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(c) Pester Lloyd / 15 - 2012     WIRTSCHAFT   11.04.2012

 

Plünderung als Gesellschaftsmodell

Was steckte wirklich hinter der Forex-Kreditablöse in Ungarn?

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat sich in einer aktuellen Analyse nochmals des Forex-Ablösemodells angenommen und es als wirtschaftlich schädlich wie auch unsozial bewertet. Doch der IWF-Bericht erfasst nur die oberflächlichen Störungen, nicht die gesellschaftliche Tiefenwirkung dieser "Sozialpolitik im nationalen Interesse."  Während eine ausgewählte Klientel bei Kunden, Banken und Maklern profitiert, steigt bei der Masse der Schuldner die Gefahr des sozialen Totalabsturzes.

“Haus zu verkaufen - Ich flüchte vor diesem Regierungspack...”

Um den letzten Jahreswechsel bestand per gesetzlichem Erlass die Möglichkeit, in Fremdwährung aufgenommene Hypothekenkredite zu einem vom Staat festgelegten Wechselkurs auf einen Schlag zurückzuzahlen. Weitergeführt wird heute eine Möglichkeit des Umtausches solcher Kredite in Forint, einschließlich eines teilweise Schuldnachlasses, vorausgesetzt die Immobilie wird selbst genutzt und ist nicht allzu teuer und zu groß.

Soziales Pulverfass entschärft?

Die Regierung argumentierte, dass die Bürden der bank- wie kundenseitigen Gier auf zinsniedrige Fremdwährungen aus den Jahren 2000 bis etwa 2009 auch von beiden Seiten getragen werden müsste. Man erkannte auch, dass 800.000 Haushalte mit Hypothekenschulden in der Höhe von 40% des BIP, wovon bis zu 20% als notleidend galten bzw. gelten, eine soziale und letztlich auch eine politische Zeitbombe sind. Die Kritik der Finanzwelt-Lobby, aber auch der multinationalen Kreditgeber wie IWF und EU konzentrierte sich zunächst nur auf die Klage über den Eingriff in das "Privateigentum", sprich das Geld der Banken, die damit reichlich Verluste einfuhren.

Banken schluckten die Kröte

Vor allem die Lobby der österreichischen Banken wurde sehr aktiv, hatten sie doch auch am heftigsten gezockt und in Ungarn reihenweise Kredite an Kunden vergeben, denen man in Wien nicht mal einen Termin geben würde. Letztlich schluckte die Bankenwirtschaft die Kröte und schaffte es sogar, dass sie einen Teil der Kosten der Forex-Ablöse von der Bankensondersteuer abschreiben kann. Die Konsequenz ist freilich, dass viele Banken ihr Geschäft in Ungarn zurückfahren und damit die Kreditklemme verschärfen, die wiederum den Mittelstand hemmt und damit der Wirtschaft schadet, womit sich die Regierung also wieder einmal ins eigene Fleisch geschnitten hätte. Die Verluste (bzw. nicht realisierten Gewinne, was einen Unterschied ausmacht) der Banken werden auf rund 1 Mrd. EUR geschätzt, einige Kreditinstitute verließen Ungarn ganz, andere reduzieren Filialen, Mitarbeiter und vor allem das Kreditgeschäft. Die ERSTE aus Österreich schimpfte am lautesten und unterzieht den Markt Ungarn
nun einer "Sonderbehandlung".

Nur "gut situierte" Haushalte konnten sich befreien

Nun, Monate nach Auslaufen der Forex-Ablöse, kommt sogar der IWF, nicht gerade berühmt für seine soziale Ader, darauf, dass das zunächst rein finanzseitig betrachtete Modell wiederum auch das soziale Gleichgewicht des Landes beschädigt, so wie eben auch die Flat Tax,
trotz ihrer vielen Reparaturversuche. In einer aktuellen Analyse stellt der Währungsfonds fest, dass nur rund 15% aller Hypothekenschuldner die Möglichkeit hatten, genügend Geld aufzutreiben, um die Rückzahlung auf einen Schlag zu stämmen (einheimische Zahlen sprechen von rund 20%). Der IWF vermerkt "nur gut situierte Haushalte waren in der Lage ausstehende Hypotheken auf einen Schlag abzulösen". Weiterhin wird der "rückwirkende" Eingriff in "private Verträge" bemängelt sowie - pflichtgemäß - die mutmaßlich wirtschaftshemmenden "Bürden" für die Bankwirtschaft. Mehr zur Bilanz der Forex-Ablöse.

Irgendjemand gewinnt immer...

In den Fängen von Kredithaien

Was der IWF wieder übersieht, ist, dass sogar von den 15%, die die Ablöse durchführten, nur der geringste Teil so wohlhabend war, um aus eigenen Mitteln den Kredit zurückzuzahlen. Die meisten haben einen neuen Forintkredit dafür aufgenommen, der ihr Zahlungsleiden nicht verringert, nur vorhersagbarer macht. Teils taten sie das auch bei sehr dubiosen Kredithaien zu Horrorzinsen, die man jedoch lieber in Kauf nimmt als die unwägbaren Schwankungen des Forint, der bekanntlich auch auf zweifelhafte Politiker-Sprüche sehr empfindlich reagiert, an denen es in Ungarn regierungsseitig kaum mangelt.

Wichtigste Alterssicherung ist futsch

Etliche verkauften auch die in Frage stehende Immobilie - notfalls zu einem Spottpreis - an einschlägig vernetzte Makler, die oft nicht weit vom Bankenumfeld und lokalen Politgrößen agieren, um so an die Summen für die Rückzahlung zu kommen. Sowohl die
Preisentwicklung als auch die Verkaufszahlen belegen dies. Damit verzichten die Betroffenen jedoch zwangsläufig auf die wichtigste Alterssicherung, ein Eigenheim oder eine eigene Wohnung, die traditionell in Ungarn einen hohen Stellenwert hatm, der aufgrund der miserablen Rentenhöhe sogar noch zunahm. Was das für die spätere Situation dieser Menschen (Stichwort Altersarmut) für Auswirkungen haben wird, ist heute noch gar nicht abzusehen, nur die Richtung ist klar.

Zwangsräumungen nehmen zu

Jenen rund 16-20%, die immer noch zahlungsunfähig bzw. im Rückstand mit ihren Raten sind, droht indes ein sehr trauriges Schicksal. Rund 5000 der Ärmsten werden durch ein Regierungsprogramm aufgefangen (
hier mehr dazu), Zigtausende andere stehen Zwangsversteigerung und -räumung bevor, denn das Moratorium dazu hat die Regierung - im Pakt mit den Banken - schrittweise aufgehoben, wie hier zu lesen ist. Bereits rund 5000 Zwangsversteigerungen haben die Banken bis Mitte März annonciert. Betroffen sind davon bei Weitem nicht nur Menschen, die man landläufig als arm bezeichnen würde. Die Regierung hat sogar noch den gesetzlichen Weg frei gemacht, damit diese online abgewickelt werden können, offiziell, um bessere Preise zu erzielen, inoffiziell, um schnell große Massen abzuwickeln.

Andere Pläne lagen vor, wurden aber kassiert

Dabei gab es einen anderen Weg, die Pläne dazu lagen bereits fertig im Finanzministerium und liegen uns vor. Kurz gesagt, war darin ein Zinsstopp per Stichtag, ein festes Wechselkursband und eine deutliche Verlängerung der Ratenziele fixiert, die - je nach Einkommenslage - angepasst werden konnte. So hätte fast jeder Schuldner eine Chance gehabt, im Gegensatz zu einer zeitlich begrenzten Gesamtablöse, seiner Verantwortung als sorgloser Kreditnehmer im Rahmen seiner Möglichkeiten nachzukommen. Die Kosten für die Banken wären über einen längeren Zeitraum gestreckt und gedeckelt gewesen.

Ungarns größte Bank, die OTP, deren Chef Sándor Csányi ein enger Duzfreund Orbáns geworden ist, hatte aber den Plan, über die stattgefunden Schocktherapie ausländischen Bankentöchtern Marktanteile abzujagen, wofür man auch selbst kurzfristig höhere Einbußen in Kauf nahm. Dies gelang. Außerdem konnte man als lokal am besten vernetzte Bank am Immobilienhandel mitverdienen, die Gründung einer eigenen Maklertochter fiel nicht zufällig ins Ende des Jahres 2011 und treibt seitdem - wie uns viele Berichte aus der Provinz belegen - mit lokalen Maklern gemeinsam ihr Unwesen. An dem Vorgang erkennt man, dass die Administration durchaus zu vernünftigen Planungen in der Lage ist, die es aber nicht an der Politik vorbeischaffen, ein typisches Kennzeichen von Planwirtschaften.

Offene Märkte vor sozialem Gleichgewicht

Zusammengefasst: die Forexablöse wurde als "Sozialmaßnahme im nationalen Interesse" verkauft, war aber faktisch nichts anderes als eine Umverteilung von Unten nach Oben sowie von "Links" nach Rechts, bzw. von International nach "National". Dieses Szenario passt sowohl in die ständische wie nationalistische Gesamtplanung des "neuen Ungarn" als auch in das Denk- und Handlungsmuster der neuen "parteinahen" Eliten und Geschäftspartner, die sich, gesetzlich oder informell protektioniert, regelrecht "familienartig", in vielen Schlüsselposition ausbreiten und damit eine der beständigsten, wenn auch schädlichsten Traditionen des alten wie des neuen Ungarns fortsetzen: die systematische Ausplünderung der Bürger.

Der IWF hat damit als Vertreter des ökonomischen Mainstreams kaum ein Problem, solange das  gesellschaftliche Gefüge nicht gänzlich außer Rand und Band gerät und seine internationale Klientel an dem "Geschäft" mitverdient. Ob die EU mit ihrem neuen Sparfetisch dort als soziales und rechtsstaatliches Korrektiv einspringen wird - oder kann - muss bezweifelt werden.

Cs.Sz.

 

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