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(c) Pester Lloyd / 14 - 2012     POLITIK   04.04.2012

 

Präsidiables Osterei

Ungarn auf der "Suche" nach einem neuen Präsidenten

Wer der Neue wird, steht zwar noch nicht fest, aber wie er wird, schon längst. Die einziegen Einstellungskriterien sind Kadavergehorsam und kein Titel, der irgendwie anfechtbar wäre, so der realistische Zynismus im politischen Budapest. Die Regierungspartei Fidesz, in deren alleiniger Hand die Wahl des neuen Präsidenten liegt, annoncierte, dass man den Ungarn erst nach Ostern, bis zum 16. April, einen Kandidaten ins Nest legen wird.

Fidesz-Fraktionschef Lázár lud bereits einen Tag nach Schmitts peinlichem Abgang die anderen Fraktionen zu einer "Konsultation" ein, man wolle "alle Vorschläge prüfen". Die Oppositionsparteien bemerkten nach dem Rundtischgespräch, dass der Dialog freilich wieder nur ein vorgetäuschter war, nichts wird Fidesz davon abhalten, auch diesmal einen treuen Vasallen in den Sándor-Palast zu entsenden, der alle ihm vorgelegten Gesetzeswerke unterzeichnen wird und auch sonst die Linie der Partei zu vertreten hat.

Die Suche nach einem "geeigneten" Staatspräsidenten wird durch die Vorgabe Orbáns, der Neue möge "politisch rechts von mir" stehen, nicht unbedingt erleichtert. Die Anzahl der präsidiablen Persönlichkeiten, die man rechts des ungarischen Premiers noch dem demokratischen Spektrum zuordnen kann, ist ohnehin schon sehr gering. Bedenkt man weitere Vorgaben, wie Kadavergehorsam, Skandalfreiheit und Vorzeigbarkeit, wird die Luft noch dünner. Die Aussage Orbáns war freilich eine reine Koketterie, sieht er sich doch selbst als "rechten Plebejer" im Spektrum des Nationalkonservativismus eher in der Mitte stehend...

Als Kandidaten werden bekannte Namen genannt, die hinsichtlich des geforderten Gehorsams keine Wünsche übrig lassen. Der heutige Parlamentspräsident, der momentan kommissarisch die präsidialen Amtsgeschäfte leitet, László Kővér, gilt vielen als Favorit. Er ist ein ausgesprochener Hardliner, an dessen Treue zu Orbán keine Zweifel aufkommen. Noch eher müsste Orbán einen gewissen rhetorischen Übereifer Kővérs fürchten, der gerade wieder ein Beispiel seines Enthusiasmus' ablieferte, als er oppositionellen Abgeordneten beschied, dass es "eine Schande" sei, dass sie "überhaupt" im Parlament sitzen. Auch aussenpolitisch würde Kővér eine permanente wandelnde Kriegserklärung sein, meint er doch "überall wo Ungarn leben, auch in Ungarn" zu sein.

Aussenminister János Martonyi hätte aufgrund seines freundlichen Lachens und des tollen husarischen Schnauzbartes sowie dem Fehlen jeglicher eigener politischer Ambitionen alle Chancen auf den Posten des Präsidenten. Ohnehin hiess es immer wieder, er wäre für das härter gewordene diplomatische Business zu weich, denn die Abwehr der permanenten "Attacken der internationalen Linken" braucht ein anderes Kaliber als einen Diplomaten alter Schule, hier sind echte Kämpfer gefragt. Daher gab es immer wieder Ablösegerüchte, das Hinfortdelegieren zum nationalen Stempelkissen wäre eine optimale Lösung. Allerdings vertritt Martonyi keinerlei Fidesz-Hausmacht, die sich Orbán durch dessen Ernennung für kommende Krisenzeiten gefügig machen könnte.

Genannt werden weiterhin der Präsident der Akademie der Wissenschaften, József Pálinkás, der als fidesz-nah, nicht unbedingt fidesz-ergeben zu gelten hat, gleiches gilt für dessen Akademie-Kollegen Szilveszter E. Vizi. Deren Karrierebewusstsein und Eitelkeit qualifiziert sie jedoch durchaus, zumal man mit dem ehemaligen MDF-Mann Pálinkás einen Nicht-Fidesz-Mann präsentieren kann.

Immer häufiger genannt, wird zuletzt mit János Áder eine etwas harmlosere Variante Kővérs. Áder, 1988 einer der Mitgründer des damals noch eher liberal bis konservativ, statt nationalistisch orientierten Fidesz, ist ein klassischer Parteisoldat und leistete Orbán stets treue Dienste, ob als Vize-Parteichef, Vize-Fraktionschef oder als Parlamentspräsident während dessen erster Amtszeit. Áder ist derzeit EU-Abgeordneter.

Abwarten und Tee trinken. Orbán-Favorit Áder.

Von dort und auch aus einem erweiterten Kreis von Diplomaten werden weitere Namen genannt, u.a. der Ipad-Verfassungsschreiber Szájer, dessen Frau bereits die ungarischen Richter befehligt, ein ehemaliger Botschafter in Frankreich sowie - als gefährliches, aber durchaus denkbares Absurdum - ein "Rumäne": László Tőkés, der Separatistenchef der "Siebenbürger Volkspartei", der auf einem rumänischen Mandat im Eropaparlament ungarische Politik macht, wurde ins Gespräch gebracht, weil dieser schliesslich wie kein Zweiter die "Einheit der Nation" respräsentiere, die Schmitt zuletzt nicht mehr liefern konnte. Man könnte auch gleich die Lunte direkt ins Pulverfass schmeissen, aber zuzutrauen wäre Orbán sogar eine solche Entscheidung.

 

Eine andere Überraschung, im Sinne eines überparteilichen Kandidaten und damit eine Wiedereinsetzung des Amtes des Präsidenten in seine von der Verfassung vorgesehene Würde, ist aus dem österlichen Konklave des Fidesz ohnehin nicht zu erwarten. Die vollkommen machtlose und hoffnungslos zersplitterte Opposition versuchte sich an einer Art Gauckjade, in dem sie den von Orbán abgelösten und weiterhin abgelehnten aber durchaus konservativen Ex-Präsidenten László Sólyom ins Felde führte, um die Regierungspartei in erklärerische Verlegenheit zu bringen. Sólyom ist nicht nur verfassungsjuristisch vőllig überqualifiziert für die Jobbeschreibung, er hat auch eine eigene Meinung und einen Widerspruchsgeist, der ihn aus dem Kreis von Kandidaten von vornherein ausschliesst, zumal seine kritischen Wortmeldungen zur neuen Verfassung nicht wirklich in die heutige ‘DIskussionskultur’ passen.

red.
 

 

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