLOYD unterstützen?
|