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(c) Pester Lloyd / 03 - 2012      NACHRICHTEN 19.01.2012

 

"Stolz aller Ungarn"

Auf welcher Veranstaltung war der ungarische Premier?

Am "Tag danach" überboten sich politische und mediale Kommentatoren mit Auslegungen des Auftritts von Premier Orbán am Mittwoch in Straßburg. Das meiste davon sollte man sich ersparen, schon im Parlament bekam man mehr zu hören als nötig. Orbán selbst scheint jedoch auf einer völlig anderen Veranstaltung gewesen zu sein...

Jedenfalls lassen das seine Ausführungen zur Thematik erkennen, die so gar nichts mit dem zu tun haben wollen, was Europa gestern live zu sehen und zu hören bekam. Der Oppositionsführer im ungarischen Parlament, MSZP-Chef Attila Mesterházy, spitzt alles auf "Orbán lügt!" zu, womit der mit Vorvorgänger Gyurcsány also doch etwas gemein haben könnte und eine Fidesz-Sprecherin lässt ausrichten, dass die neue Verfassung "Der Stolz aller Ungarn" ist.

Premier Orbán bereitet sich “nur Stunden vor dem Auftritt” auf seine Rede im EU-Parlament vor, verrät uns der Hofpaparazzo, der dieses Bild auf die Facebook-Seite des Regierungschefs einstellte...

Es gehe mit der EU-Kommission nur noch um einen einzigen Streitpunkt, nämlich den, ob der Zentralbankchef auf die Verfassung schwören soll und die gestrige Parlamentsdebatte war "ein fantastischer Tag für die ungarische Verfassung", weil die nämlich außerhalb jeder Kritik stand. So die überraschend simple Zusammenfassung Orbáns seines gestrigen Auftritts und des anschließenden Schlagabtauschs mit Kommission und Parlamentariern. Orbán ging gestern im Europäischen Parlament einer Debatte über offensichtliche demokratische und rechtsstaatliche Defizite in Ungarn angestrengt aus dem Wege und sieht die  Vertragsverletzungsverfahren als einen rein „technischen Dialog“. Dass ihm bei seiner Replik auf die "Angriffe", wie schon vor genau einem Jahr beim Mediengesetz, die Stimme überschlug, hatte sicher nur mit der trockenen Flugzeutluft zu tun.

Im Zusammenhang mit der neuen Verfassung gäbe es keinerlei Vertragsverletzungsverfahren und man sei bereit die kritisierten Gesetze, nurmehr Kleinigkeiten also, zu ändern. Dementgegen steht, dass die EU neben den bisherigen drei Verfahren noch fleißig weiterprüft und viele der kritisierten Punkte über die Kardinalsgesetze sehr wohl Teil der neuen Verfassung sind, auch wenn Orbán dies als "Durchführungsbestimmungen" herunterspielt.

Mit Hinblick auf die geplante Integration von Finanzmarktaufsicht PSZAF und Zentralbank sagte Orbán: „Dies ist nicht so entscheidend für uns. Wenn die Kommission der Auffassung ist Zentralbank und Finanzmarktaufsicht müssen getrennt werden, dann soll es so sein.“ Und bezüglich der Unabhängigkeit der Justiz habe er schon gar keinen Disput, die Pensionierung "einiger Richter" (rund 300 allein 2012) hat mit der Rentenreform zu tun, nicht mit einer Justizreform und schon gar nicht mit politischer Einflussnahme.

Orbán wiederholte, dass er vom IWF ein Sicherheitsnetz, keine direkte Finanzspritze erwarte. Die Gespräche mit dem IWF seien nicht davon motiviert, dass Ungarn Pleite gehen könnte, vielmehr wolle man sich wappnen, um einen "möglichen Stillstand der Eurozone, die ihre Krise nicht lösen kann", überstehen zu können und wettbewerbsfähiger zu werden, wie Orbán bereits bei früherer Gelegenheit zu argumentieren pflegte.

"Orbán lügt!", so lautet die prägnante Antwort der MSZP-Opposition. Laut dem Fraktionsführer der MSZP im ungarischen Parlament Attila Mesterházy, würde Orbán nicht nur vor dem ungarischen, sondern nun auch vor dem Europäischen Parlament seine Lügen verbreiten, was ihn vielleicht an seinen Ex-Chef, Ferenc Gyurcsány, erinnert haben mag, der seine Lügnerei aber immerhin irgendwann zugab.

Es sei schlichtweg falsch, dass die Wirtschaft kollabierte als die Regierung Orbán die Geschicke des Landes im Jahr 2010 übernahm, vielmehr habe die Sozialistische Partei unter dem damaligen Präsidenten Bajnai, die Wirtschaft nach der Krise wieder auf den richtigen Weg gebracht. Auf welche Wege seine Partei Ungarn gebracht hat, darüber können die vielen anstehenden Verfahren gegen ehemalige Parteikollegen Auskunft geben. Eine Mitverantwortung für die heutigen Zustände gestand Mesterházy natürlich wieder nicht ein, was mit ein Grund dafür ist, dass die Menschen in Ungarn in seiner Partei alles, nur nicht die Alternative zu Orbán erkennen. Mesterházy zeigte sich erleichtert, dass Orbán gestern „niemandem den Krieg erklärt“ habe und "immerhin" auf die Nachbesserung von beanstandeten Gesetzten vorbereitet sei.

 

Fidesz-Sprecherin Gabriella Selmeczi wies naturgemäß diese und überhaupt alle Vorwürfe zurück und unterstrich das Orbán Ungarn vor einer „Attacke, ausgehend von der internationalen Linken“ geschützt habe. Die Vertragsverletzungsverfahren, die am Dienstag von der Kommission eingeleitet wurden, können keineswegs als Kritik an der neuen ungarischen Verfassung verstanden werden, vielmehr, fügte Selmeczi hinzu, sei sie der „Stolz aller Ungarn“, also die Verfassung, nicht Frau Selmeczi.

Antje Lehmann, Philipp Karl, red.

 

 

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