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(c) Pester Lloyd / 03 - 2012      POLITIK 21.01.2012

 

Occupy Budapest

Regierung in Ungarn will Oppositionsdemos verhindern - UPDATE

Das Vorgehen der Regierungspartei Fidesz und der Budapester Stadtverwaltung, alle wesentlichen Budapester Plätze und Straßen für die Staatsfeierlichkeiten am 15. März zu reservieren, sorgte für einen Sturm der Entrüstung. Während Orbán im EU-Parlament den Demokraten vorspielte, werden daheim antidemokratische Fakten geschaffen, entbrennt der Kampf um den öffentlichen Raum. Vielleicht wird das die Chance für die Opposition, sich zu einen? Eine Auswahl an Stimmen.

Oppositions braucht Raum. Das hat auch die Regierung verstanden. Und handelt.

Nicht nur die Belegung der gesamten Budapester Innenstadt und damit aller für Großveranstaltungen traditionell vorgesehenen Orte und die Sperrung benachbarter Areale wegen Verkehrsproblemen brachte die Opposition so in Rage, sondern auch das vom Justizministerium bekannt gegebene Vorhaben, diese Plätze für die nächsten zwei Jahre, also den Rest der Legislaturperiode zu reservieren.

(Eine detaillierte Übersicht mit Karten gibt es bei Pusztaranger:
http://pusztaranger.wordpress.com/2012/01/19/fidesz-reserviert-die-innenstadt-kein e-oppositionsdemos-am-nationalfeiertag/)

Bereits am letzten Nationalfeiertag, dem 23. Oktober 2011, versuchte die Regierung die Versammlungsfreiheit durch behördliche Verzögerungen einzuschränken, scheiterte aber an Gerichten und versuchte dann die Oppositionsdemo zwischen Aufmärschen der Regierungstreuen sowie der Neonazis quasi in die Zange zu nehmen. Dann machte man in letzter Minute bei der eigenen Veranstaltung einen Rückzieher, aus Angst zu wenige Teilnehmer mobiliseren zu können. Dies verkaufte man hingegen als verantwortungsvoll, nur um bald danach die zehntausenden regierungskritischen Demonstranten am 2. Januar vor der Oper im öffentlichen Fernsehen zu verleugnen.

Besonders der selbstgefällige Stil der Regierungsvertreter bringt die oppositionellen Gruppen in Wut, könnte aber auch eine Initialzündung für eine neue Einheit der zersplitterten Oppositionsszene sein. Einige wollen vor europäische Gerichte ziehen. Insgesamt ist mit einer Zuspitzung der Konflikte im Frühjahr zu rechnen.

Péter Szijjártó, Sprecher von Premier Orbán, meinte nur kurz, „Die Feiern müssen ja irgendwo stattfinden.“, nur das "irgendwo" nun die gesamte Stadt ist. Einen Auftritt Orbáns bei einem von Fidesz-Freunden und ultrarechten Journalistenorganisierten "Friedensmarsch für Ungarn", für Samstag den 21.1. sagte Szijjártó im Namen seines Chef übrigens ab, "man freue sich, dort ganz normale Bürger zu sehen", die den Premier unterstützen wollen. Im Aufruf dieser ganz normalen Bürger heißt es, dass man keine Parteisymbole wünsche, die Leute sollen ihren feinsten Anzug anziehen und eine Kerze mitbringen. Organisiert wird die Schow u.a. vom Chef des antisemitischen Hetzblattes "Magyar Demokrata", dem Eigentümer der "Magyar Hírlap", dem schwerreichen Unternehmer Gábor Széles sowie seinem Mitarbeiter, Zsolt Bayer, Orbán-Freund, Fidesz-Mitgründer und der bekannteste Hassprediger des Landes, der schon einmal bedauerte, dass nach den Säuberungsaktionen nach der Räterepublik "nicht genügend Genickschüsse" gefallen sind. Für diese Kundgebung gab es freilich keine behördlichen Bedenken oder Vorreservierungen.

Die Fidesz-Parteisprecherin Gabriella Selmeczi, die erst gestern noch von der neuen Verfassung als "dem Stolz aller(!) Ungarn" sprach, erläuterte die Logik hinter der Regierungs- und Behördenaktion mit einem Ausflug in die jüngere ungarische Geschichte, der ein weiterer Beleg für den Niedergang jeder politischen Umgangskultur ist: „Es ist ganz natürlich, dass die Regierung an Nationalfeiertagen nationale Feierlichkeiten organisiert und richtig, dass die Regierung im voraus die Veranstaltungsorte plant... Es ist ein einleuchtender Ablauf, dass je nach Nationalfeiertag, darüber entschieden werden muss, wo und was für eine Veranstaltung stattfinden wird, und daher natürlich, dass man diese Orte reserviert hat. Wir freuen uns, dass der MSZP die gebührende Feier der Nationalfeiertage wieder wichtig ist! Es gab eine Zeit, wo gerade sie es verhindert hat, dass die Menschen gebührend Gedenken konnten, wo sie nur hinter Absperrungen, von Weitem den nationalen Feiern zusehen durften, (...) Für friedliches, bedächtiges Gedenken gab es damals Polizeiprügel... Die aktuelle Regierung sieht jeden gerne auf den Feierlichkeiten, auch die Mitglieder der MSZP, auch wenn sie deren gewohnten Absperrungen aus Gründen des Wohlbefindens nicht garantieren kann... Falls jemand unsere Geschichte und bedeutenden Jubiläen an anderen Orten zu feiern wünscht, kann er diese nunmehr in Kenntnis der staatlichen Veranstaltungsorte tun und sich dementsprechende sympathische öffentliche Plätze auswählen, von welchen es entgegen der Aussage der MSZP, unzzählige in der Hauptstadt gibt.“ (Anmerkung: es gab nach der "Lügenrede" 2006 tasächlich etliche brutale Polizeiübergriffe, aber keine Einschränkung des Versammlungsrechts. Die Zäune waren um das Parlament aufgestellt, das der Mob stürmen wollte, wie zuvor die Fernsehzentrale. Fraglos standen hinter den Übergriffen von Polizisten auch politische Entscheidungen, die Vielzahl von Antiregierungsdemos aber strafen die Fidesz-Sprecherin Lügen..."

Die Oppositionsgruppen reagierten auf die Behördenmaßnahmen mit Entsetzen und Satire.

Die Facebook-Gruppe "Eine Million für die ungarische Pressefreiheit" meldet: „Unsere Demonstrationsanmeldungen wurden in den Kompetenzbereich der Budapester Polizei zurückgeworfen, da die Stadtverwaltung und die Regierung alle für Demonstrationen geeigneten öffentlichen Orte reserviert hat. Den medial lauthals verkündeten Versprechungen der Stadtverwaltung zu trotz, sich um eine Einigung mit uns zu bemühen, habe sie es in den letzten Tagen noch nicht geschafft, uns zu finden. Sie müssten die Polizei aufsuchen, wo wir uns um die Veröffentlichung unserer Erreichbarkeiten bemüht haben. Wir vertrauen darauf, das sie irgendwann auch diesen Freiheitskampf gegen die schurkischen, repressiven und imperialistischen Telefone mit einem gigantischen Sieg feiern werden können. Falls nötig, tragen wir den Fall bis nach Straßburg, wo wir uns wegen dem Verstoß des Versammlungsrechts an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden werden. Jedenfalls haben wir, dem Beispiel unseres großen Anführers folgend, unsere gewohnte Demonstration auf der „Straße der Pressefreiheit“ bei der Budapester Polizei für die nächsten 100 Jahre, sowohl für den 15. März, wie auch für den 23. Oktober, angemeldet. Ihr kommt doch auch alle mit uns am 15. März auf die „Straße der Pressefreiheit“, richtig?"

Ein Faksimilie der Anmeldung, mit der sich nun die Behörden zu befassen haben, finden Sie hier recht. Klicken zum Vergrößern.

Die Bewegung "Vierte Republik", 4K! teilt mit: „Die 4K!-Bewegung findet es empörend, hinterlistig und schmierig, wie die Regierung versucht, die Möglichkeiten der Opposition am 15. März zu behindern... Es ist ein lächerlich durchsichtiges Bemühen, die oppositionellen Kräfte davon abzuhalten, an einem der wichtigsten Feiertage zu demonstrieren, die Regierung muss die Möglichkeiten garantieren, dass auch die Opposition gebührend der 48-Revolution gedenken kann... Die 4K! hat vor einem Jahr an der von der „Eine Millionen für die Pressefreiheit“-Facebookgruppe auf die Beine gestellten 30.000er Demo mitorganisiert und ruft ihre Sympathisanten auf, auch dieses Jahr wieder an der Demo teilzunehmen.“

Die Stellungnahme der Budapester LMP-Fraktion ist eher langatmig denn kämpferisch, wie man es von der verkopften Partei, die einen ihrer führenden Köpfe, András Schiffer, gerade wegschickte, nicht anders gewohnt ist: „Die Regierung hat mit der Reservierung der gesamten Budapester Innenstadt für den 15. März keinen Fussbreit Platz mehr für Demonstrationen der Opposition und der zivilen Bewegungen gelassen. Es scheint, als das der Fidesz die zivilen und oppositionellen Veranstaltungen schwer verdaut, und sich in Berufung auf die nationalen Feierlichkeiten auf die Länge einer gesamten Woche die wesentlichen Budapester Veranstaltungsorte beantragt hat." Es folgt sodann die Aufzählung sämtlicher von Regierung, Ministerien und Budapester Stadtverwaltung "okkupierter" Plätze und Straßen und dann der Nachsatz: "Im Kontext der Oppositionsdemonstration vor der Oper am 2. Januar haben mehrere Medien darüber geschrieben, dass Fidesz in einer Gegendemo seine Kraft zeigen müsse und die Partei am 15. März eine Kraftdemonstration plant, bisher hat die Fidesz-Partei noch keinen Genehmigungsantrag für eine solche Demonstration eingereicht.“

Ágnes Vádai, unabhängige Parlamentarierin von der Demokratischen Koalition lädt ganz großes Kaliber und kündigt den anderen Oppositionsgruppen an, dass sie von nun an immer mit der Präsenz der DK, der MSZP-Abspaltung von Ex-Premier Gyurcsány rechnen "dürfen." Eigentlich hatte man sich diese ungebetene Trittbrettfahrerei, wie am 23. Dezember vor dem Parlament verbeten, ist Gyurcsány in den Augen der meisten doch sozusagen die Hebamme der 2/3-Mehrheit Orbáns: „Dieses Regime des Orbán-Tarlós-Tandems tritt die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit mit Füßen... Während Viktor Orbán in Brüssel den Frommen spielt, und man in Ungarn schon die bloße Nachricht, dass er doch so höflich gewesen sei, als positiv bewertet, findet hier gleichzeitig eine Schmach statt, mit welcher der dreifach-schundvolle Minterpräsident die Opposition von den symbolischen Orten des 15. März verdrängt...diese Methode der Regierung, mit welcher sie die regierungskritischen Massen, welche gegen die demokratiezerstörenden und Millionen in die Armut stürzenden Auswirkungen ihrer Politik protestieren wollen, ist durchsichtig...die DK wird alle rechtlichen Instrumente einsetzen, um diese Entscheidung, welche die Opposition am 15. März aus der Stadt verbannt, rückgängig zu machen..die DK wird in Zukunft an sämtlichen Oppositionsdemonstrationen teilnehmen und bittet alle demokratischen Oppositionsparteien und zivile Bewegungen es auch so zu tun.“

Ádám Mirkóczki, Sprecher der neofaschistischen Partei Jobbik, ließ es sich nicht nehmen, das demokratische Recht auf Versammlungsfreiheit einzufordern. Wer Aktionen und Programme dieser Partei kennt, muss das jedoch eher als Drohung auffassen: „Die Regierung zittert vor Angst vor der Meinungsäußerung der Menschen..in dieser Angst bemüht sie sich solche Budapester Veranstaltungsorte auf Jahre voraus zu sichern, auf welchen traditionell Oppositionsparteien und zivilgesellschaftliche Gruppen demonstrieren..das Vorgehen des Fidesz, mit scheinbar demokratischen Instrumenten eine der Grundwerte der Demokratie, die Versammlungsfreiheit, zu verbiegen, ist erbärmlich und zynisch, da es sich bei dem 15. März um einen der schönsten Feiertage der ungarischen Freiheit handelt..das sie das auch noch für 2013 und 2014 Jahre ausdehnt, ist ein beispielloses Vorgehen..Es ist arm, dass der Fidesz im Bezug auf den 15. März die dunkelsten Methoden der kommunistischen Diktatur anwendet, was sich nicht einmal das „Demszky-Gyurcsány-Bajnai-Trio" getraut hat..Auch wenn die Regierungspartei die ganze Hauptstadt besetzt, die nationale Opposition wird alle ihrer traditionellen Budapester Großversammlungen an ihren nationalen Feiertagen trotzdem abhalten.“

 

Zoltán Lukács, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Sozialisten, MSZP, schlägt eine Verlagerung in den ländlichen Raum vor: "Die Entscheidung des Justizministeriums, alle wesentlichen Plätze und Straßen in Budapest für die kommenden zwei Jahre an Nationalfeiertagen für die Regierung zu reservieren, funktioniert den 15. März zu einem Regierungsfeiertag um und zeigt die Feigheit des Fidesz auf, es zeigt, dass der Fidesz sich vor der Kritik fürchtet, sich vor der Niederlage fürchtet... Wir wollen Viktor Orbán mitteilen, dass auch wenn er ganz Budapest, ganz Ungarn besetzt, wir trotzdem unsere nationalen Feiertage behalten werden!.. Dann werden sich eben woanders, in den Budapester Außenbezirken oder in den ländlichen Städten, Hunderttausende versammeln und beweisen, dass sie sich die Freiheit der ungarischen Menschen, ihre nationalen Helden gebührend und pietätsvoll zu Ehren, nicht von einer demaskierten, sich vor dem Versagen fürchtenden Regierung nehmen lassen werden.“

Die nächsten Veranstaltungen der (demokratischen) ungarischen Opposition:

Datum: Samstag, 21.01.
Uhrzeit: 16-19 Uhr
Ort: Disz tér
Veranstalter: Freunde der ungarischen Republik
Titel der Veranstaltung: Feierliche Diplom(pf)verleihung
FB-Seite: 
https://www.facebook.com/events/336527573038924/

Datum: Sonntag, 22.01.
Uhrzeit: 15-20 Uhr
Ort: Batthyány-örökmécses
Veranstalter: Klubrádió 95.3 Mhz
Titel der Veranstaltung: Es soll laufen/reden! Demo für die Redefreiheit und für das Klubradio
FB-Seite:
https://www.facebook.com/events/334296076595662/

Datum: Samstag, 10.03.
Uhrzeit: 15-18 Uhr
Ort: Kossuth tér
Veranstalter: Szolidaritás
Titel der Veranstaltung: Gemeinsam für eine neue Republik!
https://www.facebook.com/events/254915517915513/

Zusammengestellt von Christian-Zsolt Varga, red.

 

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