(c) Pester Lloyd / 06 - 2012
NACHRICHTEN 06.02.2012
Spontanbesuch: Ungarischer Premier besucht Obdachlose Sieben Tote durch Kälte in Ungarn am Wochenende
Ministerpräsident Orbán hat am Sonntag "ohne Ankündigung" ein neu eingerichtetes
Obdachlosenheim in der Aszódi Straße in Budapest inspiziert, weil er gehört habe, "dass dort nicht alles so ist, wie es sein sollte". Nach Angaben des Boulevardblättchens Blikk soll
der Premier einen "unauffälligen, kleinen VW-Bus selbst gesteuert" haben, um nicht gleich
als "Staatsbesuch" aufzufallen. Nachdem er sich in den Räumlichkeiten, inkl. der Nasszellen
umgesehen hat, versicherte er sich, "dass die Betroffenen adäquat versorgt" werden, schüttelte Hände “äußerst” überraschter Menschen und wohnte der Essensausgabe bei.
Dann führte der Ministerpräsident "lange Gespräche mit den Betroffenen", darunter ein Ex-Sträfling, der nach seiner Entlassung nicht wusste wohin. "Ordnung, Sicherheit und kein
Müll", das ist, was die Menschen hier erwarten könnten, denen man hier eine Chance, vielleicht die letzte bietet, so der Spontanbesucher.
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Orbán schaut nach dem Rechten... Die Aktion war so spontan, dass nichtmal ein Bodyguard mit dem
Premier mithalte konnte. Sein Hoffotograf schon, so landete dann auch die Fotoserie - uneigennützigerweise - bald auf Orbáns Facebook-Seite: http://www.facebook.com/orbanviktor?v=photos Foto: MEH
Orbáns Aktion ähnelt jener von Ex-Premier Gyurcsány, der vor einigen Tagen bei "ganz
einfachen Leuten" in einen Miskolcer Plattenbau zog, "um zu sehen, wie die Menschen leben", vor allem wenn man bedenkt, wie seine Regierung ansonsten mit den Gestrandeten
der Gesellschaft umgehen: seit 1. Dezember ist Obdachlosigkeit in Ungarn eigentlich per Gesetz verboten, eine Reihe rigider Strafen erwarten diejenigen, die mehr als einmal
"öffentlichen Raum missbräuchlich benutzen".
Orbán hatte in einem Radiointerview zuvor das Land auf einen "gemeinsamen Kampf
gegen die Kälte" eingeschworen. Etliche Notfallpläne traten in Kraft, das nationale Katastrophenzentrum wurde aktiviert. Öffentliche Gebäude, Bahnhöfe, Turnhallen sollten
unkompliziert Bedürftigen gegen die Kälte geöffnet werden. Seit dem Wochenende stöhnt das Land - wie viele weitere im Osten Europas - unter extremem Frost und starken
Schneefällen. Es gab eine Unwetterwarnung. Mehrere Menschen erfroren, einer erstickte
an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Die Notdienste berichteten bis jetzt von sieben Todesfällen am Wochenende, die direkt mit der Kältewelle zusammenhängen. Einige
Wasser- und Gasleitungen barsten, Züge kamen zu spät, Straßen waren zeitweise unpassierbar, wurden aber relativ schnell wieder befahrbar gemacht. Die
Erdgaslieferungen aus Russland sind mittlerweile auch wieder auf Normalniveau, zudem hatte Ungarn nach der letzten Gaskrise enorme Investitionen in Lager unternommen, so
dass zu keiner Zeit die Gefahr von Versorgungsengpässen bestand.
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