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(c) Pester Lloyd / 13 - 2012     OSTEUROPA   29.03.2012

 

Serbisches Dilemma

Machtspiel um Serbien-Wahlen im Kosovo

Anlässlich der serbischen Parlamentswahlen ist ein Machtpoker um den Kosovo und die EU-Zukunft Serbiens entbrannt. Die serbische Regierung betont, dass die serbischen Parlamentswahlen ihrer Auffassung nach auch auf kosovarischem Gebiet stattfinden sollen. Die kosovarische Regierung, EU und UN widersprechen. Egal was die serbische Regierung tut, es wid einen hohen Preis haben, denn entweder riskiert man die EU-Mitlgiedschaft oder die Macht.

Die Interessenlagen sind vielfältig: Serbien möchte auf der einen Seite EU-Mitglied werden aber auf der anderen Seite nicht auf den Kosovo verzichten. Der Kosovo möchte den Weg zur Eigenstaatlichkeit weiter verfolgen. EU und UN möchten einen stabilen Frieden in der krisengeplagten Region schaffen.

Der Kosovo, der von Serbien als abtrünnige Provinz gesehen wird, hatte 2008 unilateral seine Unabhängigkeit erklärt und ist seitdem von den USA sowie 22 der 27 EU-Staaten anerkannt worden. Staaten wie Spanien sperren sich jedoch dagegen, um die Unabhängigkeitsbestrebungen der Katalanen nicht weiter zu fördern.

Der Status des Kosovo und der kosovarischen Serben

Laut Serbiens Verfassung von 2006 ist der Kosovo eine serbische autonome Provinz mit demselben Status wie die Vojvodina, somit geht Serbien davon aus, dass serbische Wahlen auf kosovarischem Territorium rechtmäßig seien. Farid Zarif (Foto), Chef der UN-Mission im Kosovo, UNMIK, verkündete jedoch, dass serbische Wahlen auf kosovarischem Territorium gegen die UN-Resolution 1244 verstoßen würden und somit völkerrechtlich illegal wären. Folglich hat UNMIK auch erklärt, dass sie bei der Organisation der Parlamentswahl Serbiens im Kosovo keine Rolle spielen kann. Der kosovarische Parlamentspräsident Jakup Krasniqi entgegnete, dass „die kosovarischen Autoritäten serbische Wahlen auf kosovarischem Territorium verhindern werden.“ Dies würde auch Gewalt beinhalten, antwortete er auf Nachfrage.

Wahlen wären besonders problematisch, da auf diese Weise serbische Parallelgesellschaften auf kosovarischem Territorium sowie staatsähnliche Institutionen gefördert werden. Bestehende Bezirksverwaltungen, Schulen und Postämter im serbisch geprägten Nordkosovo sind auf finanzielle Unterstützung Belgrads angewiesen. Die Beendigung der Förderung dieser Parallel-Strukturen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft Serbiens in der EU. Der serbische Minister für den Kosovo Bogdanovic sagte jedoch, „sollte es – aus welchem Grund auch immer – nicht zur Teilnahme der serbischen Kosovaren an den Parlamentswahlen kommen, wird dies keinerlei Auswirkungen auf Belgrads Finanzierung der parallelen Institutionen haben.“ Er betonte am Montag erneut „dass wir es nicht aufgeben werden, die Wahl auf kosovarischem Territorium abzuhalten. Wir werden unseren Dialog mit UNMNIK, der OSZE und allen anderen relevanten internationalen Akteuren fortsetzen.“

Die USA haben einen Kompromissvorschlag: sie würden dem Anliegen Serbiens zustimmen, insofern nur Kosovaren mit doppelter Staatsbürgerschaft teilnahmeberechtigt wären. Zu dem Kompromissvorschlag sagte Bogdanovic jedoch, dass „wir alle Kosovaren als serbische Staatsbürger sehen.“ Staatssekretär Oliver Ivanović entgegnete, dass die Regierung erst nach einer erfolgten Antwort von der UN-Mission UNMIK weitere Schritte bezüglich der Wahlen im Kosovo einleiten wolle. Weiter sagte er, dass man sich bei der Entscheidungsfindung „nicht von den Gefühlen, sondern vom Verstand leiten lassen soll“.

Serbien und die EU

Es ist davon auszugehen, dass Serbien sich bald kompromissbereiter zeigen wird, da sie am zeitnahen EU-Beitritt interessiert sind. Auch hinsichtlich der Respublika Srbska in Bosnien zeigte Belgrad letztlich Entgegenkommen. Nachdem Serbien offiziell der EU-Kandidaten-Status zuerkannt wurde, haben die serbischen Verhandlungsführer ihre Vorbereitungen für die Gespräche mit EU-Vertretern begonnen. Die Delegation wurde angeführt vom Minister für EU-Integration Milica Delević und Justizstaatssekretär Slobodan Homen. „Dies ist der erste und sehr wichtige Schritt für den EU-Eintritt“, sagte Homen. „Vor uns liegt ein weites Feld an administrativen und technischen Schritten, damit unser Ziel der EU-Mitgliedschaft schnellstmöglich erreicht werden kann“.

 

Der serbische Präsident Boris Tadić betonte, dass der Beginn der offiziellen EU-Beitrittsverhandlungen am Dialog zwischen Belgrad und Priština hängt. Am Freitag sagte er bei einem Treffen mit dem österreichischen Regierungschef Heinz Fischer, dass sie einen 4-Punkte-Plan vorgesehen haben. „Ich denke, dass es nach den Wahlen neue Möglichkeiten für einen verständigen Dialog geben wird. Serbien und Kosovo liegen auf europäischem Gebiet und jede Instabilität hier hätte Auswirkungen auf Europa.“ Die Frage ist jedoch, ob es dann nicht sehr schwierig wird eine vernünftige Lösung zu finden, wenn man die Mitspieler verprellt.
Jenseits politischer Reden wird nämlich gleichzeitig versucht, Nägel mit Köpfen zu machen. Am Dienstagabend haben die kosovarischen Behörden Männer festgenommen, die Wahlmaterial in den Nordkosovo schmuggeln wollten. Dies könnte jedoch einem Abkommen bezüglich der Freizügigkeit zwischen Kosovo und Serbien gegenüberstehen. Im Gegenzug verhaftete die serbische Polizei am Mittwoch zwei Kosovaren wegen „Spionage“.

Der Politikprofessor Predrag Simić analysiert die Gesamtsituation auf folgende Weise: „Sollten die Wahlen auf dem kosovarischen Gelände stattfinden, würde das neue Konflikte zwischen Brüssel, Belgrad und Washington kreieren. Serbien würde in absehbarer Zukunft nicht EU-Mitglied werden. Wenn aber die Wahlen nicht abgehalten werden würden, würde das zu Konflikten zwischen der Opposition und den serbischen Autoritäten im Kosovo und der serbischen Regierung führen.” In jedem Fall stehen serbische Politiker vor einem Dilemma. Wie sich dieses Dilemma im Wahlkampf noch entwickeln wird und welche Auswirkungen das auf das Machtspiel um den Kosovo haben wird, zeigen die nächsten Wochen.

Philipp Karl

 

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