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(c) Pester Lloyd / 02 - 2012      GESELLSCHAFT 12.01.2012

 

Gunst und Gnade

Der Präsident von Ungarn und seine "Plagiatsaffäre"

Als die Zeitschrift HVG am Mittwoch den Nachweis erbrachte, dass der ungarische Staatspräsident Pal Schmitt seine 1992 eingereichte Doktorarbeit in großen Teilen abgeschrieben hat, wunderte sich das Volk gar wenig. Alsbald machte der Spruch die Runde: "Schon gehört, Schmitt soll nicht nur seine Doktorarbeit sondern auch sein Amt plagiiert haben...". Denn von den 319 Gesetzen, die ihm das Parlament in seiner Amtszeit vorlegte, unterschrieb er 319, ohne Anmerkungen, ohne verfassungsrechtliche Prüfungen.

Pál Schmitt beim Papst

Wir ernannten ihn schon bei seiner Amtseinführung zu Orbáns Stempelkissen, was uns böse Briefe einbrachte. Deren Beantwortung dürfte sich nun erledigt haben. Schmitt ist ein lupenreiner Karrierist, dessen Eitelkeit nur noch von seiner Einfalt überstrahlt wird. Er machte Karriere in der Kádár-Zeit, in der Wendezeit und unter den Nationalkonservativen. Zunächst als Degenfechter erfolgreich und zweimal Olympiasieger, ließ er sich nach einer Art Studium und der Leitung eines parteinahen Sportinstitutes als Botschafter nach Madrid und Bern versetzen, um Herrn Samaranch und der IOC-Zentrale möglichst nahe zu sein, wollte er doch immer IOC-Chef werden. Das gelang nicht, für die Leitung des nationalen olympischen Komitees reichte es aber. Dort empfahl er sich als repräsentativer Nichtstuer mit dem richtigen Parteibuch für höhere Weihen.

2010 löste er László Sólyom als Präsidenten ab, der noch Widerworte gab und als Hürde für eine radikale legislative Umgestaltung des Landese im Sinne der Fidesz-Partei von Premier Orbán zu beseitigen war. Seitdem bildet Schmitt, zusammen mit Orbán und Parlamentspräsident Kövér, die neue nationale Dreifaltigkeit, in der er jedoch eindeutig nicht der heilige Geist ist. Ja, es ist sogar die Rede davon, dass Schmitt als Platzhalter für eine später in Angriff zu nehmende Präsidialdemokratie Kremlscher Prägung herhält.

Der Präsident macht auf zackig.

Als, kurz nach Amtsantritt im Jahr 2010, die Debatte um eine neue Verfassung aufgebracht wurde, setzte der Präsident eine erste intellektuelle Duftmarke, die heute noch im Raum steht. Wie die Offenbarungen eines Apostels verkündete und begründete er in einem Pamphlet die Gottgegebenheit der neuen ungarischen Ordnung und verfing sich im Bemühen die ungarische Nation samt Sprache zu retten, aussichtslos in Geschichte, Semantik und Schachtelsätzen. Das Volk lachte, kleinlaut lies der Präsident das Schriftstück wieder von der Webseite des Parlamentes entfernen. Man sollte hier nicht ungerecht sein, nicht einmal bei den Autoren der Bibel kann man sich der Originarität ihrer Werke so sicher sein. Seitdem gab es immer wieder skurrile Auftritte unter denen vor allem die ungarische Sprache litt. Böse Zungen behaupten sogar, der Präsident heißt in Wirklichkeit Schmidt, könne es aber nicht richtieg schreiben.

Zuletzt vergriff er sich gerade vor zwei Tagen beim Neujahrsempfang wieder im Ton, in dem er den ausländischen Diplomaten direkt ins Gesicht sagte, sie würden "die Souveränität Ungarns angreifen", wenn sie die Änderung von Gesetzen zur Einhaltung von internationalen Normen, Demokratie etc. fordern. Das ist zwar Fideszsche Standardrhetorik, vor versammelter internationaler Staatengemeinschaft ernten solche Sprüche aber mehr Irritation als sie Ungarn nutzen könnten.

Hier unterzeichnet er gerade die neue Verfassung, links unten der heilige Stephan.

Wie zu hören ist, hat Schmitt einen Großteil seiner Doktorarbeit, rund 180 von 250 Seiten aus dem Werk des bulgarischen Sportwissenschaftlers Nikolaj Georgijew abgeschrieben, dessen Original man noch immer in Lausanne besichtigen kann. Der Wochenmagazin HVG liegen die Beweise vor, trotzdem dementiert das Präsidialamt natürlich. Was sind schon Beweise gegen das Amt und die Vorsehung?! Stellen wir also fest, dass Ungarn einen ebenso aufrichtigen und geradlinigen Präsidenten hat wie Deutschland, einen Guttenberg und Wulff in einer Person, dem Land bleibt offenbar gar nichts erspart.

An Rücktritt des Herrn Schmidt-Wulffenberg ist nicht zu Denken. Im heutigen Ungarn gibt es nur noch Gunst und Gnade, was eine "Schande", was "im nationalen Interesse" ist, legt nicht die öffentliche Moral fest, sondern Herr Orbán. Der Günstling Schmitt ist daher genauso unantastbar wie sein begnadeter Mentor und Chef, der nicht nur eine Universität, sondern womöglich ein ganzes Land an der Nase herumführen kann.

ms.

Stempel der Nation - Juni 2010
Pál Schmitt: Präsident für Ungarn oder Platzhalter für Orbán?
http://www.pesterlloyd.net/2010_25/26ungarnpraesident/26ungarnpraesident.html

Orthographie und Gottesstaat - Nov 2010
oder Die Offenbarungen des Apostels Pál. Zur Verfassungsdebatte in Ungarn
http://www.pesterlloyd.net/2010_46/46palschmittverfassung/46palschmittverfassung.html

Das Brot der Nation - Aug. 2011
Präsident Schmitt im "ungarischen Rumänien” und weitere Nationalnachrichten
http://www.pesterlloyd.net/2011_34/34brotdernation/34brotdernation.html

 

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