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(c) Pester Lloyd / 02 - 2012      POLITIK 12.01.2012

 

Rückenschmerzen

Ex-Präsident László Sólyom warnt vor legislativer Dysfunktion in Ungarn

Der ehemalige Präsident Ungarns, Lászlo Sólyom, ehedem auch Präsident des Verfassungsgerichtes und einer der Väter der nun als "postkommunistisch" beerdigten Nachwendeverfassung, findet sich, owbohl selbst konservativ, fast als Dissident im “neuen Ungarn” wieder. In einem Interview äußerte er sich für seine Verhältnisse sehr kritisch über die allgemeine Gesetzgebungspraxis der Regierung und die Beschneidung der Rechte der parlamentarischen Opposition.

Sólyom, früher vom Fidesz unterstützt und selbst Unterstützer eines Regierungswechsels, sagte, dass die Regierung es versäumt habe, „die Richter in die Entscheidungsprozesse bei der Umgestaltung des ungarischen Rechtssystems mit einzubinden.“ Wie berichtet, wird eine Kurie und eine parteilich geleitete Richterkammer Richtlinien und Personalien sowie Fallzuweisungen eigenständig und ohne Gegenkontrolle vornehmen, Zusammensetzung und Altersgrenze der obersten Richtergremien wurden so verändert, dass der Regierung wohlgesonnene Neubesetzungen ermöglicht werden. Mehr dazu im "Sündenregister", Abschnitt Judikative.

Sólyom verurteilte das Vorgehen der Regierung, die sogenannten Kardinalgesetze als Einzelgesetze durch ihre Parlamentsabgeordneten verabschieden zu lassen, um den gesetzgebenden Prozess zu verkürzen. Einzelanträge im Parlament benötigten ein geringeres Maß an Überprüfung, ausführliche Untersuchungen oder Beratungen vor Verabschiedung eines Gesetzes seien bei diesen nicht vorgesehen. Diese Art der Individualanträge sollte normalerweise nur in Ausnahmefällen angewandt werden und nicht als allgemeinen Regelpraxis.

Sólyom kritisierte auch das vom Fidesz eingeführte Verfahren scharf, welches es der Regierung erlaubt Gesetzesänderungen vorzunehmen, ohne Raum für Debatten im Parlament zu lassen: „Der Gesetzgebungsprozess kann nicht ordentlich funktionieren, wenn Gesetze nur noch in einem verkürzten Verfahren auf Basis einer Regierungsmehrheit verabschiedet würden.“ Bereits während des Entstehungsprozesses der Verfassung kritisierte Sóloym desöfteren die Pläne der neuen Regierung, vor allem auf seinem ureigensten Terrain, lieferte er dabei immer stichhaltige Argumente.

Großer Medienrummel, als die Slowakei dem Präsidenten die Einreise verweigerte, weil sie nicht für seine Sicherheit sorgen konnte (wollte). Der Besuchstermin im slowakischen Teil der Grenzstadt Komárom, Komárno war unglücklich, ja provokativ gewählt. Nationalisten auf beiden Seiten schlachteten die Posse genüsslich aus, eine lange Eiszeit zwischen beiden Ländern brach an.

Sólyom, wiewohl selbst Konservativer, wurde von den neuen Machthabern umstandslos abgesetzt, anstatt einer zweiten Amtszeit Sólyoms bevorzugte Orbán die Einsetzung des willfährigen Karrieristen Pál Schmitt als Erfüllungsgehilfe, der auch ohne mit der Wimper zu zucken alle 319 ihm bisher vorgelegten Gesetze unterschrieb, nicht ein einziges Mal auch nur eine Prüfung auf Verfassungsmäßigkeit anstrengte. Sólyom lieferte der Vorgängerregierung indes viel Arbeit, etliche Gesetze sandte er zur Nachbesserung zurück oder ans Verfassungsericht zur Überprüfung. Zuletzt legte er den Sozialisten immer wieder nahe, lieber Neuwahlen einzugehen als das Vertrauen in die Demokratie weiter zu erschüttern. Ansonsten fuhr er als Präsident eine durchaus national gesinnte Linie, was seine zum Teil diplomatische Skandale auslösenden Besuche rund um ungarische Feiertage bei den ungarischen Minderheiten in Rumänien oder der Slowakei zeigten.

Nicht genug, dass Sólyom sich als Konservativer in Orbáns Ungarn nun quasi als Dissident wiederfindet, musste er sich von Fidesz-Fraktionschef János Lázár auch noch vorlaut belehren lassen, als "Mitverantwortlicher" der Gyurcsány-Zeit lieber den Mund zu halten, anstatt Kritik an der "nationalen Revolution" zu üben. Dennoch hält sich Sólyom bis heute mit Kritik, die über sein Fachgebiet hinausgeht, zurück. Während der Vizepremier von der neuen Verfassung als "Rückgrat der Demokratie", Ex-Premier Bajnai dagegen von "Wirbelbruch" spricht, attestiert Dr. Sólyom zumindest akute Rückenschmerzen, womit wir die längst nicht ausgereizte Welt der medizinischen Metaphern wieder verlassen wollen.

red. / Varga / ms.

 

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