ZUM PESTER LLOYD

Stadtmagazin des Pester Lloyd für Budapest

Gegründet 1967

POLITIK WIRTSCHAFT KULTUR BUDAPEST OSTEUROPA ANZEIGEN

 

| More

 

(c) Pester Lloyd / 2009 STADTLEBEN
_______________________________________________________
 

Zankapfel Trauminsel

Wie ein Megaprojekt Budapests Herz demoliert

Milliardeninvestition auf der Hajógyári Sziget erregt die Gemüter - „Álomsziget“, eine „Trauminsel“, soll für Hundertmilliarden Forint im Norden der Hauptstadt an der Donau entstehen. Eine kluge Investition, um den Fremdenverkehr weiter anzukurbeln, Umweltschädigung im Interesse der Betuchten oder Zerstörung der Stadtstruktur? Die Geister scheiden sich.

 

Projektstudie der Álomsziget - Trauminsel

Ein beratendes Referendum, initiiert durch die Selbstverwaltung des III. Bezirks, ist Mitte dieses Monats an zu geringer Beteiligung gescheitert. Die Bürger von Óbuda hatten die Möglichkeit über neue, strengere und detailliertere gesetzliche Richtlinien zur Bebauung des Stadtteils abzustimmen. Doch nur 14,43 Prozent der Wahlberechtigten nahmen diese Möglichkeit tatsächlich wahr – die Mehrzahl von ihnen stimmte für die neue Regelung. Eine Beteiligung von mindestens der Hälfte der Bewohner wäre jedoch für ein gültiges Votum nötig gewesen.

Die geringe Resonanz mag der Tatsache geschuldet sein, dass die Gesetzesvorlage sowohl vom Rat des III. Bezirks als auch den Abgeordneten des Budapester Stadtrates bereits verabschiedet wurde und auch ohne die Zustimmung der Anwohner Ende September in Kraft getreten wäre. Des Weiteren wurde von Seiten der Stadtverwaltung kaum über das bevorstehende Referendum informiert. Fast zynisch scheint es vor diesem Hintergrund, dass diejenigen wenigen Bürger, die sich am 10. September tatsächlich an die Wahlurne wagten, lediglich die Paragraphen ohne weitere Erläuterungen zur Abstimmung vorliegen hatten.

Traumpark auf 32 Hektar

Dabei betraf das Votum nicht nur die Bebauungsrichtlinien im Allgemeinen. Indirekt ging es gerade um die Zustimmung zu einer Mammutinvestition, die für die zu Óbuda gehörende Hajógyári Sziget (Schiffwerftinsel) geplant ist. Das Areal im Süden der Insel, das 2003 für 4,6 Mrd. Ft. in private Hände überging, soll mit einem Casino, Sportstätten, einem Kongresszentrum, mehreren Hotels sowie einem Wellness-Center bebaut werden. Die 32 Hektar große Anlage wird insgesamt 400 Mrd. Forint (Stand Anfang 2008) kosten. Die Investoren - Plaza Centers Europe (30 Prozent), CP Holdings Ltd. (30 Prozent) und die MKB Bank (30 Prozent) sowie kleinere Unternehmen - haben sich als GmbH unter dem Namen „Álomsziget 2004 Real Estate Development Kft.“ organisiert.

Der für das Konzept stehende Name „Trauminsel“ lässt erahnen, welchem Anspruch die Investoren gerecht werden wollen. Nicht nur auf den 27 Prozent der Insel, die sich im Besitz der Kft. befinden, möchte man ein umfangreiches Freizeitangebot schaffen. Im Norden der Hajógyári Sziget, der der Óbudaer Verwaltung untersteht, soll ein Park mit Joggingpfaden, Spielplätzen und Fahrradwegen angelegt werden. Die Umweltaltlasten der ehemaligen Fabriken werden entfernt und die Infrastruktur für weitere 15 Mrd. Ft ausgebaut. Nördlich der Árpád-Brücke soll ein Tunnel das Festland mit der Insel, verbinden. Das Projekt wird zudem mehrere Tausend neue Arbeitsplätze schaffen. Es klingt traumhaft, was die Investoren versprechen. Doch war die Trauminsel im Vorfeld der Abstimmung eher Zankapfel als Paradies.

Immer wieder kam es zu Protesten - zumeist von Seiten der Umweltschützer. Dass der tägliche Besucherstrom von bis zu 24.000 Menschen eine zu große Belastung für die Insel sei, wurde argumentiert. Die Einwände sind nicht unberechtigt, denn in der dicht bebauten ungarischen Hauptstadt gilt die Hajógyári Sziget als eine der wenigen grünen Lungen. „Auch wenn die Fläche, die letztendlich bebaut wird, nur 22 Prozent der Insel ausmacht, so ist das doch ein riesiges Gebiet“ meint Tibor Várady, Sprecher der grünen Organisation Védegylet (Schutzverein). „Es geht hier um ein Territorium von 350.000 Quadratmetern, also von der doppelten Größe des Westend City Centers“. Vor dem Referendum versuchten die Kritiker des Projektes über heikle Punkte zu informieren, stießen damit aber nicht unbedingt auf fruchtbaren Boden. „Die lokale Presse ließ uns kaum zu Wort kommen. Es gab einfach kein Forum für andere Meinungen.“ Aus diesem Grund versuchte Védegylet die Anwohner durch Informationskampagnen in Kenntnis zu setzen. „Meist sind wir auf Desinteresse gestoßen. Oder die Bürger waren der Meinung, ohnehin nichts bewegen zu können“ berichtet Várady.

Römische Gemäuer und bedenkliche Ränkespiele

Hajógyári Sziget zählt jedoch nicht nur aus ökologischen Gesichtspunkten zu einem der wichtigsten Gebiete in Budapest. Auf dem Gelände, das an die Investoren verkauft wurde, befinden sich die Ruinen des Palastes des römischen Kaisers Hadrian. Diese können juristisch gesehen eigentlich nicht veräußert werden. Der Gesetzestext wurde jedoch umgangen, indem man nicht die Ruinen an sich verkaufte, sondern die staatliche Firma, die die Anteile an der Insel hielt. Zwar wurde im Kontrakt festgehalten, dass allen staatlichen Forderungen auf Rückkauf sofort nachgekommen werden muss. Zudem soll die Ruine unter Erfüllung aller Auflagen auf Kosten des Unternehmens ausgegraben und zugänglich gemacht werden. Dennoch bleibt das Vorgehen der Bezirksverwaltung bedenklich.

Ebenso zweifelhaft erscheint der Umgang mit den Kritikern des Trauminselprojektes. So lud István Tarlós, der Bürgermeister des dritten Bezirkes und konservativer OB-Kandidat Vertreter grüner Organisationen zur Ausarbeitung einer Umweltschutzstrategie ein. „Letztendlich wurde keiner unserer Vorschläge in den neuen Gesetzestext aufgenommen. Es ist, als habe man uns mit der langwierigen Ausarbeitung der Strategie lediglich ruhig stellen wollen“ kritisiert Tibor Várady.

Jugendkultur und Tourismus für Betuchte?

Die Álomsziget Kft., so scheint es, ist bei diesen Auseinandersetzungen außen vor. Die Investoren versichern, dass man in einen ausführlichen Dialog mit den Umweltschützern getreten sei und deren Interessen berücksichtige. Man werde zudem die Auflagen der Stadt erfüllen - keine Gebäude dürfen der neuen Regelung zufolge beispielsweise höher als 18 Meter sein, die alten Industrieanlagen aus dem 19. Jahrhundert müssen im Sinne des Denkmalschutzes restauriert werden. Mit den Veranstaltern des Sziget Festivals, das alljährlich Zehntausende Besucher aus aller Welt in den Norden der Insel lockt, wurde bereits ein Abkommen geschlossen, dem zufolge die Veranstaltung auch weiterhin stattfinden kann.

Man sei übereingekommen, Hajógyári Sziget zum kulturellen Zentrum Óbudas zu machen. Doch wer die Insel einmal nach dem Festival besucht hat, wird sich fragen, wie der alljährliche Besucheransturm mit gepflegten Parkanlangen verbunden werden kann. Offen bleibt auch, wer es sich letztendlich leisten kann, die geplanten Freizeitangebote in Anspruch zu nehmen. Vielmehr scheint es als würde die 108 Hektar große Insel, auf der etwa tausend Sicherheitskräfte beschäftigt werden sollen, ein Ziel exklusiven Tourismus und gefüllter Geldbeutel würde.

Das Referendum hat den Baubeginn bereits verzögert. Nun steht den Investoren noch ein langwieriger Prozess bevor, ehe die Baugenehmigung endgültig erteilt wird. Die Umweltschützer sehen hier ihre Chance, noch einmal regulierend in das Projekt einzugreifen und so das neue Gesicht der Insel mitzubestimmen. „Wir sehen durchaus die guten Seiten, die Álomsziget mit sich bringt. Doch wäre es uns einfach lieber, wenn die Bebauung kleiner ausfiele“- so Tibor Várady.

Bereits in diesem Jahr, allerspätestens jedoch 2007 werden die Ausgrabungen an der Ruine des Kaiserpalastes beginnen. Diese werden mindestens anderthalb Jahre dauern. Da es durch Neuentdeckungen während der archäologischen Arbeiten zu Änderungen in der Planung kommen kann, wird die Realisierung von Álomsziget noch auf sich warten lassen.

Marlen Heide

| More

 

IHRE MEINUNG IST GEFRAGT - KOMMENTAR ABGEBEN

 

(c) Pester Lloyd

IMPRESSUM