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Stadtmagazin des Pester Lloyd für Budapest

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Die Donau soll wieder blau werden...

Im Interview mit Gábor Demszky, dem Oberbürgermeister von Budapest

Der ausufernde Autoverkehr, die Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs, Mülltrennung, Abwassermanagement und Denkmalpflege stellen einen scheinbar unlösbaren Problemberg für jede große Stadt dar. Der bereits in seine fünfte Amtszeit wiedergewählte Budapester Oberbürgermeister, Dr. Gábor Demszky, spricht im Interview über weitere Vorhaben im Rahmen der ökologischen Stadtentwicklung und betont die positive Rolle der ausländischen Bürger Budapests.

Welche Erfahrungen haben sie während Ihrer 16jährigen Amtszeit mit den hier lebenden und arbeitenden Ausländern bzw. mit den ausländischen Touristen gewonnen?

Budapest ist der Mittelpunkt des Landes mit einem großen Einzugsgebiet. Unter den europäischen Städten entwickelt sich unsere Region als zweitschnellste. Erst dieser Tage hat eine neue Erhebung des Instituts Cushman & Wakefield unter den Geschäftsführern von 507 Großunternehmen eine Umfrage gestartet, aus der hervorgeht, dass Budapest zu den wichtigsten Investitionsschwerpunkten Mitteleuropas gehört. Damit hat Budapest sogar Prag überholt. Laut der Zeitschrift European Cities Monitor 2006 sind in unserer Stadt für 3.000 Milliarden Forint Investitionen getätigt worden, weitere 1.100 Milliarden in der Region um Budapest. Gemessen an den Gesamtinvestitionen des Landes sind das 40% des Investitionsvolumen. Viele ungarische Firmen helfen der Stadt. Zu dem guten Ergebnis der Stadt haben auch viele börsenstarke ausländische Unternehmen beigetragen.

Im vergangenen Jahr gehörte Budapest zu den am meisten von Touristen frequentierten Städten innerhalb Europas. Von den Einnahmen aus dem Tourismus versuchen wir so viel wie möglich der Stadt zukommen zu lassen. Den Ausländern fällt allerdings noch immer die mitunter mangelnde Sauberkeit der Stadt sowie die Renovierungsbedürftigkeit so mancher Gebäude auf. Leider treffen auch noch immer Beschwerden von Ausländern ein, die sich über Unkorrektheiten bei der Rechnungslegung im Gaststätten- und Taxigewerbe beschweren. Zum Glück ist der Verbraucherschutz weiter verstärkt und das Taxiregieme am Flughafen verändert worden.

Ich hoffe, wir können auch in diesen Bereichen Ordnung herstellen. Was die öffentlichen Verkehrsmittel angeht, so haben wir von den ausländischen Touristen viel positive Resonanz erhalten. Leider haben die Ereignisse vom September kein besonders positives Bild von der Stadt bei unseren Gästen hinterlassen. Ich setze meine Hoffnung darauf, dass es sich – ähnlich wie bei den Unruhen in Paris – bei uns auch um eine vorübergehende Erscheinung handelt.

 

Verfügen Sie über ein genaues Bild der Zusammensetzung der ausländischen Kolonien in Budapest? Gibt es beim Oberbürgermeisteramt, bzw. in der Stadtverordnetenversammlung ein zuständiges Amt oder ein Forum, an das sich Ausländer mit ihren Vorschlägen, Kritiken oder Beschwerden wenden können? Ist ein Gremium vorhanden, dass sich um die Ausländer kümmert?

Budapest ist eine dynamische Stadt. Seit 2004 sind wieder mehr Menschen von außerhalb in die Stadt gezogen und weniger in die Umgebung oder in andere Komitate abgewandert. Daran haben die in Budapest ansässigen Ausländer einen großen Anteil. Derzeit haben wir fast 1,7 Millionen Einwohner, allein im vergangenen Jahr sind mehr als 12.000 ausländische Staatsbürger nach Budapest gezogen. Die Hälfte davon sind Auslandsungarn, die anderen kommen aus Deutschland, England und anderen Ländern der EU. Über einen Teil der ausländischen Kolonien haben wir wenig oder keine Informationen, weil diese mit Pass einreisen, sich aber nicht anmelden.

Wenn Auländer Vorschläge oder Beschwerden haben, dann melden sie sich oft in meinem Sekretariat oder bei meinen Stellvertretern. Um Immobilienfragen kümmert sich das Hauptstädische Verwaltungsamt und bei standesamtlichen Angelegenheiten wenden sich die Ausländer an die zuständigen Selbstverwaltungen. Zu den Aufgaben einer meiner Stellvertreter gehört auch die Wahrnehmung der Interessen der hier lebenden Ausländer, bzw. der Touristen.

 

Welche Ideen haben Sie, um Budapest für die ausländischen Investoren und die hier lebenden Ausländer sowie die Touristen noch attraktiver zu machen?

Die weitere Entwicklung von Budapest sowie das Wachstum der Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Städten ist mir wichtig. Ich arbeite darauf hin, dass unsere Stadt weiterhin eine investitionsfreudige beibt und natürlich auch eine saubere. Dafür haben wir in den vergangenen Jahren viel getan, aber es stehen diesbezüglich noch zahlreiche Aufgaben vor uns. Von den 400 Milliarden Budget werden wir einen Großteil für die Stadtentwicklung verwenden. Was den Verkehr betrifft, sind wir an gewisse Grenzen gestoßen. Zum einen, weil die Zahl der Autos die Sättigungsgrenze bereits überschritten hat; durch die positive Entwicklung der Wirtschaft kaufen die Budapester jedes Jahr 30.000 neue Autos hinzu.

Problematisch ist auch, dass die Arbeitnehmer aus der Umgebung lieber mit dem Auto in die Stadt fahren, anstatt die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Zum anderen stoßen wir auch deshalb an Grenzen der Belastbarkeit, weil zusätzlich große Investitionen in der Stadt anstehen. Damit können wir aber langfristig die Situation in der Stadt entschärfen. Die Autobahn M0 wird gebaut, in zwei Jahren ist die neue Brücke über die Donau im Norden der Stadt fertig. Endlich wissen wir dann besser, wie wir den Verkehr aus dem Zentrum der Hauptstadt etwas herausnehmen können. Es wird auch weiter am Ausbau des Nahverkehrs gearbeitet. Durch entsprechende Maßnahmen wird dieser dann schneller und bequemer werden. Unser Ziel ist es, dass wir für die Autofahrer noch attraktivere Alternativen anbieten. So wird auch die Metrolinie 4 gebaut, im kommenden Jahr wird die weitere Rekonstruktion der Linie 2 abgeschlossen. Gemeinsam mit EU und Regierung haben wir ein Programm aufgelegt, um die Streckenführung von Strassenbahn und Bussen rationeller zu gestalten.

In den vergangenen Jahren wurde energisch mit einem umfassenden Straßenerneuerungsprogrammm begonnen. Insgesamt sind 350 km Straße in der Stadt erneuert worden. Nach unseren Vorstellungen werden im kommenden Jahr weiter 130 km asphaltiert. Damit erreichen wir, dass die Strassen von Budapest zu 40% erneuert worden sind. Das Programm der Stadtsanierung wird in den kommenden Jahren intensiv fortgesetzt, dem jährlich immer mehr Geld zur Verfügung gestellt wird. Im IX. und im VIII. Bezirk werden auch wichtige Programme umgesetzt werden, die europäischem Standard entsprechen. An verschiedenen Stellen der Stadt sind Projekte in Angriff genommen worden, die insgesamt ein Volumen von 10 Milliarden Forint ausmachen. Es ist auch weiterhin unser Ziel, diese Projekte und die daran beteiligten Unternehmen zu unterstützen. Dabei erwarten wir aber auch, dass die Gesetze bezüglich der Erhaltung des Stadtbildes bzw. der Denkmalpflege eingehalten werden.

Nur wenige wissen, dass in Budapest eine der größten Umweltschutzmaßnahmen innerhalb Europas geleistet wurde: Im Stadtbezirk Csepel werden gewaltige Kläranlagen errichtet. Parallel wird die gesamte Stadt mit einer modernen Kanalisation versehen. Das bedeutet, dass das Budapester Abwasser zukünftig zu 100% gereinigt wird, anstatt bisher nur zu 50%. Ab dem Jahre 2010 wird also dann die Donau wieder als blaues Band durch die Stadt fließen können.

Auch bei der Mülltrennung werden wir einen guten Schritt voran kommen und die Selektion der Abfälle weit besser organisieren. Auf dem Gebiet der Stadtreinigung sind durchgreifende Veränderungen notwendig. Dazu haben Programme begonnen – wie z.B. die Kampagne gegen Hundekot oder die Sauberhaltung der Straßen- und Fußgängerunterführungen. Außerdem brauchen wir Änderungen in der Gesetzeslage, um noch besser gegen Ordnungswidrigkeiten vorgehen zu können, - ich denke dabei z.B. an die illegale Plakatkleberei in der Stadt.

 

Wie entwickeln sich die internationalen Beziehungen der Hauptstadt zu Wien oder zu deutschen Städten?

Anfang September haben der Wiener Bürgermeister und ich eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit auf den Gebieten des Verkehrs, der Müllentsorgung, des Umwelschutzes und des Handels zwischen unseren Städten unterschrieben. Aber auch bei den kulturellen und medizinischen Projekten ist ein enge Zusammenarbeit vorgesehen. Auch an EU-Projekten arbeiten wir gemeinsam. Im kommenden Jahr wird unsere Partnerstadt Frankfurt am Main Budapest mit einem bunten kulturellen Programm besuchen.

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