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Frauen erwünscht?

Das Rudas Bad in Budapest

Das umgebaute Rudas Thermalbad ist eines der schönsten erhaltenen Beispiele der antiken Bäderkultur in Budapest. Kürzlich öffnete es seine Pforten nach 70 Jahren Männerwirtschaft, auf Probe, auch weiblicher Kundschaft.

Die Budapester Thermal- und Heilbäder sind nicht nur ein beliebtes Ziel der zahlreichen Touristen, sondern vor allem der Einheimischen. Es ist die ungarische Art, sich bei Hitze und Dampf in stilvoller Umgebung zu erholen und zu entspannen. Die für ihre Schönheit berühmtesten Bäder sind das Gellért und das Széchenyi Bad, während den Touristen zahlreiche andere oftmals unbekannt sind. Zu diesen zählt naben dem Király und dem Rác auch das Rudas Thermalbad, das sich am Fuße des Gellért-Berges auf der Budaer Seite an der Elisabeth-Brücke befindet.

Die ersten Bäder im heutigen Gebiet Westungarns, das einst unter dem Namen „Pannonia Provincia“ zum Römischen Reich gehörte, waren von den Römern erbaut worden. Die Hauptstadt dieser Provinz hieß Aquincum und lag im Norden der heutigen Stadt Budapest, am rechten Ufer der Donau. Bisher wurden bei Ausgrabungen 21 Bäder freigelegt, worunter das größte das zentrale Militärbad war. Leitungen aus den Budaer Bergquellen speisten es mit Badewasser. Nach dem Zerfall des Römischen Reiches verschwanden in den Wirren der Völkerwanderung die Bäder von Aquincum. Bis zur türkischen Besatzung im 16. Jahrhundert wurden die Quellen wahrscheinlich nur eingeschränkt genutzt. Die Badekultur der Osmanen war schließlich eine andere als die der Römer. Viele ihrer Baudenkmäler sind heute immer noch bzw. wieder in Betrieb.

Vermächtnis aus der Nach-Árpádenzeit

Das Rudas Thermalbad zählt zu einem dieser alten türkischen Bäder und hat sich in seiner Erscheinung bis in die Gegenwart kaum verändert. 1597 wird es das erste Mal in den Quellen erwähnt, eine Anordnung zur Umgestaltung der Therme zu einem Türkischen Bad liegt jedoch schon aus dem Jahre 1556 vor. Sein eigentlicher Ursprung geht weit zurück: Die Türken errichteten ihr großes Badebecken auf einem schon vorhandenen kleineren, das in die Nach-Árpádenzeit datiert wird. Das achteckige Becken liegt unter einer Glaskuppel mit acht Metern Durchmesser, gestützt von acht Marmorsäulen. In den Ecken des Saales befinden sich weitere vier kleine Bassins. Ende des 16. Jahrhunderts war das Heilbad unter dem Namen „Pester Bad“ bekannt, gut 60 Jahre später wurde es aufgrund seiner farblichen Erscheinung das „Bad der grünen Säulen“ genannt. Ende des 19. Jahrhunderts übergab Leopold I. das Rudas an die Stadt Buda, heute ist es im Besitz des Staates Ungarn. 1894 bis 1896 wurde das Rudas um ein therapeutisches Schwimmbecken erweitert. Ab 1936 durfte das Thermalbad ausschließlich von Männern besucht werden. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude stark in Mitleidenschaft gezogen und Anfang der 50er Jahre wieder aufgebaut.

Im April 2004 wurde der Badebetrieb eingestellt, um ihn nach dem fast anderthalbjährigen Umbau der nun in gänzlich neuem Glanz erstrahlenden Therme im Dezember 2005 wieder aufzunehmen. Die für die Verzögerungen verantwortlichen archäologischen Freilegungen brachten neue keltische, römische, mittelalterliche und neuzeitliche Funde zum Vorschein. Wasserleitungen, Kanäle, ursprüngliche Wände und Nischen sowie die vollständige Mechanik einer Badewanne aus dem 19. Jahrhundert konnten freigelegt werden. Ein Teil der Funde wurde in die Umbauarbeiten integriert, andere wurden zurück in ihr Grab verbannt. Es handelte sich dabei um die ersten Ausgrabungen bei mittelalterlichen Bädern in Ungarn überhaupt.

Der Kuppelsaal ist gänzlich neu gestaltet worden. Die Funktion der Bassins hat sich nicht verändert, hingegen jedoch ihre Zahl – es wurde ein zusätzliches Becken gebaut – sowie das Angebot an Kabinen. Auch wurde neuen Ruheplätzen, Massageräumen und Saunen Platz eingeräumt, Wasserversorgungs-, Lüftungs- und maschinelle Einrichtungen wurden erneuert. Die Außenfassade muss letztendlich weiter auf ihre Restaurierung warten. Das geplante Budget erwies sich schon während der Umbauarbeiten als nicht ausreichend. Die Budapester Bädergesellschaft (Budapest Gyógyfürdôi és Hévizei Rt.) konnte es zwar um 120 Mio. Ft aufstocken, aber dennoch nicht auf weitere Zuschüsse der Stadtverwaltung Budapest sowie des Staates verzichten.

Nennenswerte Extras des Rudas Bades sind seine Trinkhalle, die Trinkkuren anbietet, sowie ein seit 1954 bestehendes Tageskrankenhaus mit einer vollständigen physiotherapeutischen Abteilung. Des Weiteren können Fußpflege und verschiedene Massagen in Anspruch genommen werden. Die Zusammensetzung des Wassers ist vor allem für Patienten mit degenerativen Gelenkserkrankungen, Arthritis, Bandscheibenschäden, Neuralgien sowie Kalkmangel des Knochensystems empfehlenswert. Die Wassertemperaturen der Dampfbassins variieren zwischen 16 und 42 Grad Celsius, das Schwimmbecken wird mit 29 Grad beheizt.

Resonanz der „Herrschaft“ bleibt abzuwarten

Die sicherlich einschneidenste Veränderung des Badelebens im Rudas bildet nach vielen Anfragen die Zulassung von Frauen im Dampfbad, die nach Protesten von Feministinnen zumindest für eine Probezeit von drei Monaten eingeführt wird. Wo vorher Männer 70 Jahre ihr Monopol ausleben konnten, kann das andere Geschlecht fortan Dienstags zwischen 6 und 12 Uhr sowie Donnerstags zwischen 14 und 20 Uhr gänzlich unter sich sein. Gemeinsam gebadet, selbstverständlich nur in Badehose bzw. -anzug, wird Freitags und Samstags zwischen 22 und 4 Uhr sowie Sonntags zwischen 8 und 17 Uhr. Für einige Mitglieder der alten stammkundschaftlichen „Herrschaft“ wird diese Neuerung sicherlich gewöhnungsbedürftig sein. So bleibt es abzuwarten, wie sich die Resonanz auf die „Frauentage“ und die Zahl der möglichen Beschwerden von Seiten der männlichen Besucher in den nächsten drei Monaten entwickeln wird, ob das Rudas zum Patriarchat zurückkehren wird oder die Frauen endgültig Einzug erhalten werden.

Die ungarische Badekultur wird – Geschlechter-Problematik hin oder her – eine ganz besondere bleiben. Nicht zu Unrecht wird Budapest die „Stadt der Bäder“ genannt. Selbst die UNO würdigte Ungarns ausgezeichnete Bedingungen für Bäder und gründete Anfang der 70er Jahre das „Thermal Project-Institut“ in Budapest, dessen Aufgabe es war, die Entwicklung der Heilbäder in Ungarn zu fördern und Planungsprojekte zu erarbeiten. Das übergeordnete Ziel sollte sein, die hier erworbenen Erfahrungen an andere Länder weiter zu geben. Auch mit dem Rudas hat die Stadt trotz noch ungeklärter Finanzierung große Pläne für die Zukunft: Das Bad soll um den Romkert (Ruinengarten) erweitert bzw. in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden, nahegelegen soll ein Vier-Sterne-Wellnesshotel für den fließenden Strom von Badegästen sorgen. Der kulturelle und historische Wert des Rudas ist nach den archäologischen Funden der jüngsten Vergangenheit sicherlich unbestritten und steigert die Forderungen nach einer Rundum-Renovierung.

Katrin Wolschke

Rudas Gyógyfürdö
Döbrentei tér 9, 1013 Budapest
www.heilbaderbudapest.com

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