(c) Pester Lloyd / 48 - 2011
NACHRICHTEN 02.12.2011
Angriff zu Weihnachten?
Orbán erklärt seinen Ungarn die Welt übers Radio
Ungarns Premier Viktor Orbán stimmte seine Landsleute in "seiner" Radiosendung "180 Minuten", im staatlichen Kossuth-Rádió, auf "weitere spekulative Angriffe
gegen den Forint und unser Land im Dezember" ein. Und auch sonst, ist, wie immer das Ausland, sprich die EU an aller Unbill im Lande Schuld. Also alles beim alten?
Nicht ganz. Während Orbán sonst grenzenlos optimistisch über alle Lebensbereiche schwadronierte, sparte er viele kontroverse Themen diesmal recht kleinlaut aus.
Orbán in seinem Haus- und Hofsender M1. Die Uhren laufen.
Viktor Orbán meinte in der Rundfunksendung, man könne die nächsten Attacken auf Land
und Forint "in der zweiten Hälfte des Monats erwarten". Ob er diese adventsstimmungskillenden Erkenntnisse aufgrund von Geheimdienstinformationen hat, die er wegen des Forintverfalls mit Ermittlungen beauftragte oder aus anderer Quelle, gab
der Regierungschef nicht an.
Die Herabstufung durch die Ratingagentur Moody´s spielte er herab, "Herabstufungen
haben gerade Saison", alle möglichen EU-Länder seien "immer mal" davon betroffen. Für ihn ginge es nur darum, "das Wachstum anzukurbeln", auch sein
Nationalwirtschaftsminister habe Weisungen in diese Richtung. "Wenn kein Wachstumsplan implementiert wird, besteht die Gefahr einer Rezession", meinte er, wiewohl diese
bereits einsetzt und eben viele seiner "Implementierungen" als Wachstumshemmnisse geortet worden sind. Direkt nach der Herabstufung legte Orbán ja noch mal beeindruckend nach.
Hinsichtlich der Leitzinserhöhung der Zentralbank in dieser Woche wiederholte Orbán, dass
er "grundsätzlich gegen Zinsanhebungen" ist, weil sie die Realwirtschaft bremsen, er aber
einsieht, dass "es fallweise notwendig ist". Allerdings bevorzuge er "billigere Kredite für
Unternehmen" und deutete an, dass die Regierung hier etwas vorhabe (es rumort schon lange, dass der ung. Staat direkt ins KMU-Kreditgeschäft einsteigen wird). Witz des
Tages: "Staat und Zentralbank sind in diesen modernen Zeiten zur Zusammenarbeit prädistiniert". Zwar "verhandelt" Minister Matolcsy mit der MNB gerade über belastbare
Wirtschaftsdaten für das nächste Jahr, tatsächlich bereitet die Regierung aber längst ein neues Zentralbankgesetz vor, das auch diese Institution weitgehend gleichschalten wird.
Noch Fragen?
Die im Januar beginnenden IWF-Gespräche werden "so lange dauern, bis wir unsere Ziele
erreicht haben", sagte Orbán, gerade so, als wollte der IWF etwas von Ungarn. Auch konkretisierte er nicht die zentrale Frage, in welchen Punkten er dem IWF hinsichtlich
weiterer Strukturreformen und Sparprogramme entgegenkommen könnte und welche Felder für ihn - mit Blick auf die stets beschworene "Unabhängigkeit" - tabu bleiben.
Hinsichtlich des Forintabsturzes, der viele Bürger aufgrund ihrer
Fremdwährungsverschuldung Monat für Monat bares Geld kostet, tröstete der Premier, dass "es niemanden gibt, der denkt, dass er (der Forintkurs) den tatsächlichen Stand der
ungarischen Wirtschaft spiegelt." - Was wohl stimmt, wenn auch anders, als es Orbán meinte. Vielmehr beharrte er darauf, dass die "Entwicklungen in der EU" den Kurs negativ
beeinflussen, sicherlich nicht seine Wirtschaftspolitik. Das bringt zwar den Menschen kein Geld, verstärkt aber die hierzulande sorgsam gehegte Gewissheit, wieder einmal Opfer
fremder Mächte zu sein.
Überhaupt sparten Orbán und "sein" Fragensteller viele Problemkreise, wie die soziale
Schieflage der Wirtschaftspolitik sowie das heftig umkämpfte neue Arbeitsrecht aus und verlegten sich auf die üblichen nebulösen Phrasen von Nation und Umbau und das eh bald
alles besser wird, mit denen das Land schon seit eineinhalb Jahren fruchtlos besamt wird.
-red.
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