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(c) Pester Lloyd / 50 - 2011  POLITIK 16.12.2011

 

Weihnachtsgrüße aus Brüssel

Adventstradition: Europa hat wieder einmal "Sorgen" mit Ungarn - MIT KOMMENTAR

Wie schon im letzten Jahr wegen des Mediengesetzes, kommen auch in diesem, pünktlich vor Weihnachten, einige Statements aus dem offiziellen Europa, die ihre Besorgnis über die Entwicklungen in Ungarn ausdrücken. Aber dabei geht es stets nur um Partikularinteressen, das grundsätzliche Demokratieproblem in Ungarn wird nicht erkannt - oder ignoriert.

EU-Justizkommissarin Viviane Reding "bemängelte" in einem Schreiben Einschränkungen der Unabhängigkeit der Justiz. "Einige Aspekte" der zum 1. Januar in Kraft tretenden Reformen "lösten erhebliche Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des EU-Rechtes aus", schrieb Reding dem ungarischen Justizminister Tibor Navracsics.

"Besondere Sorge" bereitet demnach die geplante Machtkonzentration in den Händen der künftigen Präsidentin der neuen nationalen Justizbehörde, Tünde Handó, die quasi allein für die Überwachung der Justizverwaltung und auch für die Ernennung von Richtern zuständig sein wird. Eine Antwort aus Budapest auf den Brief der Kommission wird noch heute in Brüssel erwartet.

Auch die "Reform" des ungarischen Verfassungsgerichts, das vor über einem Jahr in wichtigen Punkten entmachtet wurde und bei dem jetzt lediglich noch ein paar Figuren auszutauschen sind, gibt Reding nun Anlass zur Sorge. Intern gilt sie jedoch als Orbán wohlgesonnen: hinsichtlich des Mediengesetzes kamen anfangs die gleichen "besorgten" Worte von ihr, am Ende handelte man einen Deal aus, bei dem Ungarn nur einige formale Änderungen am Gesetz vornahm, womit sich die Kommission begnügte, auch, weil die Interessen der großen, in Ungarn operierenden internationalen Medienkonzerne ausreichend berücksichtigt worden sind. Seine giftige Wirkung im Inneren kann das Gesetz derweil frei entfalten. Auch im Pass-Battle mit der Slowakei stellte sich Reding kürzlich auf die ungarische Seite.

Die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds sehen hingegen vor allem die Unabhängigkeit der Zentralbank in Budapest in Gefahr. Die EZB warnte vor einer "Erosion der Unabhängigkeit" der ungarischen Zentralbank, auch der IWF reagierte ähnlich, kann aber seine "Sorgen" den Ungarn bei den Anfang Januar beginnenden Verhandlungen über einen neuen Stand-by-kredit selbst vortragen. Auch der Hauptbetroffene, András Simor, Gouverneur der Zentralbank, äußerte sich zur jüngsten Initiative der Regierung, ihn loszuwerden und betonte, dass er gar nicht daran denke, sich von der Politik hineinreden zu lassen.

 

Die Liste der adventlichen, internationalen "Sorgen"-Träger ließe sich endlos fortführen, von Journalistenverbänden über die UN-Arbeitsorganisation, die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament, bis hin zu verschiedenen NGO´s und Künstlerinitiativen mit ihren zahllosen Online-Petitionen. Dabei fällt auf, dass sich die meisten dieser Initiativen meist nur über Beschränkungen von Partikularinteressen erregen, während viele Gesetze, die das Leben der "normalen" Bürger direkt beeinflussen, im Westen fast unbekannt sind.

Auch die Gefährlichkeit der Grundtendenz wird kaum benannt: der Abbau von Grundrechten und Demokratie durch eine demokratisch gewählte Mehrheit, ein systemisches und grundsätzliches Problem. Ein Machtwort von der EU als ganzes oder den "Schwesterparteien" um Merkel und Sarkozy wird weiter auf sich warten lassen, die haben heute ganz andere Probleme, bei deren Lösung der Demos ohnehin nur zu stören scheint. Abgesehen davon, hat die EU zwar die Macht, die Freiheit des Kapitals zu verteidigen, nicht aber die der Bürger. Und dessen ist sich Orbán bewusst, wenn er die Weihnachtskarten aus Brüssel, seinem “neuen Moskau” an die Toilettentür pinnt.

ms.

 

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