(c) Pester Lloyd / 48 - 2011 WIRTSCHAFT 28.11.2011
Letzte Bastion
Ungarn plant finalen Angriff auf Nationalbank
András Simor, Gouverneur der Ungarischen Zentralbank MNB, ist den Regierenden in Budapest schon lange ein Dorn im Auge. Er ist praktisch der letzte in Amt und Macht
verbliebene Player der Vorgängerära, ein Status, von dem er durch "unabhängige" Entscheidungen auch ausreichend Gebrauch machte. Damit soll ab Januar Schluss
sein, allerdings könnte Ungarn für diesen Schachzug einen hohen politischen und ökonomischen Preis zahlen.
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András Simor hielt die Leitzinsen höher (seit Monaten auf 6%) als den
Wirtschafts"strategen" von Fidesz lieb war, mit Blick auf Inflation und Währungsstabilität sowie die Handelsbilanz, seinem Hauptjob. Im Finanzministerium hätte man gerne
niedrigere Zinsen, weil man glaubt, auf diese Weise die Kreditklemme für KMU lösen und Wachstum schaffen zu können. Simor ist aber nicht der einzige, der das für eine
gefährliche Illusion hielt, ein Blick auf den Forintkurs weist den Zinssatz eher in die entgegengesetze Richtung, die Inflation von 4-4,5% lässt auch nur wenig Spielraum. Die
aktuellen Entwicklungen, man spricht davon, dass die MNB am Dienstag den Leitzins als Notmaßnahme anheben wird, haben zwar das Argument, aber nicht den Personalstreit erledigt.
Denn bei der fast persönlichen ausgetragenen Fehde zwischen Simor und Orbán geht es
mehr um die Machtfrage als um unterschiedliche makrökonomische Sicht- und Denkweisen. Beschützt wurde Simor bisher lediglich durch die EU, die jeden Ansatz des
versuchten Eingriffs in die Autonomie der Zentralbank mit Argwohn beäugte und - anders als bei Demokratie- und Rechtstaatsabbau - auch früh ihre Folterinstrumente zeigte.
Immerhin war Simor sozusagen die letzte Bastion des Binnenmarktes in Ungarn (und dessen, was die sozial-liberalen Regierungen daraus machten) und das letzte Hindernis,
das es für den Allmachtsanspruch des Fidesz noch zu beseitigen gibt.
Auch die großartig aufgezogene und immer wieder aufgewärmte Geschichte vom
Off-Shore-Ritter, - Simor hatte Geld in Zypern und damit an der ungarischen Steuer vorbei veranlagt -, genügte icht, den Mann aus dem Amt zu jagen, wiewohl sein
Gebahren angesichts der Lage der Landsleute tatsächlich eine Frechheit war. Zwischenzeitlich hat man sein Gehalt um 4/5 gekürzt, aus "nationalem Interesse", aber Simor blieb dennoch.
Nun kommt der Rechnungshof ÁSZ zu Hilfe. Im Bericht des - selbstverständlich - von
einem Fidesz-Mann geführten, aber völlig unabhängigen Kontrollorgans steht die ausdrückliche Empfehlung, dass hinfort der Währungsrat die Kompetenzen des
Gouverneurs übernehmen soll, was Simor praktisch entmachten würde. Der Währungsrat ist ein Gremium aus MNB-Direktoren, ergänzt durch ein paar externe Ökonomen, die in
ihrer monatlichen Sitzung u.a. den Leitzins festlegen. Dieser würde dann praktisch zum Leitungsgremium für alle Agenden der MNB aufgewertet. Der Rechnungshof begründet
das mit dem üblichen "steigern von Effizienz". Dass die Intervention des Rechnungshofes aber einer konzertierten Strategie der Regierungspartei folgt und nicht Ergebnis eigener
Erkenntnisse ist, zeigt der Rückblick auf das Versprechen von Fraktionschef Lázár, der im April versprach, “bis Jahresende” ein Gesetz zu schaffen, das die Ernennung des
Zentralbankchefs vom Präsidenten aufs Parlament übertragen sollte. Nun ist man gleich noch einen Schritt weiter.
Das Regierungslager hat - praktischerweise - den Wahlmodus für die
Währungsratsmitglieder längst in ihrem Sinne modifizert und die externen Sitze schon mit Protegées belegt, so dass Orbán dann ungehindert in die Belange der Währungshüter
hineinregieren könnte, folgt man der Empfehlung des Rechnungshofes. Dass man dies tun wird, apportierte pflichtschuldig Nationalwirtschaftsminister Matolcsy: "Das neue
Zentralbankgesetz, das im Januar in Kraft treten wird, wird die Empfehlungen des Rechnungshofes berücksichtigen." sagte er, was irgendwie tief demokratisch klingen sollte.
Wie die Antwort der EU und der Märkte auf diesen Schachzug aussieht, angesichts der
Herabstufung der Kreditwürdigkeit die letzte regierungsunabhängige Behörde gleichzuschalten, kann man sich in etwa ausmalen. Aber vielleicht sagt man sich in
Budapest längst: noch tiefer als Ramsch geht ohnehin nicht. Geht aber.
Der letzte "Ritter" - Januar 2011
Wieder Gerüchte um Rücktritt des ungarischen Nationalbankchefs http://www.pesterlloyd.net/2011_02/02simorgereuchte/02simorgereuchte.html
Armer Ritter - Juni 2010 Machtkampf um Zentralbank in Ungarn spitzt sich zu http://www.pesterlloyd.net/2010_25/25armerritter/25armerritter.html
Währungsrat unter Regierungskontrolle - Nov. 2010 http://www.pesterlloyd.net/2010_47/47waehrungsrat/47waehrungsrat.html
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